2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
"Ich würde am liebsten spielen wie der Guardiola. Aber auch wir müssen uns unseren Möglichkeiten anpassen." F: Meier
"Ich würde am liebsten spielen wie der Guardiola. Aber auch wir müssen uns unseren Möglichkeiten anpassen." F: Meier

»Wenn`s sein muss auch mit acht Verteidigern«

Jahresinterview SV Schalding-Heining 2014 - Teil 1: mit Tanzer, Clemens, Stecher und Pillmeier

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Der Klassenerhalt in der Regionalliga Bayern, das dramatische Pokalfinale, die Superserie im Herbst. Die Protagonisten des SV Schalding-Heining blicken auf ein wahrlich aufregendes Jahr 2014 zurück. Im großen Jahresinterview mit FuPa lassen Abteilungsleiter Markus Clemens, Teammanager Florian Stecher, Trainer Mario Tanzer und Co-Kapitän Michael Pillmeier die vergangenen zwölf Monate ausführlich Revue passieren und werfen einen Blick auf die schwierigen, bevorstehenden Aufgaben im kommenden Frühjahr.


FuPa
: Der Klassenerhalt, das Pokal-Endspiel, die Superserie im Herbst. Markus, was war dein persönliches Saisonhighlight?
Markus Clemens (40): Ich bin da gar nicht fixiert auf ein bestimmtes Ereignis. Bei mir überwiegt die tolle Entwicklung der Mannschaft und des Vereins. Mir bereitet es unheimliche Freude, wenn ich sehe, wie der Flo (Stecher) und der Christian (Süß) nach ihren Karrieren im Verein Verantwortung übernehmen. Wir haben 2014 eine Tribüne gebaut, wir haben einen Kunstrasenplatz von der Stadt Passau bekommen. Wir haben uns insgesamt gegenüber dem letzten Jahr wieder enorm gesteigert, das macht mich stolz. Wir haben ein rundum gelungenes Jahr 2014 hinter uns, das sehr anstrengend war. Das nächste Jahr wird aber nicht minder anstrengend. Wir stehen wieder vor Riesenherausforderungen in der Liga, wir haben mit Bayreuth einen kernigen Pokalgegner vor der Brust. Auf diese Dinge legen wir in unserer Arbeit den Fokus. Das, was war, ist immer ganz schnell abgehakt. Du bist heute der König und morgen der Depp. Deswegen müssen wir immer nach vorne schauen: auf das, was uns 2015 erwartet.

Besonders einschneidend war das dramatisch verloren gegangene Pokalfinale gegen die Würzburger Kickers. Eine Schiedsrichterfehlentscheidung führte zum späten Ausgleichstreffer bei einer 2:1-Führung und noch zwei Minuten auf der Uhr. Beim anschließenden Elfmeterschießen versagten auch dir, Michael, die Nerven. Und das obwohl du vorher mit einem Treffer und einem Assist schon quasi zum Pokalhelden avanciert warst... Und plötzlich war die Chance auf den DFB-Pokaleinzug dahin.
Michael Pillmeier (26): Das war für uns alle wahnsinnig enttäuschend. So ein Spiel baut sich ja in den Köpfen der Spieler über Tage und Wochen auf, wir haben zuvor gegen Burghausen und Hof richtig gute Spiele abgeliefert. Das Finale selbst war Wahnsinn! Wir haben ein richtig gutes Spiel vor einer tollen Zuschauerkulisse abgeliefert. Das waren Emotionen pur. Und dann bekommen wir in der 88. Minute durch einen irregulären Treffer - unterm Spiel hab ich das gar nicht so registriert - das 2:2. Ich hab' den Elfmeter verschossen, vielleicht weil ich einfach auch extrem enttäuscht war über den späten Gegentreffer. Das Spiel habe ich jedenfalls lange nicht vergessen, vor allem den verschossenen Elfmeter. Mittlerweile gehe ich aber wieder sicher zum Punkt (lacht).

