Der SC Herzogenaurach Nord war immer ein bisschen die graue Maus der Stadt. Der ASV Herzogenaurach klopfte dagegen in den Siebzigern sogar ans Tor der 2. Bundesliga. Am letzten Spieltag der B-Klasse 2 kämpfen beide Teams um die Meisterschaft und den direkten Aufstieg.
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Wie es knapp fünf Kilometer weiter beim SC Nord steht, wissen die Fußballer des ASV Herzogenaurach nicht. Sie sind momentan auch mit sich selbst beschäftigt. Früh sind sie bei der zweiten Mannschaft des ASV Niederndorf mit 2:0 in Führung gegangen, doch jetzt drücken die Gastgeber sie weit in ihre Hälfte. In der 43. Minute schiebt Tobias Geiger den Ball zum 1:2-Anschlusstreffer über die Linie. Die Herzogenauracher müssen gewinnen, wollen sie die Chance auf den direkten Aufstieg in die A-Klasse wahren. Und darauf hoffen, dass Oberreichenbach ein kleines Fußballwunder gelingt. Seit Rainer Gelzleichter in der Winterpause übernommen hat, hat der ASV in jedem Spiel gesiegt. Pünktlich zum Pausenpfiff beginnt es am Niederndorfer Waldrand zu gewittern. Auch als die Spieler zurück aus der Kabine kommen, trommelt der Platzregen noch vom Himmel. Torwart Christian Held und Feldspieler Hannes Wilfer nutzen die Zeit und halten unter einem Sonnenschirm eine kurze Teambesprechung ab.
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Inzwischen müsste allerdings schon ein großes Fußballwunder her: Der SC Nord führt Mitte der zweiten Halbzeit mit 4:1. Als Salim Chousein den Ball zum 5:1 über die Linie schiebt, packt der Chef, Vorstand Mario Krüger, die gelben Aufstiegs-T-Shirts aus seinem Auto. Das erste zieht er sich selbst an. Am Spielfeldrand unterhalten sich die Alten Herren, vor allem als „Waldi“ eine präzise Flanke in den Strafraum schlägt, werden sie laut. „Ein Wahnsinnsfußballer ist das“, sagt einer. „Waldi“ heißt Wladimir Aschenbrenner, ist inzwischen 40 Jahre alt und in seinem Fußballerleben schon viel rumgekommen. In Erlangen hat er gespielt, in Oberreichenbach, beim FC Herzogenaurach und Chemnitz, aber der SC Nord ist so etwas wie sein Heimatverein. Und jetzt noch einmal aufsteigen, mit 40. „Das ist unbeschreiblich“, lacht Aschenbrenner nach dem Spiel, ein Glas Bier in der Hand: „Ich kann es noch gar nicht fassen.“
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In Niederndorf passiert nicht mehr viel, außer dass der Schiedsrichter Gelbe Karten verteilt. Zwar fliegt Radu Samoila in der 73. Minute noch vom Platz und Niederndorf verschießt einen Foulelfmeter, doch zittert bei den Herzogenaurachern niemand mehr. Platz zwei ist sicher und dass es für Platz eins wohl nicht reichen wird, wissen sie schon seit der Pause. Ihr Mann am Sportgelände des SC hat es ihnen mitgeteilt. „Da war für uns alles klar“, sagt Gelzleichter. Der ASV Herzogenaurach kann noch über die Relegation in die A-Klasse aufsteigen. Fünf Teams spielen um drei Plätze, ausgelost wird am heutigen Dienstag. Für Rainer Gelzleichter werden es die letzten Spiele als Cheftrainer sein. Er will zurück in die Jugendarbeit gehen.
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Die Spieler des SC Nord liegen sich in den Armen, nach dem obligatorischen Siegerfoto nimmt einer kurz Chousein auf die Schultern. Aber sonst ist die Freude verhalten, dafür hat der Spielertrainer gesorgt. Nachdem sich die Jubeltraube aufgelöst hat, steht er neben der Gästebank und erklärt, warum: „Ich habe ihnen in der Kabine immer wieder gesagt, dass sie auch mit nur acht Mann in dieser Liga fast jeden schlagen würden. Es hat mich gefreut, dass sie sich meine Worte zu Herzen genommen haben.“ Soll heißen: Keine so große Sache, der Aufstieg. Dafür sind seine Jungs zu gut. In der kommenden Saison will Chousein am liebsten gleich wieder aufsteigen. „Wenn alles gut läuft, können wir wieder oben mitspielen.“ Dass es so gut läuft, hat viel mit ihm zu tun, auf und neben dem Feld. „Der Trainer hat einen Löwenanteil an dem Aufschwung. Er hat alles gehalten, was er versprochen hat“, lobt Vorstand Mario Krüger. In der Winterpause der vergangenen Saison hat Chousein den SC Nord übernommen, seitdem geht es bergauf. 15 neue Spieler sind seitdem gekommen, viele Bekannte, Freunde und alte Mitspieler des Trainers sind darunter.
Eine bunte Truppe aus sehr jungen und sehr alten Spielern, die der Trainer erst zu einer Einheit formen musste. Niemand soll glauben, dass die Hobby-Kicker in der B-Klasse keine Diven sein können, wenn sie nicht aufgestellt oder ausgewechselt werden. „Ich habe vorher die E-Jugend trainiert, da war es einfacher“, sagt Chousein und muss lachen. Er ist dankbar, beim SC etwas bewegen zu können. Eine zweite Mannschaft will er aufmachen und noch weiter aufsteigen. „Wir waren immer so ein No-Name-Verein“, sagt er: „Es war immer so, dass man sich lieber beim FCH auf die Bank hockt als beim SC zu spielen.“ Doch genau das ändert sich vielleicht gerade. Chousein hat es sich jedenfalls zur Aufgabe gemacht.