2024-05-02T16:12:49.858Z

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Im Garten kann Tina Mörstedt nicht nur Tore schießen, sondern auch an ihrer Balance arbeiten. 	F.: Axel Schmidt
Im Garten kann Tina Mörstedt nicht nur Tore schießen, sondern auch an ihrer Balance arbeiten. F.: Axel Schmidt

Das Mädchen für die Balance

Christina Mörstedt ist ein 15-jähriges Mädchen mit Modelmaßen – und einer großen Lust auf Fußball +++ Deshalb spielt sie mit Ausnahmegenehmigung bei den älteren Jungs

Wenn sich die B-Junioren des TSV Mindelheim zum Training treffen, dann ist Christina Mörstedt schon umgezogen. Es ist der einzige Unterschied, der zwischen der fußballbegeisterten 15-Jährigen und ihren männlichen Mannschaftskollegen gemacht wird. Im Training und im Spiel gibt es keine Privilegien mehr für das Mädchen mit den blonden langen Haaren.

Christina Mörstedt, die sie alle nur Tina nennen, spielt seit der C-Jugend beim TSV Mindelheim – in Bubenmannschaften. Das ist an und für sich noch keine Besonderheit: In vielen Vereinen spielen Mädchen bis zur C-Jugend bei den Buben mit – in Ermangelung einer reinen Mädchenmannschaft.

Umso besonderer ist nun Tina Mörstedts Karriere. Denn sie ist in der neuen Saison eine von bayernweit 116 Mädchen, die per Ausnahmegenehmigung vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) bei den U17-Junioren mitspielen dürfen. Und das, obwohl es nur wenige Kilometer weiter eine U17-Mädchenmannschaft gibt: den SV Auerbach.

In Auerbach spielte die heute 15-Jährige auch zu Beginn. „In der D-Jugend habe ich in Auerbach angefangen“, sagt Tina Mörstedt. Zwei Jahre später wechselte sie zum TSV Mindelheim – und blieb dort. Vergangene Saison erzielte sie beim C-Jugendspiel in Dickenreishausen ihr erstes Punktspieltor für den TSV Mindelheim. „Bei den Jungs ist das Training besser. Es geht alles schneller“, sagt sie. Dass sie deshalb für das Training bereits umgezogen erscheint, sich bei Auswärtsspielen schon mal auf der Toilette umziehen muss oder nach dem Training erst daheim duschen kann, nimmt sie in Kauf. Denn: Seitens des BFV gibt es keine Vorgaben, eine gesonderte Frauen- und Mädchenkabine bereithalten zu müssen. „Das ist in der Praxis bei vielen Vereinen vor Ort nicht realisierbar, deshalb sind individuelle Lösungen gefragt, wie zum Beispiel eine zeitversetzte Nutzung der Umkleiden, die Nutzung der Schiedsrichterkabine oder anderer Vereinsräumlichkeiten“, sagt BFV-Pressesprecher Thomas Müther auf Anfrage.

Auch in der Kabine laufe alles ganz normal ab. Blöde Sprüche von Teamkollegen gibt es eh nicht. Im Gegenteil: „Sie hat fußballerisch und taktisch den Blick, den die wenigsten meiner Spieler haben“, sagt Trainer Lars Kühn. Sie ist wichtig für die Balance zwischen Balleroberung und Angriff. „Während alle oft blind nach vorne rennen, sieht sie den normalen Spielaufbau. Das kommt von ihrer Ausbildung am Stützpunkt. Und deswegen wollte ich sie auch haben“, sagt Kühn. Er sieht die 15-Jährige zwar als Bereicherung an und will sie auch in der kommenden Saison in seinem Team haben. „Das ist mein Plan“, sagt er. Eine Vorzugsbehandlung wird ihr aber nicht geschenkt. Auch seitens der Gegner gibt es diese nicht. „Man wird nicht mit Samthandschuhen angefasst“, sagt auch Tinas Mutter Kathrin Mörstedt.

„Verlieb’ dich nicht in das Mädel, sondern spiel’ Fußball“, habe einmal der Trainer einer gegnerischen Mannschaft einem seiner Spieler zugerufen. Tina Mörstedt weiß sich jedenfalls zu behaupten. Auch allein unter Jungs. Allerdings: „Es wäre schon cool, wenn noch ein Mädchen dabei wäre“, sagt sie.

Zu Beginn ihrer Karriere stand Tina Mörstedt noch im Tor, mittlerweile spielt sie auf der rechten Mittelfeldseite. Dennoch besucht sie auch weiter die vereinseigene Torwartschule. „Manuel Neuer ist schon so etwas wie mein Vorbild“, sagt sie. Sie kann einfach nicht anders. Wenn es die Möglichkeit gibt, dem Ball nachzujagen, dann tut sie es auch. Im Sommer nahm sie am Fußballcamp von Ex-Profi Uwe Wegmann in Blaichach teil. „Da war ich die Älteste, deshalb war es nicht so anstrengend“, sagt sie. Und doch dreht sich in ihrem Leben nicht alles um Fußball. Ski- und Snowboardfahren im Winter, Klettern im Sommer, dazu noch Klavierspielen und nicht zuletzt die Armada an kleinen Haustieren versorgen – Fußball ist für Tina Mörstedt ein Hobby. Und wird es auch bleiben.

Höhere Ambitionen hegt sie nicht. „Ich will jetzt nicht Profi werden“, sagt die Gymnasiastin. Dann doch lieber Tierärztin. Und wohin führt ihr Weg, wenn sie für die B-Junioren zu alt ist? Möglicherweise sei dann der FC Hawangen eine Option. Hier spielte sie schon am DFB-Stützpunkt und kennt einige Spielerinnen. Dann könnte sie auch in normaler Kleidung zum Training erscheinen, sich in der Kabine mit den Mannschaftskolleginnen umziehen – und über Frauenthemen austauschen.

Aufrufe: 012.10.2017, 13:39 Uhr
Mindelheimer Zeitung / Axel SchmidtAutor