2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Im dritten Jahr SVA-Trainer: Dominik Herre. Foto: Jürgen Hofstätter ulm
Im dritten Jahr SVA-Trainer: Dominik Herre. Foto: Jürgen Hofstätter ulm

"Wer Bundesliga sehen will, muss zu uns kommen"

Fußball: Trainer Dominik Herre aus Ehingen über seine Arbeit bei den B-Juniorinnen des SV Alberweiler

Ehingen / sz - In seine dritte Saison als Trainer der Bundesliga-B-Juniorinnen des SV Alberweiler geht Dominik Herre. Nach zwei erfolgreichen Spielzeiten will der 32-jährige Ehinger mit seinem Team trotz des erneut großen Umbruchs auch 2016/17 eine gute Rolle in der höchsten Klasse im deutschen Mädchenfußball spielen. SZ-Redakteur Andreas Wagner sprach mit Herre über die Schwierigkeit, Jahr für Jahr ein bundesligataugliches Team zusammenzustellen, über Nachteile gegenüber Großvereinen und die Praxis des Zweitspielrechts.

Hier in der Gegend gibt es sonst keinen Fußball-Bundesligisten. Wer Bundesliga sehen will, muss zu uns kommen. Ich habe mit Zuschauern gesprochen, die früher Verbands- und Landesliga-Spiele der Männer angeschaut haben, inzwischen aber lieber zu uns kommen. So was freut einen. Wir hatten in der vergangenen Saison einen Zuschauerschnitt von etwa 320. Außerdem lebt das ganze Dorf die Geschichte Bundesliga-Fußball. Es ist schön mitzuerleben, wie das Dorf Woche für Woche mitfiebert – und das mittlerweile in der fünften Saison.

Die Erfolge dürften dazu beitragen, dass Sie gern dort Trainer sind.

Ja. Wir waren in der ersten Saison Fünfter mit sechs Punkten Rückstand auf den Tabellenzweiten und in der vergangenen Saison Sechster, fünf Punkte hinter dem Dritten – außerdem jeweils das drittbeste Team in der Rückrunde. In Württemberg sind wir das beste Mädchenfußballteam, was wir auch mit den beiden Siegen im Verbandspokal bestätigt haben. Der Reiz für mich besteht aber vor allem auch darin, Spielerinnen weiterzuentwickeln und ihnen etwas mit auf den Weg zu geben.

Als Jugendtrainer muss man sich jedes Jahr von Spielerinnen trennen. Wie schwer fällt Ihnen das?

Wer eine Jugend trainiert, muss damit leben. Aber es ist schwierig, wenn jedes Jahr fünf Stammspielerinnen wegfallen. Das erklärt bei uns auch den schleppenden Saisonstart. Wir brauchen ein halbes Jahr. Großvereine wie Bayern München oder Freiburg haben es leichter: Bayern hat drei Jugend-Nationalspielerinnen verpflichtet, Freiburg vier, bei uns kommen Spielerinnen von kleinen Vereinen aus der Region. Und es hängt auch kein Internat dran wie bei den großen Klubs.

Wie schwierig ist die Suche nach neuen Spielerinnen?

Jedes Jahr kommen zu uns mehr talentierte Spielerinnen. Wir haben zwei richtig gute Spielzeiten hinter uns, außerdem gehört Alberweiler im fünften Jahr der Bundesliga an. Da kommen die Mädchen mittlerweile auf Zuruf.

Bieten sich viele Spielerinnen von sich aus an?

Das kommt vor. Aber das sind meist nicht die, die wir verpflichten. So die Erfahrung. Hauptsächlich muss schon ich auf die Spielerinnen zugehen und das bedeutet sechs bis acht Wochen einen Riesenaufwand. Ich habe auch keinen Spielleiter, werde aber von meinem Vater und Co-Trainer Franz Herre unterstützt.

In welchem Umkreis sichten Sie Talente?

