2024-03-28T15:56:44.387Z

Interview der Woche
Trägt nun nicht mehr das Trikot des TSV Schott Mainz. Michael Horn ist seit Wochenbeginn Trainer des SVW Mainz.
Trägt nun nicht mehr das Trikot des TSV Schott Mainz. Michael Horn ist seit Wochenbeginn Trainer des SVW Mainz.

Zwischen streicheln und Boppes treten

Michael Horn ist zurück beim SVW Mainz und übernimmt den Vorletzten der Landesliga +++ Erstes Spiel direkt gegen starken VfR Wormatia Worms II +++ "Ich freue mich, wieder eine Mannschaft zu haben, bei der ich sehen kann, wie sie sich entwickelt"

WEISENAU. „Aller guten Dinge sind drei“, lacht Michael Horn. „Zehn Jahre, plus-minus“ ist sein letztes Engagement beim SVW Mainz her. In dieser Woche wurde der 52-Jährige als Nachfolger des vor drei Wochen zurückgetretenen Bert Balte zum neuen Cheftrainer der Weisenauer ernannt – dort, wo Horn, als er halb so alt war wie heute, nach dem verletzungsbedingten Ende seiner Spielerlaufbahn bereits seine erste Erfahrung als Trainer gesammelt hatte. Im Interview der Woche berichtet der bisherige Co-Trainer des TSV Schott Mainz II über seine Zusage per WhatsApp, seine Ziele und seine Vergangenheit als „Hitzeblitz“.

Herr Horn, wie fühlt es sich an, wieder an alter Wirkungsstätte zu arbeiten?

Es fühlt sich gut an! Ich bin hier zu Hause, bin hier groß geworden und habe wesentlich mehr positive Sachen erlebt als Negative. Deswegen war für mich klar, zurückzukehren, nachdem ich mit Helmut (Heiser, Vizepräsident, d.Red.) den Kontakt gefunden habe. Ich habe großen Respekt vor Bert Balte und weiß, dass er ein sehr akribischer Arbeiter ist. Man darf nicht vergessen, dass im Moment vier, fünf Leistungsträger nicht zur Verfügung stehen, und sie werden auch nicht übermorgen wieder da sein. Aber das habe ich im Vorfeld gewusst. Es ist nicht einfach, während der Runde einzusteigen, ich muss binnen kürzester Zeit 30 Spieler kennen lernen – nicht nur im sportlichen, auch im menschlichen Bereich. In den letzten Tagen habe ich schon viele Gespräche geführt, um mir ein Bild zu machen.

Wann und wie kam der Kontakt zum SVW zustande?

Los ging es per WhatsApp, ich war ja noch im Urlaub. Da haben Helmut und ich zwei, drei mal geschrieben, ob ich grundsätzlich Interesse hätte. Ich habe mich ja bei Schott sehr wohl gefühlt, wollte aber auch irgendwann wieder etwas Eigenes machen. Der Helmut hat bei unserem ersten Treffen am letzten Freitag gesagt: Michael, wir treffen uns zwar nicht täglich, aber wir sind Freunde. Da hat er recht. Wir haben uns nie aus den Augen verloren und hatten immer Sympathie füreinander. Weisenau ist mein Heimatverein. Dafür sind ja gute Freunde da, dass man den Karren gemeinsam aus dem Dreck zieht. Es ist ein gutes Gefühl, sich wieder auf der Anlage zu bewegen.

Welchen ersten Eindruck macht die Mannschaft auf Sie?

Interessant, würde ich sagen. Der Eindruck war gut, die Mannschaft zieht gut mit, ich bin guter Dinge. Die Mannschaft muss ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln, nur zusammen sind wir stark. Ich muss gucken, wo ich die Mosaiksteinchen hinsetze. Wir dürfen aber, bei allem Druck, nie vergessen, dass der Spaß im Vordergrund stehen muss. Auch nach Niederlagen müssen wir zusammensitzen und einen Apfelsaft oder einen Gespritzten trinken können.

An welchen Stellschrauben ist nun zu drehen, um aus dem Keller rauszukommen?

