Der Mann ist unverwüstlich. ,,Heuer war ich schon wieder 1000 Kilometer mit dem Rad unterwegs", erzählt Karsten Wettberg mit verschmitztem Lächeln. Dass ihn zuletzt eine hartnäckige Erkältung plagte, steckt der 74-jährige Fußball-Trainer weg. ,,Die Radausfahrten in unserer Seniorenrunde sind Pflicht." Pflichtbewusstsein zeigt der erfolgreichste Amateurcoach Deutschlands auch gegenüber seinem Heimatverein FC Mainburg. ,,Ich bleibe eine weitere Saison, auch wenn es ein schwieriges Projekt ist." Und dann verblüfft der Elsendorfer im Gespräch mit unserer Zeitung mit einer Ankündigung: ,,Im nächsten Jahr bin ich wieder bereit für höherklassige Aufgaben."
Als Wettberg im vergangenen Sommer nach dem Landesliga-Aufstieg mit dem ATSV Kelheim - der jüngste seiner über 50 Erfolge - zu seinen Wurzeln in die Hallertau zurückkehrte, sagte der frühere Kultcoach des TSV 1860 München: ,,Der FC ist sehr wahrscheinlich meine letzte Trainerstation." Doch sag' niemals nie. ,,Ich kann mir vorstellen, im nächsten Jahr wieder ein höherklassiges Team zu trainieren. Voraussetzung ist immer, dass meine Gesundheit mitmacht", erklärt er dieser Tage.
Von seiner ,,Wunschvorstellung", bei den Löwen als Scout tätig zu sein, hat sich der 74-Jährige verabschiedet. ,,Das werde ich mit ziemlicher Sicherheit nicht machen. Bei 1860 ist in den vergangenen Jahren so viel schief gelaufen. Das Resultat sieht man jetzt", sagt der ,,König von Giesing" über seine alte Liebe, die im Abstiegskampf der 2.Bundesliga steckt. ,,Mit klügeren Transfers hätten die 60er eine ganz andere Rolle spielen können", befindet Wettberg. ,,Oliver Kreuzer hat mit wenig Geld die Mannschaft wesentlich besser verstärkt, als es Gerhard Poschner mit sehr viel Geld getan hat. Hoffentlich reicht das zum Klassenerhalt!"
Der Landesliga-Aufstieg mit dem ATSV Kelheim im Vorjahr war der jüngste von Wettbergs über 50 Erfolgen als Coach. Archivfoto: Tschannerl
In der kommenden Spielzeit wird der Elsendorfer weiterhin bei Mainburg an der Außenlinie stehen. Der aktuelle fünfte Rang in der Kreisklasse Laaber mit 14 Punkten Rückstand auf die Aufstiegsrelegation liegt weit entfernt von der eigentlichen Zielsetzung. Wettberg verweist auf unvorhersehbare Entwicklungen. ,,Yavuz Caglar hat uns verlassen, sein Sturmpartner Achim Lewandowsky konnte wegen Knieproblemen erst 13 Spiele machen. Dieses Duo hat in der Saison zuvor fast 60 Tore erzielt." Dem angeschlagenen Torjäger Lewandowsky hat Wettberg ein Spinningrad zur Verfügung gestellt, damit er über verstärkten Muskelaufbau die Knie stützen kann. Weitere Schlüsselspieler fehlten wegen Verletzungen auch immer wieder, ergänzt der Coach.
Den guten Kontakten der Trainer-Legende hat Mainburg zwei interessante Verstärkungen im Frühjahr zu verdanken. Von Landesliga-Schlusslicht Sportfreunde Dinkelsbühl (Staffel Süd-West) kam Angreifer Pascal Haltmayer (26). ,,Er ist nach Mainburg gezogen, seine Mutter betreibt die Gastwirtschaft auf der Theresienhöhe", erklärt Wettberg und will damit auch untermauern: ,,Es wird in Mainburg kein Geld gezahlt." Haltmayer will, so der Elsendorfer, ,,auch in der nächsten Saison helfen". Der bosnische Jugendauswahlspieler Aiz Burzic (19) fand ebenfalls den Weg in die Hopfenstadt. ,,Ich habe von ihm erfahren und in Bosnien bei ihm angerufen. Seine Schwester lebt ihn Neustadt. Dort hole ich ihn selbst zum Training ab." Man versuche, für den jungen Mann eine Arbeit zu besorgen. ,,Das ist das Einzige, wo wir Spielern helfen können. Ob Burzic uns weiterbringen kann, werden wir erst mit der Zeit sehen. Dass ein Auswahlkicker gute Anlagen hat, versteht sich."
Baustein um Baustein will Wettberg den Kader des FC Mainburg für das Aufstiegsziel konkurrenzfähig machen. ,,Auch bei den Torhütern müssen wir uns etwas überlegen: Christian König geht für ein halbes Jahr studienbedingt ins Ausland. Ob Manuel Wühr bleibt, ist noch nicht sicher. In der A-Jugend haben wir mit Lukas Schütt ein riesen Talent, aber er darf bei den Herren noch nicht spielen." Zum Nachwuchs legt Wettberg ein Bekenntnis ab. ,,Wir werden keine Spieler auf Positionen holen, wo wir im Verein gute, junge Kicker haben." So sind für den Trainerhaudegen die Youngsters Lukas Bergermeier, Matthias Harrieder (beide 18) und Matthias Frank (19), die bereits voll in die erste Mannschaft integriert sind, neben vier, fünf Youngsters, die noch in der U19 spielen, aber schon sporadisch bei Wettberg trainieren, Versprechen für die Zukunft.
,,Von unserem Förderverein finanziell bestens unterstützt, bildet der FC in den Jugendteams Jahr für Jahr viele Spieler aus, mit bis zu 70 Prozent Migrationshintergrund in einzelnen Mannschaften", verweist der Elsendorfer auf eine Initiative, für die er als Vorsitzender einsteht. ,,Wir leisten hier Sozialarbeit am Mann." Bedauerlich findet es der 74-Jährige, dass ,,uns umliegende Vereine, die auch nicht höher spielen, die ausgebildeten Spieler abwerben". Ein aktueller Fall schmerzt den Elsendorfer besonders: ,,Unser Mittelfeldmotor Dennis Bauer wird uns verlassen. Er geht als Spielertrainer zum A-Klassisten SV Puttenhausen. Er ist für uns auch neben dem Platz wichtig, auch seine Partnerin ist immer da und hilft, wo sie gebraucht wird." Aber, so echauffiert sich Wettberg, all das zähle heute nicht mehr. ,,Über Dennis lasse ich nichts kommen. Aber warum glauben Sie, geht ein 23-Jähriger mit Landesliga-Erfahrung und riesen Potenzial in die unterste Klasse?" Den Grund könne man sich denken.