2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview der Woche
Vorspiel zum Stuttgarter Derby: Die Trainer Alfred Kaminksi (li.) und Sebastian Gunkel  (VfB II) im Interview Foto:Baumann
Vorspiel zum Stuttgarter Derby: Die Trainer Alfred Kaminksi (li.) und Sebastian Gunkel (VfB II) im Interview Foto:Baumann

“Wir haben die Regionalliga nicht unterschätzt“

Das große Trainer-Doppel-Interview mit Sebastian Gunkel vom VfB Stuttgart II und Alfred Kaminski von den Stuttgarter Kickers vor dem Stadtderby

Das kleine Derby in der Fußball-Regionalliga zwischen dem VfB II und den Stuttgarter Kickers steht an – mit zwei neuen Trainern: Sebastian Gunkel und Alfred Kaminski. Die Trainer von VfB II und Kickers sprechen im Interview über ihre Derby-Erfahrungen, den Unmut der Fans und ihre Ziele.

Am heutigen Dienstag (17.30 Uhr) steigt das Derby in der Fußball-Regionalliga zwischen dem VfB II und den Stuttgarter Kickers – mit zwei neuen Trainern: Sebastian Gunkel und Alfred Kaminski.

Herr Gunkel, Herr Kaminski, können Sie sich vorstellen, warum das Derby historische Dimensionen annehmen könnte? Sebastian Gunkel: Vielleicht weil beide Teams noch nie in der vierten Liga gegeneinander angetreten sind? Alfred Kaminski: Ich könnte mir auch vorstellen, dass es mit der Ligazugehörigkeit von unseren Kickers und dem VfB II zusammenhängt.
Wir spielen auf einen möglichen Derby-Zuschauer-Minusrekord an, der bei 2200 Besuchern liegt, als der VfB II in Großaspach gegen die Blauen um Punkte spielte. Gunkel: Jetzt spielen wir aber in Stuttgart, und ich finde es sehr schade, dass wir exakt zeitgleich zu einem Heimspiel unserer Profis antreten müssen – und dann noch an einem Dienstag schon um 17.30 Uhr. Auch unsere Mannschaft braucht die Unterstützung der Zuschauer. Selbstverständlich akzeptieren wir die Sicherheitsmaßnahmen, aber in anderen Städten wie zum Beispiel Leipzig ist es auch möglich, dass RB II gegen Lok spielt. Kaminski: Der Fußball lebt von einer stimmungsvollen Atmosphäre. Deshalb sollte man versuchen, bessere und fanfreundlichere Lösungen für die Ansetzung eines Stadtderbys zu finden.
Dass am Dienstag keine Völkerwanderung ins Gazi-Stadion einsetzen wird, erklärt sich aber auch beim Blick auf die Tabelle. Gunkel: Es mag ja sein, dass man zwei Drittliga-Absteiger weiter vorne erwartet hat. Aber bei uns war von vornherein klar, dass wir erst einmal in der Liga ankommen müssen. Das sind wir erst zum Teil. Es sind sehr enge Spiel, die durch Kleinigkeiten entschieden werden. Unsere junge Truppe muss den Kampf annehmen, diesbezüglich haben wir noch Luft nach oben. Kaminski: Ich wäre natürlich auch glücklicher, wenn wir den ein oder anderen Zähler mehr auf dem Punktekonto hätten. Wie der VfB II muss sich auch unsere neu formierte Mannschaft noch weiter finden. Aber klar: Wir möchten künftig auch spielerisch besser auftreten. Daran werden wir arbeiten.
Haben Sie die Regionalliga unterschätzt? Gunkel: Nein, wir haben die Regionalliga nicht unterschätzt. Es war klar, dass es eine interessante Liga ist, die gespickt ist mit guten Fußballern. Zudem sind die vielen Traditionsvereine auch in Sachen Infrastruktur und Fan-Potenzial sehr gut aufgestellt. Kaminski: Außerdem merkt man extrem, wie gut ausgebildet die Spieler aus den Nachwuchsleistungszentren sind, die für die zweiten Mannschaften der Proficlubs auflaufen und mit Macht nach oben drängen. Klar tummeln sich viele Traditionsclubs in der Liga, doch der Vereinsname ist nicht entscheidend. Es wird erwartet, dass man einen TSV Steinbach 5:0 aus dem Stadion fegt, dabei hat der Club ehemalige Zweitligaspieler im Kader. Gunkel: Oder nehmen wir Teutonia Watzenborn-Steinberg. Das ist auch kein großer Name, aber die spielen richtig gut Fußball und haben zuletzt den 1. FC Saarbrücken geschlagen.
Herr Kaminski, wenn die Liga so stark ist: War es dann nicht zu hoch gegriffen, Platz eins bis fünf als Saisonziel auszugeben? Kaminski: Wir sind gut beraten, uns immer aufs nächste Spiel zu konzentrieren. Jetzt schon ein Fazit zu ziehen und das Saisonziel zu hinterfragen – dafür ist es noch zu früh. Wir haben eine gute Mannschaft, die sich entwickeln muss, die zusammenwachsen muss. Studien belegen, dass es bis Weihnachten dauert, bis so ein Vorgang ­abgeschlossen ist.
Kader der Stuttgarter Kickers
Wie sicher sind Sie in diesem kurzlebigen Geschäft, dann überhaupt noch im Amt zu sein? Kaminski: Ich spüre den Rückhalt des Vereins und konzentriere mich auf meine Aufgabe.
Wie stabil ist Ihr Trainerstuhl, Herr Gunkel? Gunkel: Alles ist gut. Ehrlich gesagt, habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht.
Ist es ein Vorteil für ein ruhiges Arbeiten, dass der Fokus beim VfB auf der ersten Mannschaft liegt? Gunkel: Der Fokus liegt immer auf der ersten Mannschaft. Aber es ist ja nicht so, dass wir mit dem VfB II abgeschlagen wären.
Ist es für Sie ein Problem, dass Sie noch vom ehemaligen Sport-Vorstand Robin Dutt geholt wurden?
Gunkel: Ich kenne Robin Dutt aus der gemeinsamen Zeit beim SC Freiburg, aber an meiner Verpflichtung waren auch andere Personen beteiligt, zum Beispiel unser sportlicher Leiter Michael Gentner, den ich sogar schon länger kenne als Robin Dutt und mit dem ich die Fußballlehrer-Ausbildung absolviert habe.
Sie hatten stets den Austausch mit Jos Luhukay gelobt. Wie sehr bedauern Sie seinen Abschied? Gunkel: Der Austausch mit ihm war sehr gut. Es geht ja nicht immer nur um Positionen, es geht auch um den Menschen. Deshalb bedauere ich das. Aber es ist immer die Entscheidung der direkt Beteiligten, die ich nicht beurteilen kann.
Ihre Mannschaft wurde noch von Alexander Schmidt zusammengestellt, auch er ist längst nicht mehr im Amt. Wünschen nicht auch Sie sich mehr Kontinuität beim VfB? Gunkel: Jeder wünscht sich Kontinuität, diese erleichtert einen Entwicklungsprozess. Doch die Entscheidungen beim VfB waren der Situation geschuldet.

