2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
"Ich stand beim Burgpokal kurz davor, die Siegerehrung abzublasen": Thomas Raßbach (li.) hofft, dass das Finalturnier auf Kreisebene friedlicher abläuft. Dafür hat er Vorkehrungen getroffen. F.: Zink
"Ich stand beim Burgpokal kurz davor, die Siegerehrung abzublasen": Thomas Raßbach (li.) hofft, dass das Finalturnier auf Kreisebene friedlicher abläuft. Dafür hat er Vorkehrungen getroffen. F.: Zink

"Wir machen uns unseren Fußball selbst kaputt"

Kreisspielleiter Thomas Raßbach über den ungeliebten Futsal, den heißgeliebten Hallenfußball und viel zu heißblütige Fußballer

Am Samstag ab 14 Uhr spielt der Fußballkreis Nürnberg seine Hallenfinalrunde aus. Als man da noch klassischen Hallenfußball zu sehen bekam, war die Halle am Berliner Platz randvoll, der Termin eines der Highlights der Fußballsaison. Seitdem Futsal gespielt werden muss, hat sich das geändert. Die Sportart mit dem sprungreduzierten Ball und den Handballtoren findet auch in Nürnberg keine große Beliebtheit. Kreisspielleiter Thomas Raßbach graust es aber aus ganz anderen Gründen ein wenig vor dem Turnier.
Herr Raßbach, Sie haben im vergangenen Jahr als Bürgermeister Ihrer Heimatgemeinde Lehrberg kandidiert. Haben Sie nach einer neuen Aufgabe gesucht nach all den Jahren als Kreisspielleiter?

Raßbach: Nein, gar nicht. Unser alter Bürgermeister ist nicht mehr zur Wahl angetreten und da habe ich mir gedacht, wenn ich das jetzt nicht probiere, dann bereue ich das sicher mein Leben lang.

Sie haben erst in der Stichwahl verloren.

Ja, das war knapp. Deshalb war ich schon eine Zeit lang am Trauern, ich habe sozusagen ein großes Spiel, ein wichtiges Spiel verloren. So hat sich das angefühlt in etwa.

Hat Ihnen die jahrelange Arbeit im Sport tatsächlich bei der Verarbeitung der Wahlniederlage geholfen?

Vielleicht, ich weiß es nicht. Es wäre eine große Herausforderung gewesen, ich hätte ein paar Euro mehr verdient – aber auch deutlich mehr Arbeit gehabt.

Dann wäre Ihnen das sicher bald zu viel geworden: Bürgermeister und nebenher noch Kreisspielleiter.

Das ist anzunehmen, ja. Ich sag Ihnen ehrlich: Ich weiß heute auch noch nicht, ob ich zur nächsten Kreisspielleiter-Wahl wieder antrete, auch wenn es mir momentan noch viel Spaß und Freude macht – trotz dessen, was momentan da draußen alles los ist.

Sie sprechen die ausufernde Gewalt auf dem Feld und das unsportliche Benehmen einiger Fußballer an beim Burgpokal in der Halle. Haben Sie das so schnell abhaken können wie Ihre Wahlniederlage?

Ganz ehrlich: Ich bin schockiert von der jüngeren Entwicklung im Spielkreis Nürnberg, was da schon alles passiert ist in dieser Saison. Ich weiß nicht, was da los ist, warum es so ist, was die Auslöser dafür sind. Ich fühle mich da sogar schon etwas hilflos.

Die vielen Gespräche, die Sie mit den Vereinen führen, haben nichts verbessert?

Na ja, die Gespräche führt man ja mit den Spielleitern und Abteilungsleitern, das sind nicht die, die auf dem Platz rumschreien, volle Flaschen durch die Hallen schmeißen, pöbeln. Das sind ihre Spieler, und sie fühlen sich da genauso hilflos wie ich. Sie können sich das auch nicht erklären. Man darf aber auch nicht vergessen, dass 80 bis 90 Prozent der Spiele ordentlich ablaufen.

Das ist ja ein wenig wie in der Politik – da sucht man auch nach den richtigen Mitteln, Gewalt einzudämmen, vorzubeugen. Welche Möglichkeiten gibt es beim Fußball, dem entgegenzusteuern?

Da machen wir uns große Gedanken darum. Eine Möglichkeit ist sicher der runde Tisch mit meinen Vereinen. Hier habe ich bislang immer in die Runde gefragt: Was steht an, was liegt euch auf dem Herzen? Dann haben wir gemeinsam den Rahmenterminkalender reformiert, die Hallenrunde und so weiter. Nun werde ich um Ideen und Mitarbeit bitten, wie wir diese Entwicklung stoppen können.

Schrecken härtere Strafen und längere Sperren die Chaoten ab?

Die gibt es ja schon. Wir haben die Pflicht eingeführt, an Deeskalationskursen teilzunehmen. Wer das nicht macht, dessen Sperre verlängert sich automatisch um so und so viele Spiele. Eine Handvoll Spieler haben wir schon in diese Kurse geschickt.

Offenbar fruchtet es nicht wirklich, wenn man sich ansieht, was beim Burgpokal ablief.

Wie gesagt: Es ist einfach zu krass, was da momentan abläuft. Emotionen gehören dazu zum Fußball, auch heißblütige Mentalität einiger Spieler – aber was da ablief, das war Irrsinn.

Haben Sie schon einmal überlegt, die Hallenrunde komplett abzusagen, um ein Zeichen zu setzen?

Nein, damit würde ich ja die vielen mit bestrafen, die sich ordentlich verhalten. Aber beim Burgpokal, das sage ich Ihnen ehrlich, da war ich kurz davor, die Siegerehrung abzublasen.