Bei den paar Euro, die es heute noch gibt, kann man niemanden unter Druck setzen. Wir sind im Abstiegskampf, Schönspielerei brauchen wir im Moment nicht. Wir werden uns sicher die nächsten vier bis sechs Wochen schwer tun, unten rauszukommen. Wir müssen eine Einheit werden und gucken, dass wir an einem Strang ziehen. Wir müssen über den Kampf ins Spiel kommen, die Zweikämpfe finden und annehmen. Die Null muss stehen, um dann aus einer sicheren Abwehr den ein oder anderen Nadelstich zu setzen. Schauen Sie sich die Torbilanz an, wir haben sechs Tore gemacht bislang... Wir haben nun mal mit Kaya, Wincek und De Sousa drei Top-Stürmer, die fehlen. Priorität hat aber erst mal das Abwehrverhalten. Hinten keins kriegen und vorne einen machen, das langt doch.

Wie werden Sie als Trainer nun vorgehen?

Ich kenne die Liga und auch die Weisenauer Fußballer ehrlich gesagt nicht wirklich, eine Mannschaft richtig kennen zu lernen dauert etwas. Den einen muss man ein bisschen streicheln, den anderen etwas in den Boppes treten, das gehört nun mal dazu. Aber als Vulkan draußen rumzuspringen, kommt heutzutage nicht mehr so gut. In der Ruhe liegt die Kraft. Ich war früher ein extremer Hitzeblitz, aber ich habe mich geändert. Man muss als Trainer auch neue Wege gehen, das ist heutzutage einfach nicht mehr angebracht. Wir als erste Mannschaft sind das Aushängeschild des Vereins, so müssen wir uns auch präsentieren. Hermann Wünsch, mein alter Lehrmeister, meinte: Unter der Woche, da musst du deine Arbeit machen. Dann kannst du ganz beruhigt ins Spiel gehen. Weisenau ist Heimat, Weisenau hat Gefühl, und wer Weisenau nicht fühlt, hat im Winter schlechte Karten. Wir haben einen großen Kader mit 30 Spielern. Das ist interessant, aber auch nicht einfach zu trainieren.

Wie groß ist der Sprung vom Co-Trainer eines Oberliga-Unterbaus hin zum Landesliga-Chefcoach?

Der Arbeitsaufwand für mich persönlich ist jetzt natürlich wieder höher. Der Grund, dass ich bei Schott ausgestiegen bin, war, dass Weisenau angerufen hat, nichts anderes. Es gab auch vorher schon Anfragen. Ich freue mich, wieder eine Mannschaft zu haben, bei der ich sehen kann, wie sie sich entwickelt. Das ist bei Schott II schwierig, wo du immer wieder vier, fünf Spieler aus der Oberliga bekommst und deine Jungs drum herum baust. Das ist ja absolut okay so, aber man sieht seine Handschrift eben nicht. Das war der Hauptgrund, wieder mehr Verantwortung zu tragen.

Auf welchen Zeitraum ist Ihr Engagement in Weisenau angesetzt, welche Ziele haben Sie sich gesteckt?

Zeitlich ist es unbegrenzt. Mittelfristig sollten wir schon oben angreifen, aber es ist ganz schön früh für diese Frage. Es sollte doch für jeden Verein die Prämisse sein, dass man sich weiterentwickelt. Erst einmal geht es darum, ein Spielsystem für die Mannschaft zu finden und zu gucken, wie man die Positionen optimal besetzt. Ich bin keiner, der einer Mannschaft sein System aufdrückt, sondern schaue, das Optimale für die Mannschaft zu finden. Eine Hackordnung muss sich rausbilden. Wir müssen miteinander reden, uns heiß machen auf dem Feld und mit Power Fußball spielen. Fußball ist ein Lauf- und Kampfspiel, das Spielerische kommt dann von ganz allein.

Zum Auftakt kommt Wormatia Worms II, eines der Top-Teams der Liga. Kein einfacher Start. Was ist drin?

Alles andere als ein Sieg wäre enttäuschend! (lacht) Nein, im Ernst, keine Prognose. In unserer Situation zählt jeder Punkt. Es wäre super, wenn wir einen Punkt bei uns behalten könnten. Es geht darum, dass wir die Räume eng stellen, damit sie zu wenigen Tormöglichkeiten kommen, und wir sie dann das ein oder andere Mal über Konter kitzeln können. Jedes Spiel muss erst mal gespielt werden, wir sind guter Dinge. Es gibt auch als Vorletzter keinen Grund, mit gesenktem Kopf aufs Feld zu kommen, denn es gibt im Leben wesentlich Schlimmeres. Was ich aber erwarte, ist eine richtig gesunde Einstellung von der ersten Minute an.
Aufrufe: 06.10.2016, 19:00 Uhr
Torben SchröderAutor