2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview
F:Harneit
F:Harneit

„Wir wollen in Hagen eine neue Epoche einleiten“

Tjark Seidenberg wird Co-Trainer beim FC Hagen/Uthlede +++ Doppel-Interview mit ihm und seinem neuen "Vorgesetzten" Carsten Werde

Der Landesligist FC Hagen/Uthlede hat die Planungen rund um das Trainergespann abgeschlossen. Zur neuen Saison wird Tjark Seidenberg an der Seite von Carsten Werde das Team führen. Der 26-jährige Gymnasiallehrer für Sport und Mathematik konnte verletzungsbedingt in diesem Jahr noch kein Spiel für die Hagener machen. Nun geht er im Verein den nächsten Schritt, übernimmt Führungsaufgaben. Genau wie sein zukünftiger "Vorgesetzter" Carsten Werde, der vom Co- zum Cheftrainer aufsteigt. Für beide ist es die logische Fortsetzung: Die goldenen Hagener Jahrgänge 1988-1991 übernehmen nun auch Führungsaufgaben im Verein.

Wir haben uns mit dem neuen Trainerduo zum Interview getroffen und über Chancen und Risiken des Engagements gesprochen. Außerdem verraten beide, wie es zu der Entscheidung kam und ob es ein Vor- oder Nachteil ist, nun den ehemaligen Mitspielern vorgesetzt zu sein. Dass die Chemie zwischen beiden stimmt, merkt man schnell, wenn man mit ihnen spricht.

Carsten, wie kam es dazu, dass ihr zur neuen Saison zusammen als Trainerteam arbeiten werdet und welchen Einfluss hattest du selbst auf die Entscheidung ?

Carsten Werde: Ab Mitte Januar stand fest, dass ich zur neuen Saison die Mannschaft übernehmen werde und daraufhin hatte ich mit einem Kandidaten auch ein sehr aussichtsreiches Gespräch, worüber Tjark aber jederzeit informiert war. Die Konstellation ist dann nicht zustande gekommen und Tjark und ich hatten schon verabredet, dass wir uns auf jeden Fall zusammensetzen. Wir kennen uns seit Ewigkeiten und ich weiß, wie er auf und neben dem Platz tickt. Daher ist uns relativ schnell klar gewesen, dass es zwischen uns beiden passt und es eine gute Lösung ist.

Der Verein hat mir bei der Suche komplett freie Hand gelassen und die Entscheidung habe ich mit Tjark alleine getroffen.

Tjark, gehst du die Arbeit im Verein bereits anders an als vor der Entscheidung?

Tjark Seidenberg: Ich stehe der Mannschaft seit Sommer aufgrund meiner Verletzung nicht mehr zur Verfügung und bin zu fußballverrückt, um nichts im Verein zu machen und nur als Zuschauer anwesend zu sein. Irgendwann kamen Max und Carsten auf mich zu und baten mich, Aufgaben zu übernehmen. Ich habe als Spieler schon oft das Wort übernommen, viel geplant und organisiert. Seitdem klar war, dass Carsten neuer Trainer wird, war ich auch in alle Entscheidungen involviert. Ich bin noch zu jung, um gar nichts im Verein zu machen.

Wirst du ein spielender Co-Trainer sein?

Tjark Seidenberg: Carsten und ich hatten immer die Hoffnung, dass ich Spieler sein werde und daher gab es ja auch Gespräche mit einem anderen Kandidaten. Wenn ich fit werden sollte, schmerzfrei bin und Carsten und ich merken, dass ich der Mannschaft helfen kann, müssen wir uns Gedanken machen, ob ich wieder auflaufe oder nicht. Mein Wunsch wäre es natürlich, noch einmal zu spielen, aber das ist noch so weit weg. Wenn es soweit sein sollte, muss man sehen, inwieweit die Arbeit eines Co-Trainers mit der eines Spielers kollidiert.

Carsten, hättest du lieber einen Co-Trainer Seidenberg oder einen Spieler Seidenberg?

Carsten Werde: Für mich wird es ganz wichtig sein, einen Co-Trainer zu haben, der mir im Training und den Spielen mit Rat und Tat zur Seite steht. Wenn jemand spielen möchte, dann muss er auch trainieren. Es ist dann natürlich schwierig, beides in Verbindung zu bringen. Daher sind wir auch so verblieben, dass, wenn Tjark noch einmal angreifen sollte und uns auf dem Platz hilft, wir eventuell noch einmal das Gespräch mit anderen Kandidaten suchen. Das ist aber momentan so weit weg, dass wir uns keine Gedanken darüber machen müssen.

Ich werde mit Sicherheit ganz viel von seiner Arbeit profitieren. Wichtig wird sein, dass er mich in der Trainingsarbeit unterstützt, mir mit Rat und Tat zur Seite steht und seine Eindrücke vom Training und Spiel vermittelt. Dann werden wir gemeinsam die Dinge, die uns aufgefallen sind, entscheiden und können sie an die Mannschaft weitertragen.

Habt ihr Bedenken, dass die Konstellation scheitern könnte?