"Futsal in Vollendung finde ich todlangweilig"


Herr Raßbach, reden wir über Futsal, das ja immer noch als Nachfolger des klassischen und beliebten Hallenfußballs in der Kritik steht. Sie sagten bei unserem letzten Gespräch, die vielen Nörgler sollten sich erst einmal ein Bild vom Futsal machen, bevor sie es verurteilen. Jetzt ist über ein Jahr vergangen – wie sieht Ihr Fazit nun aus?

Da muss ich meine beiden Kreise trennen. Im Spielkreis Frankenhöhe hatte das Verbandsturnier nie den Stellenwert, dort gibt es viel lukrativere Privatturniere und die gibt es auch weiterhin. Dort wird weiter klassischer Hallenfußball gespielt, es hat sich für die Fußballer also nicht wirklich viel geändert. In Nürnberg ist die Situation anders, hier gibt es kaum Privatturniere, das Verbandsturnier hatte einen riesigen Stellenwert. Nürnberg leidet viel mehr unter der Umstellung auf Futsal.

Warum stellen Sie dann nicht einfach wieder zurück auf Hallenfußball?

Weil ich das nicht kann, Futsal ist jetzt in der Satzung festgeschrieben, dem kann ich mich nicht widersetzen.

Bedauern Sie das persönlich?

Natürlich, dem Kreis Nürnberg wurde definitiv etwas weggenommen, was große Akzeptanz hatte, ja sogar sehr beliebt war. Deswegen würde es mich freuen, wenn sich jemand fände, der wie im Kreis Frankenhöhe ein ähnlich gutes Hallenfußballturnier ausrichtet, wie wir das als Verband gemacht haben. Aber ich denke, dass man das kaum stemmen kann organisatorisch.

Das hört sich so an, als wären Sie als Kreisspielleiter regelrecht ein Verfechter des Hallenfußballs.

Ich habe immer beim Verband laut und auch öffentlich erklärt, dass ein Verbot von Hallenfußball auch für Privatturniere für mich nicht in Frage kommt. Ich werde auch weiter dafür kämpfen, dass man den Vereinen nicht vorschreibt, was sie privat zu spielen haben.

Trotzdem müssen Sie wohl oder übel Futsal spielen lassen.

Ja, aber lieber spiele ich das dann mit 20 Mannschaften, die Lust drauf haben, als mit 50, die rumpöbeln und keine Ahnung davon haben. Ich werde weiterhin auch niemanden zwingen, Futsal zu spielen.

Die meiste Aufregung gab es beim Burgpokal, weil immer noch ganze Mannschaften und einzelne Betreuer, ja sogar die Schiedsrichter, offenbar die Regeln nicht können.

Die Schiedsrichter haben diskutiert, ob es ein Foul war oder nicht – das wird es beim Fußball immer geben. Nein, Futsal-Schulungen gab es mehr als ausreichend, die Vereine hatten ein ganzes Jahr lang Zeit, sich auf Futsal vorzubereiten. Und ganz ehrlich: Was muss ich aber bitte schön groß wissen? Dass ich meine Auszeit nur nehmen kann, wenn ich im Ballbesitz bin. Und wenn ich mein Auszeit-Kärtla in die Luft halte und der Schiri pfeift nicht – dann frag ich eben beim Kampfgericht nach und schmeiß’ nicht gleich mit einer vollen Wasserflasche.

Futsal ist technischer. Kampf und Leidenschaft, die einzigen Mittel für unterklassige Teams, mal einen Favoriten niederzuringen wie beim Hallenfußball, werden bestraft. Können Sie nicht nachvollziehen, dass gerade unterklassige Mannschaften deshalb Futsal nicht mögen?

Natürlich habe ich Verständnis dafür. Keines habe ich aber weiterhin für die Mannschaften, die es nicht einmal ausprobieren.

Auch Zuschauer sind enttäuscht vom Futsal, weil nur wenige Fußballer technisch gut genug ausgebildet sind, um diesen Sport ansehnlich zu gestalten.

Ich finde, ehrlich gesagt, Futsal in Vollendung – wie man ihn auf Europa- oder Weltmeisterschaften sehen kann, todlangweilig. Da spielen sich drei Verteidiger den Ball ewig hin und her – bis ein Pass in die Spitze kommt und der Stürmer trifft oder eben nicht. Ich finde gerade Futsal, wie wir ihn spielen, spannender. Und mehr Stimmung als beim Burgpokal kann ja gar nicht mehr aufkommen.

Wobei die ja aus Gründen aufkam, weil es auf dem Feld drunter und drüber ging. Das kann ja nicht das Ziel des Futsals sein.

Natürlich nicht.

Am Samstag steht das Kreisfinalturnier in der Halle am Berliner Platz an. Haben Sie Angst, dass es wieder eskaliert?

Ja, ich habe große Sorge! Aber wir sind diesmal vorbereitet – die Schiedsrichter sind top ausgebildet, wir haben die Wechselbänke weiter nach hinten versetzt und ich werde vorneweg mit Schiris, Kampfgericht und Mannschaftsbetreuern ein Gespräch haben.

Worum wird es da gehen?

Dass wir uns, wenn wir so weitermachen, unseren Fußball selber kaputt machen. Wenn Eltern sehen, was da zuletzt abgeht, wenn sie in der Zeitung lesen, was da teilweise los war, kann ich jeden verstehen, der sein Kind fortan nicht mehr zum Fußball lässt. Und das wird auf Dauer die Vereine kaputt machen, die Nachwuchsarbeit zerstören.

Und wenn doch wieder jemand über die Stränge schlägt?

Dann mache ich erstmals von meinem Hausrecht Gebrauch und schmeiß denjenigen eigenhändig aus der Halle raus, darauf können Sie sich verlassen.

Aufrufe: 010.1.2015, 11:07 Uhr
Christoph BeneschAutor