2024-05-16T07:18:09.875Z

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Foto: Christof Wolff
Foto: Christof Wolff

Der Bruderklub

Wer bei der dritten Mannschaft der Sportfreunde Baumberg die Spielerpässe durchblättert, stößt häufiger auf den Namen Wadenpohl +++ Gleich vier Brüder stehen im Kader des C-Kreisligisten und schießen den Klub von einem Sieg zum nächsten

Es ist der 9. November 2014, Kreisliga C, Solingen: Die dritte Mannschaft des Oberligisten Sportfreunde Baumberg schickt den SV Post Solingen III mit 7:2 nach Hause. Die vier Brüder Dennis, Nils, Bastian und Moritz Wadenpohl machen den Sieg quasi im Alleingang klar.

Sechs Tore gehen allein auf das Konto der Geschwister. Doch was sich wie ein allzu überzeichnetes Drehbuch anhört, hat bei den Wadepohls recht wenig Eindruck hinterlassen: Heute erinnert sich nur noch Verteidiger Bastian dunkel an das Spiel. Er hat selbst zwar nicht getroffen, regt sich aber durchaus noch über die Gegentore auf, „beide unnötig“.

Nicht ohne meine Brüder

„Einer von uns trifft eigentlich immer“, sagt Nils, der im Mittelfeld spielt. Tatsächlich haben die Brüder 19 der 33 Saisontore in der Hinrunde 2014/15 erzielt. Die Mannschaft, oft auch schlicht „FC Wadenpohl“ genannt, steht derzeit dank der vier Brüder ungeschlagen auf dem dritten Platz. Tatsächlich könnten es sogar noch viel mehr Brüder sein, denn die Wadenpohls sind insgesamt elf Geschwister. Und obwohl alle elf, inklusive der drei Mädchen, Fußball spielen, werden sie nie gemeinsam auflaufen. Die beiden Ältesten, Florian und Timo, haben den Kickschuh aufgrund körperlicher Beschwerden bereits mit Anfang 30 an den Nagel gehängt. Trotzdem drängt sich die Frage auf: Was muss das für ein Vater sein?

„Fußball spielen konnte er nicht“, sagt Bastian, mit 29 Jahren der älteste aktive Wadenpohl, über seinen Vater Hans. Bastian wurde, wie die beiden älteren Brüder, in Köln geboren. Kurz darauf zog die Großfamilie nach Baumberg, gelegen zwischen Leverkusen und Düsseldorf. Die Fußballbegeisterung kam durch den 1. FC Köln. Vater Hans erinnert sich: „In den siebziger Jahren wurde ich bei einem Spiel des FC in der Radrennbahn angefixt.“ Die Kinder hatten überhaupt keine Wahl: Alle wurden sie Fans des 1. FC Köln, gründeten in einer lauen Sommernacht sogar den Fanklub „4090 Köln“, der nach einem Abstieg aber wieder aufgelöst wurde. „Im Stadion gibt es sowieso nicht so viele freie Plätze, dass wir da alle reinpassen“, sagt Dennis.

Berge von Wäsche

In Baumberg schlossen sich die Geschwister nach und nach dem Vereinsfußball an. Allein der Gedanke, dass acht Brüder und drei Schwestern Fußball spielen, dürfte bei so manchen Eltern für Schnappatmung sorgen. Bei den Wadenpohls war es Tagesordnung. Zu den ohnehin schon großen Bergen an Wäschen kam es fortan auch schon mal vor, dass drei Trikotkoffer gleichzeitig gewaschen werden mussten. Eine noch größere Herausforderung stellte aber die Fahrerei dar: Die Eltern waren an Wochenenden auf zig Sportplätzen im ganzen Kreis Solingen unterwegs. Den einen zum Spiel bringen, zehn Minuten zuschauen und dann schnell den nächsten abholen. „Man konnte es natürlich nicht jedem recht machen“, sagt Vater Hans, der irgendwann im Verein zum ehrenamtlichen Betreuer wurde und sogar selbst bei den Alten Herren das Fußballspielen begann. Er sagt: „Die Jungs waren ganz froh, dass die eigenen Eltern nicht immer schreiend an der Außenlinie standen.“