Tanzer: »In Schweinfurt richtig eine auf den Sack bekommen.«

Flo, die Frage muss jetzt kommen, auch wenn's weh tut. Den zweiten Elfmeter hast du verschossen...
Florian Stecher (33): Ich brauch' aber nicht mehr zum Punkt gehen (lacht). Wir steckten in dieser späten Saisonphase ja in der Liga mitten im Abstiegskampf. Da bleibt nicht die Zeit, sich lange übers Pokalfinale Gedanken zu machen. Und zwei Wochen später haben wir unser Saisonziel erreicht, die Regionalliga zu halten.
Markus Clemens: Das hat das Pokalfinale relativ schnell vergessen gemacht. Nach dem verlorenen Pokal-Endspiel hatten uns ja alle auch in der Liga abgeschrieben. Da hieß es: von diesem Nackenschlag erholen die sich bestimmt nicht mehr. Doch das hat uns im Ligaschlussspurt nur noch mehr angespornt und wir haben uns den Klassenerhalt gesichert. Das hat alles andere, auch das Pokalfinale, überstrahlt.

Florian, ihr seid im Frühjahr schwach aus den Startlöchern gekommen. Viele hatten euch daraufhin schon abgeschrieben. Hat das in der Mannschaft eine Trotzreaktion ausgelöst, nach dem Motto: wir zeigen`s allen? Ist das auch ein Schaldinger Wesenszug, in der sportlichen Krise noch enger zusammenzurücken und sich gegenseitig zu pushen?

Florian Stecher (33): Absolut, genau das macht Schalding aus. Wir sind wirklich nicht gut aus der Winterpause rausgekommen. Aber wir wollten unbedingt die Liga halten. Es ist schließlich etwas ganz Besonderes, in diesen tollen Stadien zu spielen. Es hat einer für den anderen geackert, nur so konnten wir unser großes Ziel auch erreichen.

Und plötzlich steht man in Liga vier einem Pierre-Emile Højbjerg auf dem Rasen gegenüber, den man zwei Wochen später wieder im TV in der Champions League bewundern kann.
Florian Stecher: Das ist natürlich etwas besonderes. Aber die Spiele gegen die Bayern-Amateure sind nicht die Partien, die wir als SV Schalding gewinnen müssen. Sie sind ein Zuckerl, aber in den anderen Spielen verdienen wir uns die Regionalliga.


Und dennoch war selbst gegen die FCB-Amateure zuletzt Zählbares möglich für den SVS. Wenige Wochen zuvor, am sechsten Spieltag der aktuellen Saison, setzte es eine herbe 0:5-Pleite in Schweinfurt. Nach dieser Schlappe zeigte die Mannschaft aber eine beeindruckende Reaktion und blieb neunmal in Folge ungeschlagen. An welchen Hebeln hast du angesetzt, dass plötzlich Siege gegen Augsburg, Ingolstadt und Illertissen möglich waren, die noch ein Jahr zuvor unvorstellbar waren?

Mario Tanzer: Die Klatsche in Schweinfurt war der Knackpunkt für uns - im positiven Sinne. Wir haben richtig eine auf den Sack bekommen und gesagt: Moment mal, so geht`s nicht weiter. Wir haben uns wieder auf unsere Tugenden konzentriert: das heißt, den Fokus auf die Defensive zu legen. Wir haben in Schweinfurt versucht Fußball zu spielen. Und das ist gnadenlos nach hinten losgegangen.

Und euch ist es entgegengekommen, dass bei vielen Teams der Tenor lautete: Gegen Schalding muss man gewinnen, da gehen wir auf die vollen drei Punkte.
Mario Tanzer: Jede Mannschaft hat ihre Ausrichtung. Ich würd' am liebsten spielen wie der Guardiola. Aber auch wir müssen uns unseren Möglichkeiten anpassen. Und ja, definitiv. Die gegnerischen Mannschaften haben uns oft geradezu eingeladen und haben auf Höhe der Mittellinie verteidigt. Da muss ich nicht lange mit fünf Doppelpässen durchs Mittelfeld kombinieren, da reicht ein langer Ball in die Spitze. So haben wir wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden. Wir sind keine schlechte Mannschaft, aber wir müssen uns - wie gesagt - unseren Möglichkeiten anpassen. Und mit vielen Mannschaften, die sieben-, achtmal pro Woche können wir uns in dieser Hinsicht nicht messen. Wir spielen nicht den Spielstil, der gerade "in" ist. Modern ist für mich, was erfolgreich ist. Wir spielen auch mit acht Verteidigern, wenn wir mit dieser Taktik gewinnen.

