2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Martin Schneider (li.) und Bela Rethy beim "Public Viewing".
Martin Schneider (li.) und Bela Rethy beim "Public Viewing".

WM-Bergfest: Tops und Flops

Das Weltmeisterschafts-Tagebuch von Martin Schneider (ZDF) in der Wuppertaler Rundschau

Bei uns ist die Zeit des Spachtelfinals gekommen. Das Ende der Vorrunde wird von Bela Rethy und mir in der Villa Roma gefeiert. Ein Italiener, man könnte fast sagen „der einzig verbliebene Stiefelaner“ im Turnier, wo wir zeitgleich auch noch das Ende der ersten Hälfte der WM begehen. Eine hauchdünne Pizza mit korrespondierendem Vino ist das Mindeste, was wir uns nach sie Spielen in 18 Tagen mal genehmigen. Wie die deutsche Mannschaft das Erreichen ihres absoluten Mindestziels feiert, entzieht sich unserer Kenntnis.

Überhaupt waren wir in der Gruppenphase so weit weg von ihr, wie noch nie in unserer gemeinsamen Reporterzeit. Das Spiel gegen die USA, hoffentlich erstklassig von meinem Kumpel Olli Schmidt kommentiert, haben wir auf dem Hotelzimmer vor dem ach so unwichtigen Kick zwischen Belgien und Korea gesehen. Und wer sich als Zuhörer der deutschen Reporter häufig über den Kommentar beschwert, dem sei gesagt: Kommt einmal nach Brasilien, wo von den hiesigen Gooooooooooool-Schreihälsen nur das beschrieben wird, was ohnehin zu sehen ist. Der heutige Reporter hatte sich außerdem und offensichtlich so in seine Aussprache der zungenbrecherischen Namen Schweinsteiger und Mertesacker verliebt, dass man diese Namen am Ende des 1:0-Erfolgs wohl jeweils 100-mal bei TV Globo gehört hat. Sei's drum. Die Vorrunde ist gespielt, Zeit für ein erstes Zwischenfazit, geteilt in Tops und Flops!


TOPS
Futebol: Gefällt allen 3,5 Millionen angereisten Touristen und auch den kritischsten Experten wie unserem Blondie Olli Kahn. So viele Tore wie seit Jahren nicht mehr. Stars, die nicht nur ihre Tattoos dem Volk näher bringen, sondern auch ihre Künste am Ball, und ein begeisterungsfähiges Land, das zwischendurch mal seine soziale Zerrissenheit vergessen kann.
Thomas Müller: Die falscheste Neun, seit es Fußball gibt. Ein studentischer Toresammler aus Pähl am Ammersee, der die WM-Torjäger Ronaldo und Klose spätestens in Russland 2018 ablösen wird.
Technik: Aus Würselen bei Aachen kommt das, was bei diesem Turnier zumindest einmal sinnvoll eingesetzt wurde. „Tor für Frankreich“ konnte Béla rufen, als der honduranische Torwart mit Zitterhand den Ball über die eigene Linie bugsiert hatte. Meine Prognose: Haben wir bald auch in den Bundesligen. Die verschwindende Sprühsahne beim Freistoß brauchen wir eher nicht.
Caipirinha: Schmeckt in jeder Location anders – ich kann ihn aber immer noch genießen. Erfrischend, auch wenn mal Unmengen an Zucker, mal auch an Süßstoff (bääh) drin sind – oder mal viel zu viel vom nicht schmeckenden Cachaça.

FLOPS
TAM: Eine zu meidende Fluggesellschaft. Die Sitzreihen sind enger als in der 649 vom Robert-Daum-Platz zum Döppi. Die Landungen zwar butterweich, aber der Check-in-Vorgang streckt sich oft über unerklärliche Zeiträume, da Pausen wichtiger sind als Passagiere.
Tiki Taka: Ist vorbei. Es wurden in der Vorrunde mehr Tore von den Mannschaften mit geringerem Ballbesitz erzielt. Pep Guardiola war bei einem Spiel in Porto Alegre zu Gast und hält Vorträge in Argentinien. Hoffentlich über seine neue Idee vom Fußball, die er mit den Bayern bald zeigen wird.
Beißen: Gehört zu den Primäreigenschaften beim Essen, aber nicht unbedingt beim Ballsport. Als Luis Suárez seine zum Überbiss neigenden Zähne in die Schulter des eigentlich unverwundbaren Chiellini rammte, war ich auch im Stadion, brauchte aber doch die zweite Zeitlupe, um Béla das Unglaubliche ins Ohr zu flüstern: „War kein versuchter Kopfstoß, der Beißer hat wieder zugeschlagen.“ Der Schiedsrichter trug den Spitznamen „Dracula“. Wegen seiner optischen Ähnlichkeit mit der Filmfigur. Diesen Witz haben wir Euch leider vorenthalten, er wird hier nachgeliefert.
TOP-FLOP
Sepp Blatter: Schafft es immer noch auf die VIP-Tribüne. Wirkt fast greisenhaft und kommt meist durch den Hintereingang. Wird nur noch selten gezeigt. Wohl auch deswegen ist die Stimmung in den Stadien oft mitreißend.

Boa noite do São Paulo, nun geht’s nach Porto Alegre zum deutschen Spiel gegen die Wüstenfüchse. Melde mich!
Todo bem do Brasil!

Wuppertaler Rundschau Sport

Aufrufe: 029.6.2014, 13:48 Uhr
Wuppertaler RundschauAutor