2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
– Foto: David Inderlied

Der Unvollendete geht: Die Leiden des Jakob Buluts

29-Jähriger hört beim Bezirksligisten SV Avenwedde im Sommer 2022 nach drei Jahren solider Trainerarbeit auf. Sein letzter Wunsch: „Bitte nicht wieder einen Saisonabbruch.“

115 Spiele auf der Trainerbank – davon 71 Siege. Wer einen Blick in die FuPa Ostwestfalen Statistik von Jakob Bulut wirft, der stellt fest: Dieser 29-jährige Fußballlehrer leistet konstant gute Arbeit auf anspruchsvollem Amateurfußball-Niveau. In den letzten rund drei Jahren tat er dies vornehmlich beim SV Avenwedde, jenem Fußballclub aus dem Kreis Gütersloh, der einst als „Landesliga-Dino“ von sich reden machte. Nach dem Abstieg aus der Landesliga und einem „Fast-Abstieg“ aus der Bezirksliga übernahm Jakob Bulut die Jungs in „Bonewie“. Bulut stabilisierte die Mannschaft, baute sie nach seinen Vorstellungen um und wollte an die Sensationserfolge aus GTV-Zeiten anknüpfen. Phasenweise gelang ihm das – doch die Coronapandemie (mit all ihren „Anhängseln“) bremste den erfolgsverwöhnten Coach aus. Nun verkündet Bulut sein Ausscheiden zum Sommer 2022. Auf eigenen Wunsch. Ist er an seinen eigenen Erwartungen gescheitert? Mitnichten, wie er im FuPa Ostwestfalen Gespräch bestätigt.

Jakob Bulut über…

… die Gründe für sein Aus beim SV Avenwedde:
Das ist so simpel wie prägnant: Wir sind als Mannschaft, unter meiner Führung als Cheftrainer, in dieser Saison bisher hinter unseren eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Es ist eine rein persönliche Entscheidung von mir, die ich dem Verein frühzeitig mitteilen wollte. Es gibt fürs Aufhören keinen perfekten Zeitpunkt. Dennoch glaube ich, dass Mannschaft und Verein so frühzeitig Bescheid wissen und entsprechende Maßnahmen für die Zeit nach der Saison ergreifen können.


… Reaktion der Mannschaft:
Ich habe es der Mannschaft nach dem 4:2-Sieg über Sende mitgeteilt. Es spricht für den Charakter des Teams, dass die Spieler meine Entscheidung nicht nachvollziehen konnten und meinten, doch erst einmal die Rückrunde abzuwarten. Meine Jungs haben sich also quasi selbst in die Pflicht genommen. Aber letztlich ist Fußball ein Ergebnissport. Und unsere Ergebnisse waren zuletzt nicht immer zufriedenstellend. Dafür ist der Trainer verantwortlich – und dieser Verantwortung stelle ich mich.


… welche Rolle die Corona-Pandemie spielte:

Wie bei vielen Kollegen wahrscheinlich eine entscheidende. Trainingsdefizite, daraus resultierende Verletzungen oder fehlende Spielpraxis begleiten uns in den letzten Jahren konsequent. Es ist sogar etwas kurios: Bisher konnte ich keine Saison als Trainer in Avenwedde komplett absolvieren. Die Pandemie hat mir stets einen Strich durch die Rechnung gemacht.


… die Problematik auf der Torwartposition:

Ursprünglich hatten wir im Sommer mit Daniel Fernandez-Cardenas (reaktiviert), Marvin Thoms sowie Maik Grywatz drei richtig starke Torhüter. Doch sie alle fielen durch teils schwere oder langwierige Verletzten für die Saison aus. Kurzerhand organisierte Vanni (Dirk van der Ven, Co-Trainer) Hendrik Müller als festen Keeper für ein halbes Jahr. Der wollte ursprünglich nur als Torwarttrainer arbeiten und hatte fünf Jahre keinen Fußball gespielt. Doch Hendrik ist ein überragender Typ, besonders mental. Er kam sogar mal von einem Nachtdienst (Müller ist Polizeibeamter) direkt zum Spiel. Ohne zu schlafen, versteht sich.


… das Hicret-Spiel als „Bruch“:

Obwohl wir die ersten drei Spiele noch gewinnen konnten merkte ich, dass die Mannschaft so langsam auf dem Zahnfleisch ging. Zu den zahlreichen Verletzten kamen auch noch Sperren hinzu. Also fehlten uns am vierten Spieltag gegen den SC Hicret elf Spieler. Doch es sollte noch dicker kommen: Selbst der Torwart unserer dritten Mannschaft musste verletzugsbedingt passen, sodass der ebenfalls angeschlagene Schlussmann der vierten Mannschaft einspringen musste. Entsprechend mussten die verbliebenen Spieler über ihr Limit gehen – unterstützt von Reserveakteuren oder Aushilfskräften aus der zweiten Mannschaft. Die Folge war, dass wir durch weitere Ausfälle einen echten Bruch in unserem Spielfluss erlebten, der uns lange verfolgen sollte.


… das eigene System und die Niederlagenserie im Oktober:

Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem wir nur noch improvisieren konnten. Unser trainiertes System konnten wir nach den ganzen Ausfällen nicht mehr spielen. Immer wieder mussten Spieler ausgetauscht werden oder auf ungewohnte Positionen ausweichen. Als dann die Niederlagenserie einsetzte, hinterfragst Du dich schon selbst. In dieser Zeit habe ich viel reflektiert, mit den Spielern gesprochen und gegrübelt, wie wir da wieder rauskommen. Negativerlebnisse wie diese gehen nicht einfach spurlos an dir vorbei.


… ob er seinen Ansprüchen in dieser Zeit genügte:

Ich habe zu keinem Zeitpunkt an mir selbst oder an meiner Trainerarbeit gezweifelt. Denn ich habe mir immer gesagt: Aus Niederlagen lernst Du mehr als aus Siegen. Mir waren in dieser Zeit buchstäblich die Hände gebunden. Ich wusste, dass in diesem Team mehr steckt. Und klar: Unsere Ambitionen waren immer oben mitzuspielen. Doch die Umstände ließen nicht mehr zu. Auch das muss man als Trainer lernen zu akzeptieren.


… Saisonziel für das letzte halbe Jahr 2022:

Für mich hat der maximale Erfolg für den SV Avenwedde die höchste Priorität. Das ist mein Anspruch. Und dann wünsche ich mir natürlich, dass alle gesund bleiben. In einer Pandemie ist das alles andere, als selbstverständlich.


… das Worst-Case-Szenario:

Drei Jahre SV Avenwedde, drei Jahre Saisonabbruch. Das wäre wirklich das aller Schlimmste.


… künftige Pläne:

Bis zum Sommer 2022 gilt meine volle Aufmerksamkeit dem SV Avenwedde. Auf der persönlichen Ebene, und natürlich sportlich, will mich in jedem Fall weiterentwickeln. Deshalb strebe ich die A-Lizenz für Trainer an. Anschließend lasse ich alles ganz entspannt auf mich zukommen. Schauen wir doch einfach mal…

Aufrufe: 026.12.2021, 10:00 Uhr
Marcel Grabbe / FuPaAutor