Kader des VfB Stuttgart II

Bei den Kickers herrscht in Sachen Präsident und Sportdirektor Kontinuität. Was nichts daran ändert, dass es zuletzt Unmutsäußerungen und „Zeyer raus“-Rufe gab. Könnte sich diese Unruhe im Umfeld auf die Mannschaft negativ auswirken? Kaminski: Wir wollen positiv denken, etwas gestalten und uns nicht zu viel mit der Vergangenheit beschäftigen. Michael Zeyer und ich haben die Mannschaft gemeinsam zusammengestellt. Wir haben einen sehr guten und intensiven Austausch – im Übrigen auch mit dem NLZ-Chef und Oberliga-Trainer Dieter Märkle.
Der Absturz vom Fast-Relegationsteilnehmer zur zweiten Liga zum Regionalliga-Mittelfeldteam ging rasend schnell. Können Sie den Unmut der Fans nicht auch verstehen? Kaminski: Wie gesagt, der Blick zurück hilft keinem weiter. Wir müssen aus der Vergangenheit die richtigen Schlüsse ziehen und etwas Positives für die Zukunft kreieren. Daran arbeiten wir alle im Verein gemeinsam.
Der Erfolg ist bisher bescheiden. Kaminski: Wir haben gezeigt, dass wir Kämpferqualitäten haben und auch guten Fußball spielen können. In den letzten beiden Auswärtsspielen haben wir auch die Stabilität in der Defensive verbessert. Das müssen wir aber weiterentwickeln.
Wo muss der VfB II noch zulegen? Gunkel: Wir müssen erkennen, dass spielerische Mittel alleine nicht reichen, sondern auch Kämpferqualitäten in dieser Liga unabdingbar sind.
Für Sie beide ist es das erste Stuttgarter Stadtderby. Können Sie aus anderen Städten Erfahrungen aufweisen? Gunkel: Als Spieler des VfB Leipzig habe ich gegen Sachsen Leipzig gespielt. Da kochten die Emotionen hoch. Wir wurden mit Schneebällen beworfen. Kaminski: Dann ging es dir ja noch gut. Als Trainer des 1. FC Saarbrücken haben meine Spieler und ich im Derby beim FC Homburg faule Eier und Tomaten abbekommen. Gunkel: Dann wirklich lieber Schneebälle.
Und wie geht das Derby aus? Gunkel: Das wird ein sehr enges Spiel. Wir wollen gewinnen, aber die Kickers sicher auch. Bei uns kommt dazu, dass wir erst relativ spät wissen, wer von oben zum Kader stößt, um Spielpraxis zu sammeln. Kaminski: Kleinigkeiten werden entscheiden. Wir wissen nicht, was der VfB II personell aus dem Hut zaubert. Ich freue mich jedenfalls sehr auf mein erstes Stadtderby. Gunkel: Und hoffentlich kommen doch noch ein paar Zuschauer mehr als erwartet.

Das Spiel im FuPa-Liveticker

Aufrufe: 020.9.2016, 13:30 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Jürgen Frey und Joachim Autor