2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Dennis Russ (vorne) aus Reute hat bei den Würzburger Kickers den Sprung ins Profilager geschafft. Fabian Fruehwirth
Dennis Russ (vorne) aus Reute hat bei den Würzburger Kickers den Sprung ins Profilager geschafft. Fabian Fruehwirth

"Christian Streich hat mich sehr geprägt"

Der 23-jährige Dennis Russ aus Reute ist Fußballprofi bei den Würzburger Kickers in der dritten Liga

Ravensburg / sz - Beim SV Reute hat Dennis Russ (Foto: Fabian Fruehwirth) seine Fußballkarriere begonnen, über den FV Ravensburg und den SC Freiburg führte ihn sein Weg schließlich zu den Würzburger Kickers in die dritte Liga, wo er mittlerweile einen Profivertrag hat. Im Gespräch mit Nico Eichelbrönner erzählt der 23-Jährige von seiner Zeit in Freiburg, seinen Erlebnissen mit dem DFB-Nachwuchs sowie über die aktuelle Situation bei den extrem ambitionierten Kickers.

Herr Russ, wer hat Sie vor knapp zehn Jahren beim FV Ravensburg entdeckt und den Weg nach Freiburg geebnet?

Mein damaliger Trainer Patrick Zimmerer hatte Kontakte nach Freiburg. Vom FV durfte ich mit ein paar anderen Spielern zum Ostercamp nach Freiburg. Dort hat man mich dann entdeckt. Der damalige SC-Jugendleiter Klemens Hartenbach führte seinerzeit ein Gespräch mit meinen Eltern. Da war klar, dass sie mich gerne haben möchten. In mir ist dann auch der Entschluss gereift, den Schritt zu wagen.

Sie sind damals mit 14 Jahren von Ravensburg nach Freiburg gewechselt. War das Ihrer Meinung nach das perfekte Alter?

Ich denke schon, ja. Das erste Jahr verbrachte ich in einer Gastfamilie, weil ich für das Internat noch zu jung war. Vom 15. bis zum 19. Lebensjahr war ich dann im Internat. Dort gibt es Pädagogen, die sich um die schulische Ausbildung kümmern. Wir sind da in eine normale Schule in der Stadt gegangen, die sich nicht im Internat befand. Das war ideal. Dort habe ich dann auch mein Abitur gemacht.

Was ist von Ihrer Zeit beim SC Freiburg am meisten in Erinnerung geblieben?

Auf jeden Fall die beiden Jahre unter Christian Streich, die mich sehr geprägt haben. Er war ein hervorragender Trainer und hat mich enorm weitergebracht. Unter ihm habe ich auch den Sprung zur U-18- und U-19-Juniorennationalmannschaft geschafft.

Sie haben insgesamt vier Spiele für den DFB-Nachwuchs absolviert. Was für ein Gefühl ist es, für Deutschland aufzulaufen?

Ein unbeschreibliches. Wenn man die Nationalhymne vor dem Spiel hört, bekommt man Gänsehaut. Das war ein geiles Gefühl, ich erinnere mich sehr gerne daran zurück.

Welcher Spieler, mit dem Sie gemeinsam auf dem Platz standen, hat sie im Laufe Ihrer bisherigen Karriere am meisten beeindruckt?

Mario Götze war einmal bei einem Lehrgang dabei. Er hat mir beim Training sehr imponiert. Aber auch die Entwicklung von Oliver Sorg, mit dem ich ein Jahr bei den Freiburger Amateuren gespielt habe, war beeindruckend. Er ist in der Winterpause zu den Profis hochgezogen worden und hat dort schon in jungen Jahren konstant seine Leistung abgerufen.

Sie haben in der Jugend unter anderem mit Weltmeister Matthias Ginter zusammengespielt. Hat man damals schon erahnen können, dass er den Sprung zu den Profis schnell schafft?

Ja, ganz klar. Ich bin zwei Jahre älter als er. Er wurde als B-Jugendlicher bereits in die A-Jugend hochgezogen und erzielte als Defensivspieler einige Tore. Da hat man gesehen, dass er ein Großer werden kann.

Sie selbst haben sich im August 2013 einen Kreuzbandriss zugezogen. Wie sehr hat Sie das zurückgeworfen?

Das lässt sich schwer beurteilen. Vor dieser Verletzung war ich schon nah am Profikader dran. Ich hatte sogar die Vorbereitung dort mitgemacht. Freiburg spielte zu dieser Zeit Europa League, da durfte immer mal wieder ein Youngster ran. Es hätte also schon sein können, dass ich den Sprung schaffe. Daran denke ich aber jetzt nicht mehr zurück. Es bringt auch nichts. Der Blick muss nach vorne gehen.

Sie haben vier Jahre in Freiburgs U 23 gespielt. War ein Weggang vom SCF dann auch aufgrund des Alters die logische Folge?

