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WM 2014

Zwei Herzen, eine Meinung

STAUFENBERG - (keb). Im Staufenberger Stadtteil Treis ist es angesichts zahlreicher Nationalitäten mitunter nicht so klar, welche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Brasilien in der Gunst am höchsten steht.

So schlagen in Frank Will, einem Halbportugiesen, gleich zwei Herzen. Seine Mutter kam 1977 nach Deutschland, um ihren Bruder zu besuchen, der damals bei „Buderus“ arbeitete. Im Urlaub hat sie dann den Vater von Frank Will kennen- und lieben gelernt und ist deshalb nach Treis gezogen. Schon in Frank Wills Kindheit sind die Parteien bei Fußballspielen gespalten gewesen: die Mutter favorisierte natürlich die portugiesische Mannschaft, der Vater die deutsche. Heute betrachtet Will die Situation eher nüchtern: „Die bessere Mannschaft soll gewinnen.“

Nach seiner Einschätzung ist die deutsche Mannschaft auf sechs bis sieben Positionen besser besetzt, allerdings verfüge Portugal mit Cristiano Ronaldo über einen absoluten Ausnahmespieler. Will glaubt allerdings, dass beiden Mannschaften nicht der große Wurf gelingen wird. Der deutschen Mannschaft räumt er aber bessere Chancen ein und rechnet mit einem knappen Sieg der DFB-Elf. Will bemängelt, dass die Portugiesen von 1996 bis 2008 zwar über einen guten, breiten Spielerstamm verfügten, sie es aber versäumten, das vorhandene Potenzial zu nutzen. Zurzeit gebe es in der Mannschaft zu viele Schwachpunkte, und es wäre für Will eine riesige Überraschung, wenn Portugal ins Finale käme. Er ist der Ansicht, dass der deutschen Mannschaft ein Trainerwechsel gut getan hätte. „Löw bevorzugt seine persönlichen Lieblinge, zudem läuft momentan einfach vieles aus dem Ruder“, sagt Will. Allerdings würde die deutsche Mannschaft vieles über ihre manchmal kämpferische Spielart wettmachen, außerdem käme ihr in vielen Situationen die deutsche Zielstrebigkeit zugute.

Will tippt – auch bedingt durch den Heimvorteil – auf eine Endspielteilnahme von Brasilien. „Aber auch den Niederlanden oder Belgien traue ich den Sprung ins Finale zu – und auch die anderen südamerikanischen Mannschaften sind nicht zu unterschätzen.“

Glühender Porto-Fan

Eins weiß Frank Will genau: seine ganze Leidenschaft gilt dem portugiesischen Verein FC Porto. Begonnen hat seine Begeisterung für diesen Verein 1987 im zarten Alter von acht Jahren. In diesem Jahr gewann der portugiesische Traditionsverein gegen Bayern München den Europapokal der Landesmeister. Bis 1991 sei es schwierig gewesen, aktuelle Informationen über die Geschehnisse rund um „seinen“ Verein zu erhalten. „Aus Fachzeitschriften wie der ‚Sport Bild‘ konnte ich zumindest die Ergebnisse der Spiele des FC Porto erfahren“, erinnert sich Will. In den folgenden Jahren kam er durch die Übertragungen von Sportsendern zumindest ab und zu in den Genuss von bewegten Bildern.

Das änderte sich im Jahr 1998, als er aus Portugal ein Sky-Paket mitbrachte. Seitdem kann er sich alle Spiele „seines“ Vereins live anschauen. Um die Spiele aber in angemessener Art und Weise genießen zu können, fehlte allerdings noch die richtige Atmosphäre. Deshalb ersteigerte er sich vor drei Jahren bei „Ebay“ Kinositze. In einem Blauton, den die Spieler des FC Porto auf ihren Trikots haben. Mehr als ein Jahr lang kaufte und sammelte Will diverse Utensilien, um im Jahr 2012 in seinem Haus eine Art „Porto-Heimkino“ errichten zu können. Etwa vier Wochen dauerte der Umbau.

Mittlerweile strahlen in Wills „Heimkino“ die Farben blau-weiß – und das von allen Seiten. Mit mehr als 220 unterschiedlichen gesammelten oder getauschten Schals, verkleidete er die Wände – und sogar die Decke. Wie in einem echten Kino führen in den Fußleisten integrierte LED’s in dem selbstgebauten Podest mit blau-weiß lackierten Leisten zu den komfortablen Kinostühlen. Erst einmal Platz genommen, zieht einen die riesige Leinwand in ihren Bann. „Die Location wird von Freunden und Fans gerne genutzt, um bei Spielen des FC Porto mitfiebern zu können“, erzählt Will. Die typischen Kino-Becherhalter dürfen freilich nicht fehlen – und natürlich sind diese in blauem Ton gehalten.

Regelmäßige Ausflüge

Die wichtigsten Spiele des FC Porto schaut sich Will aber lieber live vor Ort an. Aufgrund seiner guten Kontakte – selbst den Präsidenten des Vereins kennt er inzwischen persönlich – ist es für Will kein größeres Problem, an Karten zu kommen. Mittlerweile macht er keinen richtigen Jahresurlaub mehr, sondern nutzt immer wieder einzelne Urlaubstage für Flüge zu diversen Spielen. Allein im vergangenen Jahr nahm er zwölfmal die Strecke von Mittelhessen nach Porto auf sich. Während dieser Ausflüge verbringt Will stets auch etwas Zeit in seiner Eigentumswohnung, die sich etwa 30 Kilometer von Porto entfernt in unmittelbarer Nähe zum Strand befindet. „Irgendwann will ich dort dauerhaft wohnen“, merkt Frank Will an.

Davor wird er die meisten Spiele des FC Porto nicht live vor Ort live verfolgen können. Aber die Fernsehübertragungen zu Spielen „seines“ Vereins wird sich Frank Will davor freilich nicht entgehen lassen. Zur Not werde eben auf der Arbeit ausgestochen und damit der Arbeitstag vorzeitig beendet.
Aufrufe: 016.6.2014, 10:45 Uhr
Gießener AnzeigerAutor