2024-04-25T10:27:22.981Z

Allgemeines

Wir haben es geschafft

Die Gehemnisse der Erfolgstrainer

Eine Mannschaft entwickeln, obwohl man einen richtigen Job hat? Einen eigenen Stil begründen, die Kreisliga von hinten aufrollen, mit Verletzungspech fertigwerden? Sechs Trainer vom Niederrhein erzählen, wie sie die Hürden gemeistert haben.

Der Vereinstreue

Wolfgang Jeschke ist kein Mann für Schnellschüsse. Zwei Mal war der heute 49-Jährige in seiner Laufbahn Trainer einer Fußball-Mannschaft. Und zwei Mal blieb Jeschke seinem Verein außergewöhnlich lange treu. Zunächst leitete er acht Jahre lang die Geschicke der SG Kaarst. Dann heuerte er beim damaligen Kreisligisten TuS Bösinghoven an. Fünf Spielzeiten und drei Aufstiege später verabschiedete sich Jeschke als Oberligist.

Wie schafft man es, langjährige Spieler bei Laune zu halten, immer wieder Abgänge zu kompensieren und Neue harmonisch einzubauen? „Schwerpunkte anders setzen, kontinuierlich Spaß vermitteln, neuen Input geben und über Aufmerksamkeit Spannung erzeugen“, nennt Jeschke sein Programm. Und allein an dieser Antwort ist zu erkennen, dass es einem mit Jeschke wohl selten langweilig wird. Schon nach einem kurzen Gespräch glaubt man ihm, wenn er sich als Fachzeitungen und Fachbücher lesenden Mann beschreibt. Er bildet sich ständig taktisch weiter und diskutiert selbst vermeintliche Kleinigkeiten wie die Ballannahme minutenlang mit seinen Spielern.

„Peu a peu“ müsse man ein Team aufbauen und jedem jederzeit verständlich erklären können, worum es geht. „Über die Individualtaktik zur Gruppentaktik“, sagt Jeschke, der sich im Laufe der Jahre parallel zu seinem Team inhaltlich steigern musste. Von der Kreisliga bis in die Spitzengruppe der Landesliga, wo andere taktische Kniffe erforderlich sind.

Erst recht, wenn man es wie er in Bösinghoven mit Ex-Profis (Robert Palikuca und Axel Lawarée) zu tun hat. Doch selbst die seien nicht aus der Reihe getanzt, sondern hätten jede Übung gewissenhaft mitgemacht. „Sie waren vorbildlich, wie man sich das wünscht. Sie hatten Spaß, aber immer mit der nötigen Ernsthaftigkeit“, sagt Jeschke, der auch persönlich profitierte. „Ich habe eine Menge gelernt. Man muss ja blöd sein, wenn man deren Profi -Erfahrung nicht nutzt.“

Nur so funktioniere die Zusammenarbeit zwischen Trainer und Team langfristig: Beide Seiten müssen immer offen für Neues sein und dürften nicht in Alltagstrott verfallen. Dann gebe es keine Probleme. Selbst bei Misserfolg nicht. „Ich habe in all den Jahren nur zwei Schweine-Einheiten absolviert. Der Rest hat Spaß gemacht.“

Der Kumpeltyp

Als Spielertrainer von Union Wetten ist Timo Pastoors mit seiner Truppe sehr gut unterwegs: nach dem 23. Sieg im 23. Spiel stand der Aufstieg in die Kreisliga A fest, und so trainiert Pastoors die erfolgreichste Kreisliga-B-Mannschaft des Verbandsgebietes. Das Erfolgsrezept? Spontan findet Pastoors darauf keine Antwort. Nach kurzer Bedenkpause meint er: „Es ist die Mischung aus einer tollen, ehrgeizigen Truppe und Geselligkeit, Disziplin und einem bunten Trainingsprogramm.“

Man gewinne nicht alle Spiele, wenn die berühmte Kameradschaft nicht stimme, sagt Pastoors voller Überzeugung. Für die gute Stimmung in der Mannschaft, ja der ganzen Seniorenabteilung mit drei Herren-Teams, geht Pastoors selbst in der Winterpause an seine Grenzen. Er schmeißt mit seinen Spielern eine Silvesterfeier und wirft sich sogar zu Karneval ins Wettener Dorfleben. „Und vor der Kirmes“, gesteht Pastoors, „habe ich schon ein bisschen Bammel, aber ich tue es ja für den Verein.“

