2024-05-02T16:12:49.858Z

Turnier
Er kann auch freundlich. Aias Aosman schreibt beim Hallenturnier unentwegt Autogramme, wenn er nicht gerade auf dem Kunstrasen brilliert. Es ist sein erster Auftritt im Dynamo-Trikot nach seiner Spuck-Attacke im Heimspiel gegen Preußen Münster. Foto: Mike Worbs
Er kann auch freundlich. Aias Aosman schreibt beim Hallenturnier unentwegt Autogramme, wenn er nicht gerade auf dem Kunstrasen brilliert. Es ist sein erster Auftritt im Dynamo-Trikot nach seiner Spuck-Attacke im Heimspiel gegen Preußen Münster. Foto: Mike Worbs

Der Fall Aosman

Dynamos Spielmacher ist der Auffälligste in Riesa und das Turnier weit mehr als nur eine Strafmaßnahme für ihn.

Diesen Auftritt am Sonntag in Riesa hätte es nicht mehr gebraucht. Die Einschätzung zu Aias Aosman steht längst fest: ein genialer Fußballer mit wahnsinnigem Potenzial. Wie er beim Super Regio Cup mit Ball und Gegner spielt, ist einfach nur sehenswert.

Immer wieder setzt der 22-Jährige die Kollegen in Szene und bereitet etliche Tore vor. Den schönsten Turniertreffer erzielt er dann selbst. Sein Schlenzer übers gesamte Spielfeld und den Torwart hinweg kann zwar die Niederlage im kleinen Finale gegen den VfB Auerbach auch nicht verhindern. Aosman aber, und das ist unstrittig, macht den Unterschied aus – und den Budenzauber zum Spektakel.

Dass er in Dynamos besserer B-Mannschaft mitspielt, freut die gut 4 000 Zuschauer und irgendwie auch ihn, den Edeltechniker und Instinktkicker. Fußballspielen ist eben das, was er am liebsten macht und am besten kann. Dass er schon im Weihnachtsurlaub oder wie der Überraschungsgast Justin Eilers zivil in der Halle sein könnte, gerät in diesem Moment zur Nebensache – wenn nicht gar in Vergessenheit. „Es macht Spaß. Aber es geht immer um etwas“, sagt Aosman, der in Riesa viel läuft, vor allem trickst und sogar grätscht, als würde das Spaßturnier in die Drittliga-Tabelle eingehen. Er diskutiert auch eifrig mit den Schiedsrichtern und kann es nicht fassen, dass Dynamo im Halbfinale gegen Zwickau Sekunden vor Schluss den Ausgleich hinnehmen muss und dann im Neunmeterschießen verliert – nicht zuletzt wegen seines Fehlversuchs. „Das ärgert mich brutal“, sagt Aosman, der in Riesa aber auch viel lacht und geduldig Autogramme schreibt. Klar, er muss liefern.

Schließlich ist das Turnier ja Bestandteil des Strafenkatalogs, den der Deutsch-Syrer nach der Spuck-Attacke gegen Benjamin Schwarz im Heimspiel gegen Preußen Münster abarbeiten muss. Dafür hat ihn das DFB-Sportgericht für vier Spiele gesperrt und außerdem den Verein, wie Sportchef Ralf Minge betont, mit einer nicht unerheblichen Geldstrafe belegt.

Aosman hatte zunächst vehement bestritten, gespuckt zu haben, und Dynamo daraufhin das Urteil angefochten. In der Berufsverhandlung musste er seine Aussage dann aufgrund neuer Fernsehbilder allerdings revidieren, was bei den Vereinsverantwortlichen alles andere als gut ankam.

Während Minge in Riesa quasi nun als Bewährungshelfer dabei ist, verfolgt Cheftrainer Uwe Neuhaus an der Ostsee via Fernsehen und Informationen des Co-Trainers Matthias Lust die Resozialisierungsmaßnahme. Von einer Strafe für Aosman will Neuhaus sowieso nichts wissen. „Als Trainer sage ich, wir kompensieren damit die Spielpraxis, die ihm in den letzten Wochen gefehlt hat.“ Das hat geklappt, auch wenn in Riesa nicht Aosman, sondern Robert Andrich zum besten Spieler des Turniers gewählt worden ist.

Überhaupt ist der Coach grundsätzlich zufrieden mit Aosmans Entwicklung. Und er wusste auch, was ihn erwartet. „Bei den Gesprächen“, erinnert er sich an die Sommerpause, „hat Aias einen richtig sympathischen Eindruck gemacht.“

Bockig, temperamentvoll, ehrgeizig

Noch mehr haften geblieben ist ihm aber der eine Satz des Spielmachers, der vom Drittliga-Absteiger Regensburg kam und sich schon mit Zweitligist 1860 München einig war, ehe er sich spontan fürs Dynamo-Angebot entschied. „Wenn ich nicht spiele“, soll Aosman gesagt haben, „komme ich nicht zum Training.“

Neuhaus kann inzwischen darüber lachen. Er hat Aosman kennengelernt und ein Stück weit durchschaut. Bockig wirkende Ansage wie jene interpretiert er als Zeichen von Ehrgeiz und ausgeprägtem Temperament. „Da muss man auch zwischen den Zeilen lesen, was er mir damals sagen wollte: Wenn ich draußen sitze, sterbe ich tausend Tode. Und wenn ich mal einen schwachen Tag habe, brauche ich Rückendeckung.“

Die erhält er von Neuhaus. Und der Trainer betont, genau zu wissen, mit welchem Spielertyp er es zu tun hat und dass einer wie Aosman zwingend notwendig sei für den Erfolg der Mannschaft. „Die Qualität der Individualisten musst du haben. Mit einer Aktion kann er ganze Spiele entscheiden.“ Mit den Flausen aus Regensburg, wo sich Aosman offenbar auf und abseits des Platzes alles erlauben konnte und nicht zuletzt die öffentliche Beobachtung gleich null war, kommt Neuhaus jedenfalls gut zurecht. Das regelt manchmal allein der Verweis auf die Konkurrenzsituation. „Das reicht, um ihn immer wieder kitzeln zu können“, versichert Neuhaus. Die Spuck-Sperre wird ähnliches bewirken.

Das neue Jahr ist damit auch so etwas wie ein neuer Anfang für Aosman, selbst wenn er nach der Winterpause noch ein weiteres Ligaspiel aussetzen muss. Am 1. Januar wird er 23 Jahre alt. Neuhaus wünscht eine erfolgreiche Restrückrunde, nicht zuletzt aus Eigennutz. „Wenn er die Qualität, die er hat, häufiger einsetzt, geht es uns noch besser.“ Siehe Riesa.

Aufrufe: 021.12.2015, 14:54 Uhr
SZ / Tino MeyerAutor