Stecher: »Ich hab`s mir etwas leichter vorgestellt.«

Flo, du warst über Jahre der personifizierte SVS, hast Tore am Fließband geschossen. Nach deinem Karriereende im Sommer wurdest du als Teammanager installiert. Wie gefällt dir deine neue Rolle?
Florian Stecher: Der Wechsel vom Feld an die Seitenlinie ist mir aufgrund meiner Verletzung nicht sehr schwer gefallen. Ich hab's mir aber insgesamt etwas leichter vorgestellt, weil ich aktuell vielleicht noch zu sehr das Sportliche sehe. Aber meine neue Aufgabe macht mir viel Spaß. Ich bin immer noch drei- bis viermal die Woche am Trainingsplatz, bin nach wie vor sehr eng an der Mannschaft dran und sehe mich auch als Art Sprachrohr zwischen Team und Vereinsführung.

21 Spiele, 26 Punkte, vier Punkte Vorsprung auf den ersten Relegationsrang, das Nachholheimspiel gegen Memmingen in der Hinterhand. Wie zufrieden ist man mit Platz elf im Lager des SVS?
Mario Tanzer (39): Den Umständen entsprechend zufrieden. Wir haben zwar fünf Zähler mehr als vor einem Jahr und zwischendrin hatten wir eine Superserie. Hätten wir die Serie nicht gehabt, wären wir jetzt in einer extrem schwierigen Situation. Mitte Oktober sah es noch extrem gut für uns aus. Die Tabelle hat uns ein wenig geblendet, als wir Fünfter oder Sechster waren. Es ist zwar jetzt ein leichter Abwärtstrend erkennbar. Auf Platz elf sind wir aber immer noch voll im Soll.

Es kamen ja auch einige Verletzungssorgen dazu...
Mario Tanzer: Das war gar nicht so sehr das Problem. Der springende Punkt war, dass vor unserer Serie viele Teams nach Schalding gekommen sind, mit einem Unentschieden nicht zufrieden waren und zu viel wollten. Dadurch haben sie sich den einen oder anderen Konter eingefangen und dadurch ist unsere Serie erst möglich geworden. Schlechter lief es ja erst, als sich die Teams auf unsere Spielweise eingestellt hatten.

Pillmeier: »Schwer, die Flüssigkeit aus dem Sprunggelenk rauszubekommen.«

Michael, seit dem Match bei den Bayern im Grünwalder bist du außer Gefecht. Wie geht`s dir? Warum ist die Verletzung so hartnäckig?
Michael Pillmeier (26): Mir geht es soweit ganz gut, ich habe im Alltag keine Schmerzen mehr. Allerdings verläuft der Heilungsverlauf doch eher schleppend. Ich bin in der Woche zwei- bis dreimal in Behandlung. Es ist sehr schwer, die Flüssigkeit aus dem Sprunggelenk rauszubekommen, das dauert seine Zeit. Ich würde gern mal einfach wieder laufen. Momentan sitz' ich seit sechs Wochen quasi nur zuhause rum.

Aber du wirst du beschwerdefrei in die Vorbereitung einsteigen können?
Michael Pillmeier: Ich bin guter Dinge, dass ich im Frühjahr ganz normal in die Vorbereitung einsteigen kann. Ich kann mich derzeit aber nur durch Radfahren im Fitnessstudio fithalten. Ich werde mir bis zum 1. Januar Zeit geben, dann möchte ich wieder mit dem Lauftraining beginnen.