Carsten Werde: Überhaupt nicht. Es gibt wahrscheinlich einige Außenstehende, die denken: “Jetzt sind da zwei Jungs aus dem eigenen Stall“ und fragen sich, ob das gut geht. Aber wir denken, dass es ein riesengroßer Vorteil für uns sein wird, dass wir die Mannschaft sehr gut kennen und umgekehrt eben auch.

Ich glaube, dass wir gerade in dieser Konstellation, in der wir antreten werden, auch sagen können, dass hier ganz viel Kontinuität im Verein ist - auch im Hinblick auf die letzten Trainerwechsel. Wir sind zwei Jungs aus der Generation, die den Verein mit nach oben gebracht haben. Es wird jetzt für diese Generation der nächste Schritt sein, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Tjark Seidenberg: Man macht sich natürlich ganz kurz darüber Gedanken, die habe ich aber ganz schnell verworfen. Wir hatten beide schon als Spieler eine große Akzeptanz in der Mannschaft und ich denke, das wird auch eine Ebene höher so sein. Nein, da mache ich mir keine Sorgen.

Könnte es Autoritätsprobleme geben, wenn man jahrelang selbst Teil der Mannschaft war?

Carsten Werde: Ganz kurz stellt man sich diese Frage. Wenn man sich dann allerdings selbst reflektiert und sieht, wie man auf die Jungs wirkt, ist das ganz schnell wieder verflogen. Da mache ich mir keine Sorgen. Ich weiß, dass ich klar in der Ansprache bin. Und als Co-Trainer bin ich ja auch schon ein klein wenig weiter weg von der Mannschaft.

Tjark Seidenberg: Natürlich muss man seine Verhaltensweisen anpassen, aber man kann auch sehr nah an einer Mannschaft sein und trotzdem Autorität haben. Carsten und ich waren als Spieler schon sehr ähnlich und haben viele Dinge vorgelebt.

Außerdem ist die Körpersprache extrem wichtig. Gunnar Schmidt ist da ein positives Beispiel. Du kannst nicht an der Linie stehen, an der Bande gelehnt und etwas chillen. Das geht nicht.

Was für Trainertypen, auch im Vergleich mit Max Klimmek und Gunnar Schmidt, seid ihr?

Carsten Werde: Ich möchte mich überhaupt nicht mit einem anderen Trainer vergleichen. Die Dinge, die man gut kann, sollte man in seine Arbeit im Training und in der Ansprache mit einbringen. Natürlich schaut man sich von all den Trainern, die man hatte ,sowohl gute als auch weniger gute Dinge ab und versucht die positiven Ansätze mit einfließen zu lassen und die negativen zu vermeiden.

Für mich selbst kann ich sagen, dass ich ein sehr strukturierter Trainer sein werde, der die Mannschaft schon im Training bestmöglich auf das Spiel taktisch und spielerisch vorbereitet. Bei uns wird sehr viel Fußball gespielt, wir legen viel Wert auf Handlungsschnelligkeit. Ich werde ein sehr kommunikativer Trainer sein, der versucht, die Jungs auch emotional mit Ansprachen im Training und im Spiel von außen voranzubringen. Am Ende wird es wichtig sein, seine eigene Handschrift zu finden. Eines sollte man nicht machen: sich irgendwie verstellen oder jemanden nacheifern.

Tjark Seidenberg: Ich weiß ja wie ich ticke: ich bin ein sehr emotionaler Typ, der immer alles gibt. Das möchte ich auch als Trainer sein. Das muss man den Jungs auch vorleben. Ich möchte nah an der Mannschaft sein. Natürlich braucht man eine gewisse Distanz, aber es wird wichtig sein, die Schwingungen im Team zu erkennen. Gerade als Lehrer habe ich gelernt, dass jeder anders angepackt werden muss. Es gibt viele verschiedene Spielertypen, die anderen Zuspruch und verschiedene Ansprachen benötigen. Darüberhinaus möchten wir uns auch taktisch weiter verbessern.

Wie wird Aufgabenverteilung sein?

Carsten Werde: Tjark wird in die Trainingsarbeit voll eingebunden und auch verschiedene Trainingsformen selbstständig entwickeln und durchführen. Selbstverständlich werde ich die Ansprachen an die Mannschaft halten, aber er wird viel Verantwortung übernehmen und ist nicht ein Co-Trainer des Namens willen, sondern ist voll eingebunden und wird die Mannschaft auch mit seiner Erfahrung als Spieler und seiner Ahnung vom Fußball voranbringen.

Wird Marco Piechura weiterhin als Torwarttrainer zum Team gehören?

Carsten Werde: Ja, da sind wir sehr froh, dass wir ihn haben und er hat bereits für die nächste Saison zugesagt. Auch unsere Torhüter sind glücklich darüber und sehr zufrieden mit seiner Arbeit.

Bleibt ihr länger als ein Jahr im Verein?