Die Karriere eines Wadenpohls bei den Sportfreunden Baumberg begann etwas übermotiviert. „Dennis ist wahrscheinlich der einzige Spieler, der jemals bei den Bambini wegen einer Blutgrätsche vom Platz geflogen ist“, erinnert sich der Vater. Doch wenn sich eines wie ein roter Faden durch die Karriere der Wadenpohls zieht, dann ist es der mangelnde Ehrgeiz, der sich über die Jahre eingeschlichen hat. Einige von ihnen spielten in der Bezirks- und Landesliga, inzwischen sind sie alle in den Niederungen der Kreisliga C angekommen. „Dort gibt es nicht immer diesen Druck, und es meckert dich keiner an, wenn du mal nur einmal pro Woche trainierst“, sagt Nils.

Allein Bastian fühlt sich genau richtig eingeordnet. Er sagt: „Mein Niveau ist die Kreisliga C. Die drei Offensiv-Kasper könnten aber wesentlich höher spielen.“ Torjäger Dennis gilt als der Beste, Nils sei der Giftigste und der 20-jährige Moritz, hoch veranlagt, habe es zuletzt einfach etwas schleifen lassen.

Magnetwirkung in der Kreisliga C

Auf dem Platz ist es trotz seiner eher limitierten Fähigkeiten dann doch Bastian, der seine Brüder auch mal zusammenstaucht: „Ich bin der Älteste, das nehme ich mir raus!“ Als Verteidiger hat man schließlich von Natur aus schon mehr Anlass zum Meckern. Konflikte ist man in der Großfamilie ohnehin gewohnt, sie sind aber genauso schnell auch wieder vergessen. Denn eigentlich verstehen sich die Brüder sowohl auf als auch neben dem Platz hervorragend. Jeder von ihnen hat außerdem noch ein paar Freunde mit ins Team gebracht. So ist in der dritten Mannschaft der Sportfreunde Baumberg eine Magnetwirkung entstanden, der auch der 18-jährige Benni bald verfallen könnte. „Benni ist einer von uns, der es mal wieder so richtig ernst meint“, sagt Dennis über seinen acht Jahre jüngeren Bruder und spricht vom größten Talent der Dynastie. Der Schlüssel zum Erfolg? „Den haben wir alle gemeinsam trainiert.“ Benni spielt schon jetzt in der Bezirksliga beim 1. FC Monheim. Die restlichen Brüder befürchten aber bereits, dass auch er bald in der „Dritten“ bei Baumberg landet. „Spätestens, wenn er mal Ärger mit dem Trainer kriegt“, orakelt Bastian.

Duell der Großfamilien

Bei den Sportfreunden Baumberg würden dann fünf Wadenpohls in einer Mannschaft spielen. Das wäre Familienrekord, sieht man mal vom kurzen Gastspiel von Cousin Jonas ab. Schon jetzt sind viele Schiedsrichter irritiert, wenn sie die Namen bei der Passkontrolle vorlesen. Am Ende könnten es sogar sechs Söhne in einem Team sein, falls Nesthäkchen Jannik, der einzige Linksfuß der Familie, noch dazu stößt. Lange wird es nicht mehr dauern, bis er bei den Senioren anklopft. Er ist gerade 17 Jahre alt geworden. Ob das ein oder andere Talent am Ende vergeudet wurde, ist dabei völlig egal, denn das gemeinsame Hobby macht einfach zu viel Spaß, um es den größeren Ambitionen zu opfern. Gut möglich, dass die Baumberger „Dritte“ in dieser Saison den Aufstieg schafft. Doch vorher richtet sich der Blick erst einmal auf das bevorstehende Spiel gegen den Tabellenführer VfB 06 Langenfeld. In diesem Spiel geht es viel weniger um den Aufstieg, als um das Duell zweier Großfamilien: Die vier Brüder Wadenpohl treffen auf die drei Brüder Yorganci.

Aufrufe: 06.5.2015, 11:06 Uhr
Karol HerrmannAutor