2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der SC Herzogenaurach Nord steigt in die A-Klasse auf. F: Giulia Iannicelli
Der SC Herzogenaurach Nord steigt in die A-Klasse auf. F: Giulia Iannicelli

Der Triumph der grauen Maus

Der SC Herzogenaurach Nord steigt aus der B-Klasse auf, der ASV könnte folgen

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Der SC Herzogenaurach Nord war im­mer ein bisschen die graue Maus der Stadt. Der ASV Herzogenaurach klopf­te dagegen in den Siebzigern sogar ans Tor der 2. Bundesliga. Am letzten Spieltag der B-Klasse 2 kämpfen bei­de Teams um die Meisterschaft und den direkten Aufstieg.

Der Nach­mittag beginnt für den wichtigsten Mann auf dem Platz anders als geplant. Salim Chousein, der Spieler­trainer des SC Herzogenaurach Nord, hat vergessen, seine Schienbeinscho­ner anzuziehen. Also sprintet er an die Seitenlinie. Eigentlich wollte Chous­ein heute gar nicht von Anfang an auf dem Rasen stehen, aber Stürmer Ayhan Ertas muss arbeiten und kommt zu spät. Zwei Minuten sind ge­spielt, in der letzten B-Klassen-Partie des SC gegen die Spielgemeinschaft aus Oberreichenbach, Weisendorf und Münchaurach. Zumindest hoffen sie beim SC, dass es die letzte sein wird. Die Aufstiegs-T-Shirts sind schon bedruckt, kein einziges Spiel hat der Nordstern in dieser Saison verloren – und trotzdem müssen sie noch zittern. Denn der ASV Herzogenaurach ist ihnen auf den Fersen, im Fall einer Niederlage droht der Sturz auf Platz zwei. Doch Chousein – jetzt mit Schienbeinschonern – beruhigt die Nerven: Nach vier Minuten lupft er den Ball zum 1:0 ins Tor, sechs Minu­ten später hämmert Verteidiger Ferhan Urgun das Leder noch einmal in den Kasten. SC-Vorstand Mario Krüger traut der Sache noch nicht: „Ich bin Vollblut-Fußballer. Ich bin immer nervös.“ Eine Saison wie diese haben sie beim SC schon lange nicht mehr erlebt. Genauer gesagt: noch nie. Nicht einmal das Nachholspiel gegen den TSV Hemhofen II haben sie verloren, als die sieben ihrer Kreisliga-Spieler brachten.

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Wie es knapp fünf Kilometer weiter beim SC Nord steht, wissen die Fuß­baller des ASV Herzogenaurach nicht. Sie sind momentan auch mit sich selbst beschäftigt. Früh sind sie bei der zweiten Mannschaft des ASV Nie­derndorf mit 2:0 in Führung gegan­gen, doch jetzt drücken die Gastgeber sie weit in ihre Hälfte. In der 43. Minu­te schiebt Tobias Geiger den Ball zum 1:2-Anschlusstreffer über die Linie. Die Herzogenauracher müssen gewin­nen, wollen sie die Chance auf den direkten Aufstieg in die A-Klasse wah­ren. Und darauf hoffen, dass Oberrei­chenbach ein kleines Fußballwunder gelingt. Seit Rainer Gelzleichter in der Winterpause übernommen hat, hat der ASV in jedem Spiel gesiegt. Pünktlich zum Pausenpfiff beginnt es am Niederndorfer Waldrand zu gewit­tern. Auch als die Spieler zurück aus der Kabine kommen, trommelt der Platzregen noch vom Himmel. Tor­wart Christian Held und Feldspieler Hannes Wilfer nutzen die Zeit und hal­ten unter einem Sonnenschirm eine kurze Teambesprechung ab.