Clemens: »Wenn wir am letzten Spieltag einen Platz über dem Strich stehen, haben wir alles richtig gemacht.«

Ausschlaggebend fürs Abrutschen in der Tabelle waren die unglückliche Heimniederlage gegen die Kickers und die mindestens genauso ärgerliche beim SV Wacker. Wir schwer liegen diese Pleiten im Magen? Eure Ausgangsposition zur Winterpause wäre sonst bedeutend besser gewesen.
Markus Clemens: Wir waren und sind nicht so vermessen zu glauben, dass wir das ganze Jahr auf Platz fünf rumtanzen können. Unser Anspruch ist einzig und allein der Klassenerhalt, und wenn wir am letzten Spieltag einen Platz über dem Strich stehen, haben wir alles richtig gemacht. Zudem muss man bedenken, dass uns die ganze Offensive weggebrochen ist: kein Pillmeier, kein Eibl, kein Mader. Gallmaier ist erst wieder langsam im Kommen nach seinem Kreuzbandriss. Fabian Wiesmaier, der eine tolle Vorrunde gespielt hat, ist zuletzt nachvollziehbarerweise in ein Leistungsloch gefallen. Wir haben drei, vier Wochen ohne Stürmer spielen müssen. Und ich bin mir sicher, dass wir mit einer fitten Offensivreihe die Spiele gegen Würzburg und gegen Burghausen gewonnen hätten.



Florian Stecher (v.li.), Markus Clemens, Michael Pillmeier und Mario Tanzer beim FuPa-Jahresinterview. F: Meier


Der Großteil der Regionalliga-Klubs nimmt viel Geld in die Hand. Viele Vereine arbeiten unter Profibedingungen. Ist es für den SVS überhaupt auf Dauer möglich, in dieser Eliteliga mitzumischen?
Markus Clemens: Wir wissen, dass wir kein Dauerabo für die Regionalliga haben. Wir müssen jedes Jahr knallhart dafür arbeiten, um in dieser tollen Liga bestehen zu können. Aber unsere Bereitschaft dazu besteht zu 100 Prozent. Und wenn ich sehe, wie hart zum Beispiel ein Michi Pillmeier an sich arbeitet, um besser zu werden, macht mich das sehr zuversichtlich.

Aber wenn man auch nur einmal zehn Prozent weniger investiert, reicht es gegen die hochklassige Regionalligakonkurrenz nicht mehr.
Markus Clemens: Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, sowohl für die Spieler, als auch für den gesamten Verein. Wir haben hier am Reuthinger Weg nicht die Strukturen zu sagen, wir spielen die nächsten 15 Jahre definitiv in der Regionalliga. Aber wichtig für uns ist auch: wir spüren den Rückhalt in der Region.

Schalding in der Regionalliga: »Ein Ritt auf der Rasierklinge.«

A propos Rückhalt: Bis vor kurzem war der SVS nicht gerade als Zuschauerhochburg bekannt. Mittlerweile seid ihr bei einem Schnitt von 940 Fans pro Heimspiel angelangt, zudem steht noch das zugkräftige Match gegen Bayern II an. Wie wichtig ist auch für Trainer und Mannschaft, dass die Regionalliga in der Region angenommen wird, und dass die Bühne Vierte Liga eine große Anziehungskraft entwickelt hat?
Mario Tanzer: Super, keine Frage. Man muss sich nur mal unsere Bilanz ansehen: Wir haben 2014 in der Liga und im Pokal insgesamt nur drei Heimspiele verloren. Es motiviert meine Spieler ungemein, wenn zuhause immer die Bude voll ist. Das ist aber gleichzeitig auch problematisch: zuhause sind wir extrem motiviert und fokussiert, wenn aber auswärts nicht so viele Zuschauer kommen, ist schon auffällig, dass mental ein paar Prozent fehlen. Und dass die Regionalliga in der Region mittlerweile so angenommen wird, ist auch eine Bestätigung unserer Leistung.

Das Interview führten Mathias Willmerdinger, Thomas Seidl und Sebastian Ziegert.



In Teil zwei des Schalding-Jahresrückblicks lest ihr, welche Rolle die neuen Medien in der Regionalliga.-Spielvorbereitung spielen und wie der SV Schalding die Restrückrunde angehen möchte, um das große Ziel, den Regionalliga-Klassenerhalt, erneut zu erreichen.


Aufrufe: 020.12.2014, 10:42 Uhr
T. Seidl / M. Willmerdinger / S. ZiegertAutor