Man ahnt: Pastoors ist sich für die gute Sache für nichts zu schade. Damit im Training der Spaß nicht zu kurz kommt, gibt es selten ein- und dieselbe Übung zweimal. „Es werden einem in Zeitschriften, Büchern und bis hin zu vielen Youtube-Kanälen so viele Trainingsmethoden angeboten, da muss eigentlich nichts wiederholt gemacht werden – es sei denn, es macht richtig viel Laune.“

Ein Aufwärmprogramm kam vor vielen Wochen richtig gut an, Pastoors gerät aber in Verdacht, dafür nicht in Fachliteratur, sondern im „A bis Z der Kinderspiele“ bei „P“ hängen geblieben zu sein. „Plumpsack mit einem Fußball zu spielen, das ist sicher nicht jedermanns Sache, aber die Jungs fanden das richtig witzig.“ Wiederholung – siehe oben – also nicht ausgeschlossen.

Was aber alles nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass Pastoors auch Freund von Disziplin ist: „Jeder, der nicht zum Training kommt, hat mich bis 30 Minuten vor Beginn anzurufen – keine SMS oder sonstwas.“ Wenn dann doch noch einer absage, „dann dulde ich das ohne Strafe nur, wenn irgendwas mit Oma ist.“ Seine Mannschaft hat er im Griff, außer in der Wahl eines Spitznamens für ihn. Der gefällt dem Schalke-Freund gar nicht. „Ich habe viele Bayern-Fans im Team, und die Mitspieler nennen mich jetzt ,Pep’.“ Ist außerdem unpassend, denn Guardiola hat in dieser Saison schon verloren.

Der Jugendtrainer

Als Youssef Aitzmani im Sommer 2013 als neuer Trainer des BV 04 vorgestellt wurde, waren vielen Beobachter skeptisch. Ausgerechnet ein 34-Jähriger, der noch nie Erwachsene trainiert hat, soll den in die Kreisliga abgestürzten Traditionsverein nach oben führen? Mittlerweile sind die Kritiker verstummt. 81 Punkte und 109:36 Tore standen nach 30 Spieltagen zu Buche. Nun kickt der BV in der Bezirksliga. Aitzmani überrascht das weniger: „Ich trainiere seit Jahren Jugendliche. Die Umstellung war nicht groß“, sagt der Jungtrainer, der die eigene Karriere schon mit 17 verletzungsbedingt beenden musste.

Trotzdem blieb er seinem Heimatverein treu, übernahm Jugendteams und feierte reihenweise Aufstiege. Als der BV dann wegen der ersten Mannschaft anklopfte, schlug Aitzmani sofort zu. Natürlich sei das nicht immer einfach gewesen. „Wir hatten in Lohausen einen Verfolger, der fast alles gewonnen hat. Wir hatten jedes Spiel den Druck, gewinnen zu müssen“, sagt der heute 36-Jährige, der sich den größten Druck selbst machte. Schließlich liegt ihm der Verein, in dessen Nachbarschaft er aufwuchs, am Herzen. Deswegen versuchte er, alle äußeren Einflüsse auszublenden: „Es ist so ein blöder Spruch, aber wir haben wirklich von Spiel zu Spiel gedacht und uns absichtlich keine Tabelle angeguckt.“ Dass er nur unwesentlich älter ist als die meisten Spieler, sei kein Problem. Er kennt viele seit Jahren und beschreibt sich eher als Kumpeltyp. Auch wenn die Mannschaft mal ausgeht, ist er dabei. „Meistens gehe ich aber früher, damit die Jungs mal unter sich sind.“

Ein Trainer müsse nicht alles wissen. „Aber wenn es drauf ankommt, weiß jeder, dass er sich nach meinen Vorstellungen richten muss.“ Als „Mischung aus Bestrafen und Belohnen“ beschreibt er sein Konzept. Das gilt auch für die Aufstellung. Die Trainingswoche über reiften die Überlegungen. „Endgültig fest lege ich mich, wenn ich die Jungs sonntags sehe.“ Die Entscheidungen dann zu erklären, sei die wichtigste Aufgabe: „Du musst Menschenkenntnis haben und bei jedem wissen, wie du ihm mitteilst, ob er spielt oder nicht.“ Das gehe nur über Ehrlichkeit. „Du musst die Spieler ernst nehmen und sie respektieren. Nur dann respektieren sie auch dich. Und ohne geht es nicht.“ Egal, wie lange ein Trainer im Geschäft ist. Und auch wenn Aitzmani in der Schlussphase der Saison in Abstiegsnot seinen Posten räumen musste, kann man das Projekt sicherlich nicht als gescheitert betrachten.