Das geht recht weit. Vom Münsinger und Ulmer Raum bis nach Heidenheim und im Süden bis an die österreichische Grenze, im Allgäu und im Ravensburger Raum.

Und im Raum Ehingen, vor der eigenen Haustür, sicher auch.

Die Gegend hier kennt man ohnehin.

Kristin Kögel, ihre Torjägerin der vergangenen Saison, hatte ein Zweitspielrecht für die Jungen ihres Heimatvereins Neu-Ulm. Wie oft wird das praktiziert?

Das machen wir oft. Von den jetzt 15 neuen Spielerinnen haben zwei Drittel ein Zweitspielrecht. Das hat damit zu tun, dass wir Spielerinnen recht früh holen – die Hälfte der Neuen jetzt könnte noch in der C-Jugend spielen und soll sich erst an Atmosphäre und Tempo in der Bundesliga gewöhnen. Manche schaffen das sofort, aber wenn es noch nicht reicht, haben sie die Möglichkeit, bei den Junioren ihres Heimatvereins zu spielen. So erhalten sie Spielpraxis. Außerdem geht es um die Entwicklung, wenn sie mit Jungs trainieren – weniger um Technik, sondern ums Körperliche; die Mädchen lernen, dagegenzuhalten. Aus meiner Sicht ist ein Zweitspielrecht aber nur bis zu einem gewissen Alter sinnvoll. Unsere B-Juniorinnen sollten nur in der Bundesliga spielen – wir haben in der Saison auch etwa zehn Testspiele gegen Jungenmannschaften.

Wie schnell kristallisiert sich in der Vorbereitung Ihr Team für die Bundesliga heraus?

Durch die Erfahrung, die wir haben, ist das kein Problem. Allerdings brauchen wir zwei Drittel der Vorrunde. Es sollte schneller gehen, aber in der Vorbereitung spielen wir fast nie mit der gleichen Startelf. Immer sind Spielerinnen im Urlaub. Auch jetzt zum ersten Liga-Spiel fehlen mir vier Spielerinnen wegen Urlaubs.

Ist der SVA nicht auch da im Nachteil gegenüber Großvereinen wie Bayern München, SC Freiburg oder dem FFC Frankfurt?

Die Großvereine fangen früh mit der Vorbereitung an, trainieren ein paar Wochen und geben dann zwei Wochen frei. Danach bereiten sie sich wieder drei, vier Wochen intensiv auf die Saison vor. Die Spielerinnen gehen in den zwei freien Wochen in den Urlaub. Bei uns herrscht in den Sommerferien ein Kommen und Gehen der Spielerinnen, im Schnitt fehlen acht pro Woche.

Sie sind im dritten Jahr Bundesliga-Trainer in Alberweiler, haben zwei erfolgreiche Jahre hinter sich – wie viele Angebote anderer Vereine haben Sie schon abgelehnt?

Es war mal in der Überlegung, in ein Nachwuchsleistungszentrum zu wechseln. Aber das wäre verbunden mit einem Umzug oder einer längeren Fahrt. Die Kosten-Nutzen-Rechnung liegt bei Null. Außerdem hätte man in einer anderen Stadt nur einen Vertrag auf Zeit und wenn der Erfolg fehlt, ist man weg. Dafür den Beruf aufzugeben, ist ein Wagnis. Aber die Arbeit in einem Nachwuchsleistungszentrum wäre schon ein Ziel, obwohl ich in Alberweiler sehr zufrieden bin. Und die Erfolge hier zeigen, dass wir keine schlechte Arbeit leisten. Inzwischen kommen auch Spielerinnen zu uns, die Angebote aus München, Nürnberg oder Freiburg haben. Daran sieht man, dass in Alberweiler strukturell gearbeitet wird und die Spielerinnen auch bei uns gefordert werden.

Aufrufe: 09.9.2016, 09:31 Uhr
Schw�bische ZeitungAutor