2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Seit eineinhalb Jahren Trainer beim TSV 1860 Weißen­burg: Oliver Wellert aus Roth. F: Mühling
Seit eineinhalb Jahren Trainer beim TSV 1860 Weißen­burg: Oliver Wellert aus Roth. F: Mühling

Wellert: "Wir setzen und bauen auf die Jugend"

Der Trainer des TSV 1860 Weißenburg im Interview +++ Coach bittet um Geduld mit seinem Bezirksliga-Team +++ Kritik an unterschiedlichen Saisonzeiten von Bezirk und Kreis

Seit Anfang 2015 ist Oliver Wellert Trainer des TSV 1860. Seine bisherigen eineinhalb Jahre in Weißenburg waren vor allem durch den zweimaligen Abstiegskampf ge­prägt. Heuer hoffen der 45-jährige Rother und sein Team auf eine sorgen­freiere Saison – auch im Hinblick auf Verletzungen.Während auf Kreisebene erst am 20./21.August der Startschuss fällt, spielt die Bezirksliga 2 bereits seit Mitte Juli um Punkte.

Einmal abgesehen von den Ergeb­nissen in den ersten vier Punktspielen: Wie sehen Sie den Kader der neuen Spielzeit und was sind Ihre Eindrücke vom Training?

Wellert: Unser Kader hat sich durch die Neuzugänge und die Spieler aus der eigenen U19 verbessert und ist breiter geworden. Auch deshalb legen wir ganz großen Wert auf die Einheit von erster und zweiter Mannschaft. Letztere heißt bei uns nur noch U23. Wir trainieren gemeinsam und haben dadurch auch im Training ein hohes Niveau. Die Grenzen sollen ver­schwimmen. Wir wollen die U23 ganz nah an die „Erste“ heranführen. Unser Ziel ist eine große Mannschaft, aus der wir dann für die Spieltage zwei Teams bilden.

Erschwert wird das Ganze aber durch den Zeitfaktor. Der Fußball auf Bezirks- und Kreisebene beginnt und endet zu unterschiedlichen Terminen. Wenn Ihr Trainerkollege Christoph Jäger mit seiner U23 am 21. August in die neue A-Klassen-Saison startet, bestreiten Sie mit der „Ersten“ bereits den achten Bezirksliga-Spieltag. Da passt doch einiges nicht mehr zusam­men, oder?

Wellert: Das stimmt mich alles nachdenklich. Ich weiß nicht, wo das hinführen soll. Das wird doch alles auf dem Rücken der Vereine und letztendlich der Spieler ausge­tragen. Bei uns zum Beispiel war am 10. Juni Start in die Bezirksliga-Vorbereitung, und am gleichen Wochenende hatte unsere A-Klassen-Mannschaft ihren letzten Spieltag in der A-Klasse.

Was sind die Nachteile in der Praxis?

Wellert: Das fängt damit an, dass wir in der Vorbereitung kein Spiel gegen unterklassige Gegner machen können. Wenn wir mit den Punktspielen in der Bezirksliga starten, geht im Kreis gerade mal die Vorbe­reitung los. Wir würden gerne gegen Nachbarvereine wie zum Beispiel Ellingen oder Wettelsheim spielen, das ist aber nicht möglich. Wir konn­ten auch nicht mit unserer „Ersten“ an der Stadtmeister­schaft teilnehmen, weil wir am gleichen Wochenende schon in der Bezirksliga ranmussten. In der sogenannten Sommer­pause bleiben gerade mal zwei fußballfreie Wochenenden. Wer sich so etwas einfallen lässt, kann selber kaum län­gere Zeit Fußball gespielt haben. Eine Regeneration bzw. ein Abschalten vom Fußball ist kaum möglich. Wir sprechen hier immer noch von Amateu­ren. Da pausieren selbst Profis deut­lich länger.

Noch schlimmer sind die Aufsteiger aus der Kreisliga dran.

Wellert: Das stimmt, da haben wir es ja sogar noch gut erwischt. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass Heng und Marienstein am 12. Juni ihr letztes Saisonspiel in der Kreisliga hatten und fünf Wochen später bereits das erste Match in der Bezirksliga, dann muss ich feststellen, dass es einfach nicht mehr zusammen­passt. Noch schlimmer sind die Rele­gationsteilnehmer dran: Unser Nach­barverein FC/DJK Weißenburg und Großschwarzenlohe haben das in den vergangenen zwei Jahren erlebt.

Beide sind prompt wieder abgestiegen.

Wellert: Ja, es ist sehr schwer, sich ohne eine ver­nünftige Pause und eine gute Vorbereitung in der Bezirks­liga zu halten. Das grenzt an Wettbewerbsverzerrung. Und wenn ich dann noch sehe, dass heuer in einer Liga mit 18 Mannschaften allein bis zur Winterpause 22 Punktspiele geplant sind, dann muss ich sagen, das ist ein schlechter Weg. Ich würde mir wünschen, dass sich Trainer und die Ver­antwortlichen vom Verband an einen Tisch setzen. Mir ist be­wusst, welchen schwierigen Job der Verband mit der Pla­nung von Spielklassen und Terminen verrichtet und habe für viele Entscheidungen und Umstände Verständnis. Aller­dings wird es langsam Zeit, auch die Trainer einmal anzu­hören, die letztendlich mit den Entscheidungen umgehen müssen.

Unabhängig davon scheint der TSV 1860 selbst auf einem guten Weg zu sein. Es ist kaum jemand weggegangen, statt­dessen gab es mehrere Neuzu­gänge und Rückkehrer sowie etliche Spieler aus der eigenen U19.

Wellert: Das Team verändert jedes Jahr sein Bild. Ich freue mich über die hervorragende Jugendarbeit hier in Weißenburg. Es kommen viele junge Spieler nach und es sind einige große Talente dabei. Genau deshalb muss man aber auch die Kirche im Dorf lassen. Wir setzen und bauen auf die Jugend. Diese Spieler ein­zubauen, braucht eine gewisse Zeit, und man muss Geduld haben, vor allem im Umfeld. Am vergangenen Samstag bestritten wir die letzten 25 Minuten gegen Marienstein mit einem Durchschnittsalter von knapp 22 Jahren. Sieben der elf Spieler waren 23 Jahre und jünger, vier gar erst 19 Jahre. Eine Konstellation, die kein anderer Bezirksligist aufweisen kann.

Nimmt man die personelle Entwick­lung, die famose Rückrunde der ver­gangenen Saison und den abschließen­den sechsten Rang, dann ist es nicht verwunderlich, dass der TSV 1860 teil­weise sogar als Mitfavorit auf den Titel genannt wurde.

Wellert: Ich denke, wir sollten lieber auf dem Boden bleiben. Vom sechsten Platz und dem Prädikat zweitbeste Rückrundenmannschaft können wir uns nichts kaufen. Unser Ziel sollte es sein, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben und so schnell wie möglich die nötigen Punkte zu sammeln. Alles an­dere ist noch Wunschdenken. Was eine Klasse höher abgeht, mussten wir im ersten Saisonspiel erleben. Um irgend­wann das Ziel „Landesliga“ auszuge­ben, müssen sich Mannschaft und Um­feld noch weiter entwickeln.

Damit es nicht wieder einer Aufhol­jagd nach der Winterpause bedarf, wie in den vergangenen beiden Jahren?

Wellert: Ja genau! Wir müssen ver­suchen, schon in der Vorrunde Kon­stanz reinzubringen und fleißig zu punkten.

Aufrufe: 02.8.2016, 16:33 Uhr
Uwe Mühling (WT)Autor