Der Kommunikator

Fast zwölf Jahre ist es her, dass Roland Kock seine Trainerlaufbahn beim RSV Praest begann. Als Kock zu seinem Jugendverein zurückkehrte, gehörte der RSV zum Inventar der Kreisliga B. „Wenn mir damals einer erklärt hätte, dass unser Verein einmal in der Landesliga spielen würde“, sagt der 1. Vorsitzende Michael Kühn, „ich hätte ihn wohl für verrückt erklärt.“ Dass Kock damals als Spieler vom Nachbarverein SV Emmerich-Vrasselt als Spielertrainer nach Praest zurückkehrte, war letztlich ein Glücksgriff. „Andere Vereine haben damals Gott sei Dank gepennt, als es darum ging, Roland zu verpflichten“, sagt Michael Kühn.

Kock fällt selbst nach fast zwölf Jahren beim RSV immer noch Neues ein. Abnutzungserscheinungen? Fehlanzeige. Stattdessen gab es Erfolge. Kock machte währenddessen die Trainer-B-Lizenz. „Für mehr“, gesteht Roland Kock, „reicht die Zeit einfach nicht.“

Kein Wunder, denn abgesehen von familiären Verpflichtungen verbringt Roland Kock viel Zeit mit Vier-Augen-Gesprächen. Zielstrebig sucht sich Kock nach einem Spieltag oder Training denjenigen aus, der gerade besonders bedrückt oder neben der Spur zu sein scheint. Kock zählt die Minuten nicht, die er dabei investiert. Sein Vereinsboss Michael Kühn meint, „dass es 25 bis 30 Gespräche sind, die binnen kürzester Zeit geführt werden.“ Kock betont, dass vor allem darin der Schlüssel für Erfolg liege: „Wenn ich 19 Mann im Kader habe, dann muss Nummer 19 wissen, dass es auf ihn ankommt, wenn er in der 80. Minute gebracht wird. Und dann ist der Spieler nur gut, wenn ich in Gesprächen die notwendigen Prozente an Leistung aus ihm herausgeholt habe.“ Kocks Training besteht aber lange nicht nur aus Reden. „Passspiel und Ballannahme ist besonders wichtig. Ohne geht es in einem Spiel nicht. Also geht es im Training so oft es geht immer auch darum.“ Ansonsten setzt Kock auf Disziplin. Die lebt er vor, so gut es geht. Ein Beispiel, worauf der Trainer stolz ist: „Ich bin noch nie von einem Schiedsrichter hinter das Stankett gestellt worden.“ Dabei soll es auch bleiben. Weiterhin wichtig in der Kategorie „Disziplin“ für die Spieler: „Pünktlichkeit steht bei mir an erster Stelle.“

Zur Zeit steht der RSV am Abgrund der Bezirksliga-Gruppe 7. Trotzdem wurde der Vertrag ab Sommer 2015 um ein weiteres Jahr verlängert. Abstiegssorgen hin oder her, der 1. Vorsitzende ist sich sicher, alles richtig gemacht zu haben: „Viele Spieler haben klar gemacht, dass sie mit ihrem Trainer auch in der Kreisliga A weiter machen würden“, sagt Michael Kühn.

Der Netzwerker

Rückblende in den Sommer 2002. Der TSV Wachtendonk/ Wankum steigt nach einer Niederlage im Relegationsspiel in die Kreisliga C ab. Rund zehn Kilometer entfernt hat Wilfried Steeger mit dem TSV Nieukerk gerade eine Sause hinter sich. Er hat die 1. Mannschaft der Nieukerker in die Kreisliga A geführt. Beim TSV Wa./Wa. entschließt man sich, den Neuaufbau in der untersten Spielklasse mit dem Erfolgstrainer aus Nieukerk zu wagen. Der sollte eigentlich die A-Jugend der Nieukerker übernehmen, sagt aber doch – unter einer Bedingung – beim TSV Wa./Wa. zu: „Ich brauche ein Team mit Perspektive, dass sich im Training und in den Spielen voll rein kniet.“

Steeger ist der richtige Mann zur richtigen Zeit. Er stellt eine junge, starke Truppe zusammen die sofort wieder in die Kreisliga B aufsteigt, ein Jahr später in die A-Liga, noch ein Jahr später in die Bezirksliga – das erste Mal in der Vereinsgeschichte ist Wa./Wa. dort angekommen. Der Durchmarsch kam nicht von ungefähr. Die A-Jugend von Wa./Wa. siegte damals im Kreispokal – wohl der wichtigste Grund, weshalb Steeger damals in der C-Liga antrat. Damals wie heute gilt: „,Wulle’ kann sehr gut mit jungen Spielern umgehen“, lobt TSV-Fußballobmann Ralf Rösen. Während des Durchmarsches von der Kreisliga C auf die Bezirksebene entdeckte er in der „Bauernstaffel“ Talente wie René Op de Hipt oder Jannik Wißfeld, die längst gestandene Bezirksligaspieler sind. Beim SV Sevelen, wo Steeger auch als Trainer arbeitete, wuchs beispielsweise Philipp Langer zum Torjäger heran – alles Ergebnisse von unzähligen Besuchen von Jugendspielen.