Carsten Werde: Das entscheidet der Verein. Bei Gunnar sind es ja nun auch zwei Jahre gewesen und man muss sagen, dass der Job als Trainer bei Vereinen wie dem FC Hagen/Uthlede sehr zeitaufwendig ist. Es muss dann auch kompatibel sein mit der derzeitigen persönlichen Situation. Das Bestreben ist natürlich da, aber niemand weiß was in ein, zwei oder drei Jahren ist. Viel ist vom sportlichen Erfolg, aber eben auch von der persönlichen Situation abhängig. Das erfordert auch Demut und Respekt vor dieser Aufgabe, denn diese ist nicht mit 15 Stunden in der Woche getan, sondern beansprucht deutlich mehr Zeit.

Tjark Seidenberg: Grundsätzlich hätten wir natürlich schon Lust, eine richtige Epoche einzuleiten. Aber wer weiß, was nächstes Jahr passiert? Der Wunsch ist natürlich da, es längerfristig zu machen und so gehen wir beide das auch an.

Wie hat die Mannschaft die Entscheidung aufgenommen?

Tjark Seidenberg: Ich habe ja vorher schon mit einigen aus der Mannschaft gesprochen und mir noch die eine oder andere Rückmeldung oder Tipps geholt. Durchweg war das Echo positiv und es kam nicht für alle überraschend.

Habt ihr vor, die Trainerlizenz zu machen?

Carsten Werde: Ich mache gerade den Lehrgang und werde im Sommer die B-Lizenz haben.

Würde ein Aufstieg eure Situation erschweren?

Carsten Werde: Ganz und gar nicht. Beide Ligen haben ihre Vor-und Nachteile. Wenn wir aufsteigen, haben wir überhaupt nichts zu verlieren. Natürlich haben wir dann den Anspruch, erfolgreichen und attraktiven Fußball für die Region anzubieten, während in der Landesliga jeder davon ausgeht, dass wir wieder oben mitspielen. Das kann natürlich auch zu einem gewissen Druck führen.

Tjark Seidenberg: Es kann sogar ein Vorteil sein, weil wir die Mannschaft schon so gut kennen. Wir wissen, wie die Jungs ticken, und wie wir sie anpacken müssen. Ein Externer müsste erst einmal den Verein und die Mannschaft kennenlernen.

Welche Ziele habt ihr euch gesetzt?

Carsten Werde: Ich bin ganz gespannt darauf, wie es laufen wird, und glaube, dass ich bereits ein ganz gutes Gefühl dafür habe, was mich erwarten wird. Als Co-Trainer habe ich ja schon einen guten Einblick in die Trainingsarbeit. Es geht uns darum, die Mannschaft weiter voranzubringen und Erfolg zu haben. Erfolg kann dabei auch ganz unterschiedlich definiert werden und muss nicht an einer Liga festgemacht werden. Wenn die Leute nach Hagen kommen und sagen: „Geil, hier komme ich gerne zum Sportplatz. Hier sind Emotionen, Leidenschaft, hier ist eine Mannschaft, die von der ersten bis zur letzten Minute Vollgas gibt und nichts verwaltet.“ Das sind Ziele, die wir uns zunächst gesetzt haben. Wir wollen attraktiven Fußball bieten, die Leidenschaft selbst vorleben und fordern das von den Jungs auch ein.

Tjark Seidenberg: Wir wollen den Traum weiterleben. Ich bin mir ganz sicher, dass der Weg hier noch nicht zu Ende ist. Wir wollen diesen 1988-1991er Jahrgang zusammenhalten und mit einigen wenigen externen Neuzugängen verstärken. Diese Jahrgänge sind gerade im besten Fußballalter. Wir kommen gerade an einen Punkt, an dem wir so gute sind, wie noch nie zuvor.

Nun kommt es darauf an, diese Welle mitzunehmen und uns auch nachhaltig zu verbessern. Ein Ziel von uns ist es, jedes Jahr ein-zwei Jungs aus Hagen und Umgebung einzubauen. Wir müssen die Identität wahren. Dadurch, dass Carsten und ich die Mannschaft übernehmen, wird diese ja auch weiter verstärkt.

Carsten Werde: Wir müssen ein Augenmerk darauf haben, dass weiterhin Spieler aus der Region bei uns Fuß fassen können. Natürlich wachsen die nicht auf Bäumen und auch andere Vereine wollen von diesen Spielern profitieren. Aber, wenn da ein talentierter Junge ist, der diesen Schritt auch von sich aus gehen möchte, sind wir sehr froh darüber. Junge Leute, die wir einbauen wollen, müssen auch mal ein Jahr Geduld mitbringen. Nur so erhalten wir über Jahre hinweg eine gesunde Altersstruktur.

Tjark Seidenberg: Daher auch ein Spieler wie Martin Roes. Martin ist kein Hagener, aber ein Spieler aus der Region. Der passt wie die Faust aufs Auge zu Hagen. Solche Jungs brauchen wir. Auch wenn er keine 18 mehr ist, aber er kommt aus der Region. Die müssen nicht aus Hagen kommen, aber wir wollen sie zu Hagenern machen. Ich komme auch nicht aus Hagen, sondern aus Stotel und bezeichne mich nur noch als Hagener.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die kommenden Aufgaben.

F:Harneit

Aufrufe: 015.3.2017, 16:00 Uhr
FuPa Lüneburg / Andreas HarneitAutor