2024-04-25T14:35:39.956Z

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"Wir haben auch gegen Essen eine Chance"

Interview mit Michael Kulm: Der Sportliche Leiter des Fußball-Oberligisten 04/19 über das Wiedersehen mit seinem Ex-Klub, alte Wunden und die Ratinger Aufstiegsambitionen

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Am Samstag um 15 Uhr kommt es im Achtelfinale des Niederrheinpokals zum Duell von Germania Ratingen mit Rot-Weiß Essen. Vor dem Spiel sprachen wir mit dem Sportlichen Leiter der Ratinger aber nicht nur über das Spiel.
Herr Kulm, ein Spiel gegen Ihren alten Verein - was löst das emotional noch bei Ihnen aus? Immerhin waren Sie ja sieben Jahre bei Rot-Weiss Essen tätig.

Michael Kulm Das ist ja jetzt schon fünf Jahre her, daher kann ich das schon etwas gelassener sehen...

Tatsächlich? Ihr Spieler Thomas Denker sagte, ihm wäre dabei etwas komisch zumute, er hätte das lieber zu einem späteren Zeitpunkt gehabt.

Kulm Thomas ist ja auch erst diesen Sommer von RWE gekommen, er ist ein Kind dieses Vereins. Da kann ich gut nachvollziehen, dass sich das merkwürdig anfühlt, plötzlich auf der anderen Seite zu stehen. Bei mir ist viel Gras über meine Zeit in Essen gewachsen - ich freue mich einfach sehr auf ein tolles Pokalspiel gegen eine höherklassige Mannschaft und einen Traditionsklub. Und natürlich freue ich mich, ein paar alte Bekannte wiederzusehen. Ansonsten hat sich Essen aber sehr verändert, aus meiner Zeit ist kaum noch jemand da.

Sie sind damals bei RWE beurlaubt worden. Hat das die Liebe zusätzlich abkühlen lassen?

Kulm Ach was. Das sind, selbst in der vierten Liga, die Mechanismen des Geschäfts. Ich habe die Mannschaft damals als Trainer übernommen, als sie zehn Punkte Rückstand hatte auf den Qualifikationsplatz, der zur Aufnahme in die neugegründete Dritte Liga gereicht hätte. Die Punkte haben wir sogar noch aufgeholt, am letzten Spieltag das entscheidende Spiel gegen VFB Lübeck aber leider verloren. Darauf die Saison sollte dann trotz eines großen Umbruches unbedingt der sofortige Wiederaufstieg folgen.

Was nicht gelang.

Kulm Richtig. Nach einem 1:2 gegen Bochum II wurde ich Ende März 2009 von Thomas Strunz, dem Sportlichen Leiter, beurlaubt. Ich glaube, wir standen damals auf Platz fünf der Regionalliga. Heute ist genau dieser Platz die offizielle Zielsetzung des Vereins. So ändern sich die Zeiten. Aber wie schwer der Aufstieg aus dieser starken Regionalliga ist, sieht man ja daran, dass es bis heute noch nicht gelungen ist. Insgesamt blicke ich aber auf eine sehr schöne und erfolgreiche Zeit bei RWE zurück. Schließlich sind wir mit der B-Jugend und U23 jeweils aufgestiegen, haben mit der U 17 und den Profis den Niederrheinpokal gewonnen und sind mit der U 17 sogar Westdeutscher Pokalsieger gewesen.

Nach Ihrer Zeit in Essen ging es zum VfB Hilden.

Kulm Dort war ich vier Jahre, wir haben den Aufstieg in die Oberliga geschafft. Danach wusste ich: Das war es. Die Oberliga ist das höchst Machbare für den VfB. Ich brauche jedoch eine Herausforderung, ein ehrgeiziges Ziel. Deshalb habe ich aufgehört. Wir haben aber in Hilden eine gute Basis gelegt. Es sind immer noch elf "meiner" Spieler im Kader.

Wie sehen Ihre ehrgeizigen Ziele mit Ratingen 04/19 aus?

Kulm Netter Versuch. Ich werde jetzt nicht rufen, dass wir den Aufstieg schaffen müssen. Wenn wir uns im oberen Drittel der Oberliga etablieren können, haben wir einen guten Job gemacht. Richtig ist allerdings, dass hier in Ratingen die Infrastruktur auch höheren Ansprüchen genügen würde.

Das heißt, Sie wollen doch mal aufsteigen?

Kulm Ich sage nur, dass der Verein es mittelfristig verkraften könnte. Allerdings fehlen da noch einige Voraussetzungen. Es sind zu wenig Sponsoren da, um die Regionalliga zu überstehen. Und auch die Jugendarbeit müssen wir noch gravierend verbessern. Da sind wir aber dran. Wir gehen davon aus, in den kommenden Jahren einige Nachwuchsmannschaften in der Niederrheinliga zu platzieren. Einige Nachwuchsspieler trainieren auch schon bei der Ersten mit.

Wie beurteilen Sie den bisherigen Saisonverlauf? Man hat als Beobachter das Gefühl, die Mannschaft hat mehr Potenzial, als es der aktuelle Tabellenplatz aussagt.

Kulm Es ist beruhigend, das von außen zu hören, denn ein ähnliches Gefühl habe ich auch. Allerdings mangelt es uns noch an Konstanz, was angesichts der vielen jungen Spieler im Kader aber kein Wunder ist. Ich bin insgesamt aber zufrieden, schließlich hatten wir viele Verletzte in den vergangenen Wochen. Ein erstes Resümee werden wir in der Winterpause ziehen.

Im Testspiel gegen Fortuna Düsseldorf hat sich Ihre Mannschaft sehr achtbar geschlagen. Könnte das ein Vorgeschmack sein auf das, was uns gegen Essen erwartet?

Kulm Das Team hat gegen Fortuna Düsseldorf gezeigt, dass es gegen "große" Mannschaften mithalten kann. Aktuell sind wir in einer guten Phase, die Mannschaft findet sich. Ich glaube, dass wir auch gegen Essen eine realistische Chance haben. Ich hoffe auf ein großes Spiel - und eine gute Kulisse. Eine vierstellige Zuschauerzahl wäre super. Und dem Anlass auch angemessen.

Aufrufe: 010.10.2014, 22:17 Uhr
Rheinische Post / André SchahidiAutor