Steegers Tag, so könnte man meinen, hat 36 Stunden. Wie dick sein Telefonbuch ist, ist nicht überliefert. Fest steht aber: Steeger ist vernetzt wie kein zweiter. Wenn beim SuS Rayen ein junges Talent den Verein verlassen will, weiß Steeger das schon, bevor seine Trainerkollegen überhaupt wissen, wo Rayen liegt. Von der Entdeckung junger Talente leben die von Steeger betreuten Teams nicht alleine. Steeger legt viel Wert auf Fitness. In Sachen Kondition hat er die Messlatte im Fußballkreis Kleve/Geldern höher gelegt – um 34 Meter, um genau zu sein. Es ist noch nicht so lange her, da begnügten sich die Fußballer mit Konditionsbolzen am Oermter Berg (68 Meter über Normalnull). Steeger reichte dieses Höhentrainingslager nicht. Er scheucht seine Männer seit Jahren auf die Halde Norddeutschland bei Vluyn (102 m. ü. M.), denn die Wege zum Gipfel sind wesentlich länger als in Oermten. Gerüchten zur Folge ist nur wegen Wilfried Steeger am Gipfel der Halde ein Defibrillator installiert worden.

Der Taktikfuchs

Als Marco Niestroj zum ersten Mal vor sein Team trat, stellte er gleich etwas klar: „Freundschaften sind gut und schön, aber es muss einen geben, der die Ansagen macht.“ Und das ist Niestroj. Knapp zehn Monate später fand sich der 39-Jährige auf den Schultern seiner Spieler wieder. Der VdS Nievenheim ist als Außenseiter in die Oberliga aufgestiegen.

Entsprechend unerwartet kam der Erfolg. Vor allem für Niestroj selbst, der wenige Wochen vor dem ersten Training noch auf der anderen Seite gestanden hatte. „Ich habe mit vielen über Jahre zusammengespielt und Freundschaften aufgebaut“, erzählt Niestroj. Doch trotz der neuen Hierarchie wollte er das Verhältnis nicht von heute auf morgen ändern. „Ich mache immer noch jeden Spaß mit. Aber die Spieler wissen mittlerweile, wann es ernst wird.“

Das passiert, sobald es auf dem Platz geht. Macht einer dort nicht das, was abgesprochen war, kann Niestroj laut werden. „Die ganze Trainingsarbeit kann nach fünf Minuten umsonst gewesen sein.“ Dann wird aus dem Freund der Trainer. „Mein Vorteil ist, dass ich die Charaktere seit Jahren kenne.“ Niestroj weiß, wie er mit wem umgehen muss. Den einen kann er offen kritisieren, bei dem anderen sucht er das Einzelgespräch.

Das gilt auch für die Aufstellung. Meist telefoniert er samstags mit Co-Trainer Marc Schüttler. Sonntags vor dem Spiel setzen sie sich zusammen. Den Härtefällen sagt er persönlich, warum es nicht gereicht hat. Und beobachtet dann, wie sich der Spieler verhält. „Den wahren Charakter siehst du, wenn er auf der Bank sitzt. Geht es ihm um sich oder die Mannschaft.“

Die will Niestroj ständig verbessern. Er liebt offensiven, modernen Fußball und bildet sich weiter. Regelmäßig besucht er das Training von Profi - oder U19-Bundesliga- Teams und schaut sich etwas ab. Nicht mal vor dem Fernseher hört das auf. Entspannt Fußball gucken kann er nicht. „Man macht sich immer Gedanken, warum ein Trainer bestimmte Situationen wie gelöst hat“ Dann geht es mit Edding und Magneten an die eigene Taktiktafel. „Erfolg funktioniert über Laufwege und Automatismen“, sagt Niestroj, der die richtige Mischung aus Trainer und Kumpel gefunden hat. Zum Saisonende gibt es seinen Job in Nievenheim ab und wird durch Thomas Bahr ersetzt.

Aufrufe: 030.4.2015, 23:55 Uhr
NSZ / Marco Büren & Bernd SchwickerathAutor