Auf jeden Fall. Anfangs hatte ich nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga die Hoffnung, ich könnte den Sprung zu den Profis schaffen. Dies hat nicht geklappt. Ich war im vergangenen Jahr der dienstälteste Akteur der U 23. Daher war es klar, dass ich mir einen neuen Verein suchen muss.

Wie kam dann der Kontakt zu den Würzburger Kickers zustande?

Das ging alles über meinen Berater Julian Syha von Soccertalk. Er hat den Kontakt zu Bernd Hollberbach aufgenommen, der das eine oder andere Spiel von mir gesehen hat.

Bei den Würzburger Kickers spielt in Nico Gutjahr jemand, mit dem Sie beim Sportclub in der Jugend zusammengespielt haben. Hat dies Ihre Entscheidung beeinflusst?

Ich hatte vor meinem Wechsel schon Kontakt zu ihm, er hat mir ein bisschen was über Würzburg erzählt. Bevor es dann konkreter wurde, hat man sich natürlich ausgetauscht. Der Wechsel nach Würzburg war der richtige Schritt. Die 3. Liga ist ein gutes Sprungbrett. In Bernd Hollerbach habe ich einen Trainer, der ebenfalls wie Christian Streich sehr emotional ist und den Fußball liebt.

Die Saison in Würzburg ist für Sie sehr ordentlich angelaufen. Beim ersten Saisonsieg in Stuttgart erzielten Sie den Führungstreffer, an den ersten zwölf Spieltagen standen Sie zehnmal auf dem Rasen. Am Ende lief es allerdings nicht mehr so rund ...

Nachdem Nejmeddin Daghfous fit wurde, war es für mich schwieriger, meinen Platz in der Mannschaft zu finden. Ich habe mich jedoch weiterhin im Training gezeigt. In den letzten paar Spielen musste ich dann aufgrund von Knieproblemen passen. Aber ich bin zuversichtlich für die Rückrunde und ich werde wieder angreifen. Mein Ziel ist es, verletzungsfrei zu bleiben und meine Leistung konstant zu halten, am besten noch zu steigern.

Was ist Ihrer Meinung nach in Würzburg möglich?

Vieles. Auch in dieser Saison haben wir schon eine richtig gute Mannschaft mit starken Einzelspielern. Das Team ist intakt. Ich bin sehr optimistisch, was die Zukunft anbelangt. Die Stadt ist ebenfalls sehr schön und meiner Meinung nach vergleichbar mit Freiburg.

Wie finden Sie das Niveau der 3. Liga im Vergleich zur Regionalliga?

Der Sprung ist gewaltig. Die Zweikampfstärke ist noch entscheidender, zudem ist das Tempo höher. Mit unserer Mannschaft ist es allerdings kein Problem, dort mitzuhalten.

Sie werden teilweise im rechten offensiven Mittelfeld, teilweise auch als Rechtsverteidiger eingesetzt. Wo sehen Sie sich am stärksten?

Ich spiele auf beiden Positionen gerne. Aber auch das linke Mittelfeld liegt mir. Deshalb habe ich keine echte Lieblingsposition. Ich spiele dort, wo mich der Trainer aufstellt. In Würzburg werde ich jetzt meistens offensiver eingesetzt. Christian Streich sah damals meine Chancen als Rechtsverteidiger größer, weshalb ich die letzten beiden Spielzeiten in Freiburg überwiegend defensiv agiert habe.

Drittligaspieler sind in der Regel Vollprofis. Hat man dabei im Hinterkopf, dass beispielsweise mit einer schweren Verletzung die Karriere vorbei sein kann?

Gerade durch meinen Kreuzbandriss 2013 habe ich gemerkt, wie schnell es gehen kann. Aber die Konzentration liegt jetzt ganz klar auf dem Fußball. Ich habe gelernt, aus Verletzungen das Positive herauszuziehen. Ich pflege meinen Körper besser und habe auch die Ernährung umgestellt.

Mit 38 Saisonspielen im Jahr ist Ihr Terminkalender prall gefüllt. Sind Sie noch oft in der Ravensburger Ecke unterwegs?

Nur noch sehr selten. Lediglich in der Winterpause über Weihnachten bin ich bei meiner Familie. Zudem versuche ich, in der Sommerpause daheim vorbeizuschauen. Ansonsten ist es aber schwierig. Mit ein paar Spielern aus meinem Heimatdorf Reute und alten Schulfreunden habe ich noch Kontakt. Den Weg des FV Ravensburg verfolge ich über das Internet.

Glauben Sie, dass es Sie irgendwann wieder nach Ravensburg zurückzieht?

Das kann ich nicht sagen. Es kann sich vieles ergeben, darüber mache ich mir aber heute noch überhaupt keine Gedanken.

Aufrufe: 028.1.2016, 19:13 Uhr
Schwäbische ZeitungAutor