2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
In der Pause erklärt Ostrachs Trainer Miro Topalusic an der Taktiktafel, was er von seiner Mannschaft in Halbzeit zwei sehen will und wie die Wende zu schaffen ist. Am Ende fruchten die Erläuterungen, Ostrach dreht den 0:1-Rückstand in einen 3:1-Sieg. Foto: Marc Dittmann
In der Pause erklärt Ostrachs Trainer Miro Topalusic an der Taktiktafel, was er von seiner Mannschaft in Halbzeit zwei sehen will und wie die Wende zu schaffen ist. Am Ende fruchten die Erläuterungen, Ostrach dreht den 0:1-Rückstand in einen 3:1-Sieg. Foto: Marc Dittmann
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Zu Beginn der Pause herrscht Ruhe

Schwäbische Geheimnisse: Das passiert in der Kabine bei Fußball-Landesligist FC Ostrach

Bad Saulgau / sz - Wahrscheinlich stellt sich so der normale Stadionbesucher eine Halbzeitpause eines Fußballspiels vor: In 15 Minuten hektischer Betriebsamkeit versuchen einige Betreuer ihren Spielern Getränke zu reichen, der Spielstand und der Lautstärkepegel stehen in unmittelbarem Verhältnis zueinander. Will sagen: Führt die Mannschaft, ist die Stimmung gut, vielleicht wird sogar gelacht und irgendeiner sagt etwas von "Sack zumachen". Liegt die Mannschaft zurück, trollt sich jeder Spieler mit missmutiger Mine in eine Ecke. Dabei steht in der Mitte ein Streichholzmännchen, das laut ein Durcheinander von Durchhalteparolen und generalstabsmäßígen Anweisungen brüllt, "Wir müssen denen den Schneid abkaufen", fordert "geht drauf" oder ermutigt seine Spieler "über den Kampf zum Spiel" zu finden. Fußballtrainer-Bullshit-Bingo nennt man das auf Neudeutsch: Phrasen, die nichts, aber auch doch irgendwie alles sagen. Parallel dazu steigt der Blutdruck des Kommandogebers, erreicht rekordverdächtige Höhen und steht im umgekehrt reziprokem Verhältnis zur Spielqualität der beteiligten Akteure.

Dass es in Wahrheit ganz anders ist, zeigt der FC Ostrach, nicht nur in dieser Saison das Fußballaushängeschild der Region als Tabellenzweiter der Fußball-Landesliga. Es ist erstaunlich ruhig in der Kabine des FC Ostrach zu Beginn der Halbzeitpause beim Landesligaspiel gegen den SV Weingarten. Obwohl die Zebras mit 0:1 zurückliegen, verfällt niemand in Hektik. Trainer Miroslav Topalusic steht schon an der Taktiktafel bereit, als die Spieler hereinkommen, lässt alle aber erst mal zur Ruhe kommen. Kein Wort fällt. Keine Vorwürfe, trotz des selbstgemachten Tors, das den 0:1-Rückstand bedeutet. Jeder Spieler nimmt sich ein Getränk, ein Wasser oder einen Becher der Flüssigkeit aus dem an der Bank hängenden, blauen Kanister, einen Müsliriegel, Apfelschnitze und oder eine Banane, setzt sich. Es fällt auf, dass alle Spieler auf zwei, drei Bänken, relativ eng zusammenrücken. Fast so, als wollten sie nach außen ein Zeichen ihrer inneren Zusammengehörigkeit geben - und das, obwohl kein Fremder - bis auf den Chronisten freilich - in der Kabine das Treiben beobachtet.

An der Tür steht der Langzeitverletzte Dieter Styben, normalerweise als rechter Verteidiger ein fester Bestandteil der Mannschaft. Mit dem aufmerksamen Blick, mit dem er normal die gegnerischen Außenstürmer an die imaginäre Kette legt, beobachtet er jetzt seine Kameraden. In seiner verletzungsbedingten Auszeit ist er so etwas wie eine weitere gute Seele im Betreuerstab der Ostracher, assistiert derzeit dem etatmäßigen Betreuer Armin "Action" Frey, der die Kabine vor dem Spiel auf Vordermann bringt, die in der vereinseigenen Waschmaschine gewaschen werden. Da "Action" im letzten Spiel des Jahres nicht da ist und auch Abteilungsleiter Sebastian Irmler aus privaten Gründen fehlt, teilen sich Styben und der ehemalige Abteilungsleiter Heiko Hollerieth die Aufgaben, die das Kickerleben in einer Pause ein wenig erleichtern sollen. "Die Kabine bereiten normal Armin Frey und der Trainer selbst vor", erklärt Styben leise lächelnd und hat dabei den Trainer im Blick. "Was aber genau in dem Kanister drin ist, kann ich Dir gar nicht sagen. Das mischt der Coach immer selbst zusammen", verweist Styben auf den Braumeister. Der gibt selbst später zu Protokoll: "Ein kaltes Getränk, hauptsächlich Elektrolyte, Magnesium und Vitamine."

Spieler ergreifen das Wort

Als die ersten Becher leer sind, die eine oder andere Bananenschale im Mülleimer gelandet ist und das Knuspern der Müsliriegel verstummt, setzt Miroslav Topalusic zu seiner Pausenansprache an. An der Taktiktafel verschiebt er blaue und rote Magnete, die die eigenen Spieler und die des Gegners darstellen, um das Gesagte zu untermalen. Ruhig und sachlich sind seine Anweisungen, nur ein wenig lauter als die handelsübliche Zimmerlautstärke - bei weitem nicht so laut, als dass man sich als Spieler oder als Zaungast nach draußen wünscht. Sachlich liefert Topalusic Erklärungen für den Verlauf der ersten Halbzeit. Er geht auf einzelne Gegenspieler ein. Empfiehlt, was zu tun ist, wie die Abwehr des Gegners auszuhebeln ist. Immer wieder zeigt er dabei auf die kleinen Magnete, malt mit einem Stift Laufwege auf und bleibt positiv. Er ermuntert seine Mannschaft "so weiterzuspielen. Dann kommen die Chancen schon", erklärt, warum er Vorteile für seine Mannschaft in der zweiten Halbzeit erwartet und warum und vor allem wie es sich auswirkt, dass der Gegner kurz vor der Pause seinen wichtigsten Spieler, den kopfballstarken Sebastian Seiler, herausnehmen musste. Keine Durchhalteparolen und schon gar kein Bullshit-Bingo. Nüchtern und sachlich geht es zu im Zebra-Käfig. Auch als Kapitän Christoph Rohmer und Alexander Klotz kurz das Wort ergreifen. Topalusic fordert seine Mannschaft auf "schnell, einfach und sauber" zu spielen. "Das sind die letzten 90 Minuten in diesem Jahr", appelliert er an die Mannschaft, die in sich zu ruhen scheint. Kein Wunder, dass sie schon nach wenigen Minuten im zweiten Abschnitt die Wende schafft - taktisch genauso wie es der Trainer angekündigt hat.

Aufrufe: 05.12.2016, 19:41 Uhr
Schw�bische Zeitung / Von Marc DittmannAutor