2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Farbenfrohe Schuhe gehören auf den Fußballplätzen längst zum alltäglichen Bild., Foto: Küpper
Farbenfrohe Schuhe gehören auf den Fußballplätzen längst zum alltäglichen Bild., Foto: Küpper

Wenn der Platz zum Laufsteg wird

Schlichte Modelle sind schon längst nicht mehr im Trend - Immer mehr Sportler tragen bunte Fußballschuhe

Was ist nur aus den guten alten Fußballschuhen geworden? Schön sind sie irgendwie ja immer noch, aber eben selten nur noch schwarz. Und die Namen der Modelle muten futuristisch an. Sie heißen heute nicht mehr „Beckenbauer” oder „Bernabéu”, sondern klingen wie Waffen des Raumschiffs Enterprise: „Mercurial Vapor III” oder „T90 Laser IV KL” zum Beispiel.

Quietschbunt sind die Treter obendrein. Von den deutschen Nationalspielern trägt schon längst keiner mehr Schwarz. „Color-Blocking” nennt sich dieser Trend. Grelle Töne wie Neon-Rot, Giftgrün oder Pink sind der Renner. Und weil es die Profis als Aushängeschilder der großen Hersteller vormachen, werden auch in den Amateurklassen des Fußballkreises Euskirchen die Sportplätze mehr und mehr zum Laufsteg.

„Die Materialien sind zwar leichter als früher, aber auch strapazierfähiger. Da die Schuhe gut anliegen, sind sie insgesamt bequemer zu tragen”, sagt Dominik Brausch, der zurzeit beste Torschütze der Euskirchener Kreisliga A. Der Stürmer des SSV Lommersum baut selbst auf die modernen Modelle. Dadurch habe man ein besseres Ballgefühl und erreiche mitunter — korrekte Technik vorausgesetzt — auch eine höhere Schussgeschwindigkeit. Das Fußbett sei stabiler, die Form gebe nicht so leicht nach.

Nicht nur farblich haben sich die Schuhe verändert. „Neben dem Design sind inzwischen vor allem Gewicht und Material anders”, erklärt der Sporthändler Jürgen Nagelschmidt. Zum Vergleich: Der „Copa Mundial”, der seit 1979 hergestellt wird, ist laut Hersteller-Angaben zu 100 Prozent aus Känguru-Leder und wiegt pro Schuh fast 300 Gramm. So schwer sind beim neueren Modell „F50 Adizero” beide Synthetik-Treter zusammen. „Viele Jugendspieler geben inzwischen bis zu 180 Euro und mehr für einen bunten Schuh aus”, erzählt Nagelschmidt, der auch einige Fußballer und Teams aus dem Kreis ausstattet. „Je bunter, desto doller”, laute das Motto, wie Nagelschmidt auch im Austausch mit anderen Händlern erfuhr.

Nicht durchgesetzt haben sich seiner Beobachtung zufolge intelligente Treter mit integriertem Chip, zum Beispiel zur Aufzeichnung der Laufstrecke. „Die Idee ist nicht schlecht, aber ein Amateursportler ist nicht bereit, 230 Euro und mehr für ein paar Schuhe auszugeben.”

Den meisten Trainern wäre es lieber, die Akteure auf dem Platz kämen mal wieder zum Wesentlichen zurück: zum Fußballspiel und nicht zur Schuhmode. Ralph Baum, Coach des Kreisliga-A-Tabellenführers SSV Lommersum, sagt: „Viele besitzen nur noch Nockenschuhe. Aber gerade bei Regen will ich, dass jeder mit einem ordentlichen Stollenschuh spielt, gerade bei tiefen Rasenplätzen. Vor allem muss die Abwehrreihe stabil stehen und nicht jedes Mal ausrutschen. Der Schuh alleine schießt keine Freistöße rein. Obwohl viele es wohl meinen, aber man kauft sich damit keine fußballerische Qualität ein.” Dass bunte Treter in den gegnerischen Reihen mitunter missfallen, weiß Baum aus seiner Zeit als Spieler: „Man fühlte sich von bunten Schuhen geblendet und provoziert.”

Schuh bleibt Schuh

Und was sagt ein Sportarzt zur Entwicklung der Fußballschuhe? Das Verletzungsrisiko sei durch die Veränderung des Materials weder gesunken noch gestiegen, meint der Kaller Mediziner Dr. Karl Peter Schumacher. „Schuh bleibt letztlich Schuh. Am meisten gefährdet ist eh das Sprunggelenk. Und das ist weiterhin ungeschützt und kann auch nicht geschützt werden.”

Der Vor- und der Mittelfuß seien ähnlich geschützt wie früher. „Es sind nach wie vor die brutaleren Fouls, die zu Verletzungen führen”, sagt Schumacher. Aus orthopädischer Sicht empfiehlt er, die Schuhe vor dem Kauf unbedingt anzuprobieren und sie auf die ganz persönlichen Bedürfnisse abzustimmen. „Die Haltbarkeit hat sich durch die Materialien erhöht. Die Schuhe sind atmungsaktiver, die Sohlenausstattung ist besser. So ist der Fuß weniger anfällig für Blasen und Schrunden.”

Dennoch, Fußballschuhvirtuosen wissen es ohnehin: Es gibt trotz aller technischer Fortschritte, Neuerungen und Farbvielfalt wohl keinen besseren Schuh als den schwarzen „Copa” — und bei Regen trägt man den „Kaiser 5” mit Stollen.

Aufrufe: 022.12.2014, 14:30 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Franz KüpperAutor