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Inzwischen müsste allerdings schon ein großes Fußballwunder her: Der SC Nord führt Mitte der zweiten Halbzeit mit 4:1. Als Salim Chousein den Ball zum 5:1 über die Linie schiebt, packt der Chef, Vorstand Mario Krüger, die gelben Aufstiegs-T-Shirts aus seinem Auto. Das erste zieht er sich selbst an. Am Spielfeldrand unterhalten sich die Alten Herren, vor allem als „Wal­di“ eine präzise Flanke in den Straf­raum schlägt, werden sie laut. „Ein Wahnsinnsfußballer ist das“, sagt einer. „Waldi“ heißt Wladimir Aschen­brenner, ist inzwischen 40 Jahre alt und in seinem Fußballerleben schon viel rumgekommen. In Erlangen hat er gespielt, in Oberreichenbach, beim FC Herzogenaurach und Chemnitz, aber der SC Nord ist so etwas wie sein Heimat­verein. Und jetzt noch einmal aufsteigen, mit 40. „Das ist unbeschreib­lich“, lacht Aschenbren­ner nach dem Spiel, ein Glas Bier in der Hand: „Ich kann es noch gar nicht fassen.“

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In Niederndorf pas­siert nicht mehr viel, außer dass der Schieds­richter Gelbe Karten ver­teilt. Zwar fliegt Radu Samoila in der 73. Minu­te noch vom Platz und Niederndorf verschießt einen Foulelfmeter, doch zittert bei den Herzo­genaurachern niemand mehr. Platz zwei ist sicher und dass es für Platz eins wohl nicht rei­chen wird, wissen sie schon seit der Pause. Ihr Mann am Sportgelände des SC hat es ihnen mit­geteilt. „Da war für uns alles klar“, sagt Gelz­leichter. Der ASV Herzo­genaurach kann noch über die Relega­tion in die A-Klasse aufsteigen. Fünf Teams spielen um drei Plätze, ausge­lost wird am heutigen Dienstag. Für Rainer Gelzleichter werden es die letz­ten Spiele als Cheftrainer sein. Er will zurück in die Jugendarbeit gehen.

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Die Spieler des SC Nord liegen sich in den Armen, nach dem obligatori­schen Siegerfoto nimmt einer kurz Chousein auf die Schultern. Aber sonst ist die Freude verhalten, dafür hat der Spielertrainer gesorgt. Nach­dem sich die Jubeltraube aufgelöst hat, steht er neben der Gästebank und erklärt, warum: „Ich habe ihnen in der Kabine immer wieder gesagt, dass sie auch mit nur acht Mann in dieser Liga fast jeden schlagen würden. Es hat mich gefreut, dass sie sich meine Worte zu Herzen genommen haben.“ Soll heißen: Keine so große Sache, der Aufstieg. Dafür sind seine Jungs zu gut. In der kommenden Saison will Chousein am liebsten gleich wieder aufsteigen. „Wenn alles gut läuft, kön­nen wir wieder oben mitspielen.“ Dass es so gut läuft, hat viel mit ihm zu tun, auf und neben dem Feld. „Der Trainer hat einen Löwenanteil an dem Aufschwung. Er hat alles gehalten, was er versprochen hat“, lobt Vor­stand Mario Krüger. In der Winterpau­se der vergangenen Saison hat Chous­ein den SC Nord übernommen, seit­dem geht es bergauf. 15 neue Spieler sind seitdem gekommen, viele Bekann­te, Freunde und alte Mitspieler des Trainers sind darunter.

Eine bunte Truppe aus sehr jungen und sehr alten Spielern, die der Trai­ner erst zu einer Einheit formen muss­te. Niemand soll glauben, dass die Hobby-Kicker in der B-Klasse keine Diven sein können, wenn sie nicht auf­gestellt oder ausgewechselt werden. „Ich habe vorher die E-Jugend trai­niert, da war es einfacher“, sagt Chou­sein und muss lachen. Er ist dankbar, beim SC etwas bewegen zu können. Eine zweite Mannschaft will er aufma­chen und noch weiter aufsteigen. „Wir waren immer so ein No-Name-Verein“, sagt er: „Es war immer so, dass man sich lieber beim FCH auf die Bank hockt als beim SC zu spielen.“ Doch genau das ändert sich vielleicht gerade. Chousein hat es sich jeden­falls zur Aufgabe gemacht.

Aufrufe: 06.6.2017, 11:54 Uhr
Alexander Pfähler (NN Herzogenaurach)Autor