2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview

"Warum sollte Marek Mintal mich denn nerven?"

Club-Nachwuchstrainer Pellegrino Matarazzo über das U19-Derby, seinen prominenten Co-Trainer und Maradonas Napoli

Am Samstag treten die Matarazzo-Schützlinge die kurze Reise nach Fürth zum Derby gegen die Spielvereinigung (11 Uhr) an. Während sich der Club im Abstiegskampf auf dem vorletzten Tabellenplatz befindet, steht das Kleeblatt vor dem letzten Hinrundenspiel auf Platz fünf. Zwischen den beiden Partien haben wir ausführlich mit Matarazzo, der seit 2006 beim Club ist und im dritten Jahr die U19 trainiert, gesprochen.

Herr Matarazzo, vergangenes Wochenende hat ihr Team einen wichtigen 2:1-Sieg gegen Stuttgart gefeiert. Kurz vor Schluss vergab der VfB noch einen Elfmeter. Ein glücklicher Sieg?

Pellegrino Matarazzo: Was heißt glücklich? Wir haben uns die drei Punkte erarbeitet. Wir haben in den vergangenen Wochen viel investiert im Training, aber manchmal haben die letzten Prozente gefehlt. Gegen den VfB war das nicht so. Jeder hat sich reingehauen. Stuttgart hat viel Druck gemacht, aber wir sind kompakt gestanden. Wir hatten immer einen Fuß dazwischen, haben unsere Körper dazwischen geworfen und deswegen glaube ich nicht, dass es mit Glück zu tun hatte. Unser Engagement war auf jeden Fall sehr positiv.

Elf Punkte aus zwölf Spielen, Vorletzter in der Tabelle. Wie sind Sie bisher mit der Hinrunde zufrieden?

Matarazzo: Natürlich sind wir nicht zufrieden, die Ergebnisse spiegeln aber auch nicht unsere Leistung in der Vorrunde wider. Insgesamt haben wir es verpasst, in Spielen, in denen die Leistung gestimmt hat, unsere Punkte zu holen. Es waren auch verdiente Niederlagen dabei, fünf Unentschieden sind aber zu viel für die Liga.

Woran liegt es denn? Wo sehen Sie Probleme?

Matarazzo: Ich spreche lieber von Entwicklungspotenzial. Wir wollen noch kompakter und stabiler verteidigen. Im Offensivspiel müssen wir noch präziser und zielstrebiger zum gegnerischen Tor kommen. Um unser Maximum an Potential abzurufen und Erfolge zu holen, muss jeder Einzelne aber an seine Leistungsgrenze gehen.

Heute kommen Talente immer früher in den Profi-Bereich. Oft schon als 17- oder 18-Jährige. Genau ihr Team also. Sehen Sie da irgendjemanden auf dem Sprung?

Matarazzo: Es gibt mehrere Spieler, die das Potenzial haben, aber die müssen sich noch weiterentwickeln. Da möchte ich aber niemanden hervorheben. Der Prozess wird auch durch Mannschaftserfolg beschleunigt, von dem wir zuletzt leider nicht allzu viel hatten.

Findet zwischen Ihnen und Alois Schwartz ein regelmäßiger Austausch statt?

Matarazzo: Ja, wir treffen uns in einer wöchentlich stattfindenden Trainersitzung. Der Austausch findet nicht nur mit Alois, sondern mit dem gesamten Trainerteam der Profis und den Leistungstrainern des NLZ statt.

"Müssen es mit Leben füllen"

Wie sehen Sie den Club im Vergleich zu anderen Nachwuchsleistungszentren (NLZ) aufgestellt?

Matarazzo: Wir arbeiten akribisch an der Verbesserung unserer Talente. Die Infrastruktur und die Trainingsmöglichkeiten sind sowieso überragend. Auch das neue Gebäude ist auf einem sehr gutem Niveau. Wir haben zehn Plätze und einen beheizten Rasenplatz, auf dem wir im Winter spielen können. Die Voraussetzungen sind sehr gut, aber das muss man immer mit Leben füllen.

Sie sind in Amerika geboren und aufgewachsen. Dort konkurriert Fußball mit populäreren Sportarten wie Baseball oder Football. Wie sind Sie da überhaupt auf „Soccer“ gekommen?

Matarazzo: Man denkt noch, dass Fußball nicht beliebt ist. Aber mittlerweile ist das die Sportart, die von den meisten Kindern gespielt wird. Es liegt viel mehr Fokus auf Fußball, auch die MLS (die amerikanische Liga; Anm. d. Red.) entwickelt sich sehr schnell. Aber damals, als ich noch klein war, hatte Fußball keinen hohen Stellenwert. Meine Leidenschaft kommt daher, dass meine Eltern Italiener sind. Ich habe jeden Sonntag mit meinem Papa die Serie A im Fernsehen geschaut. Meistens haben wir die Spiele von Napoli, damals noch mit Maradona, angeschaut. So hat sich dann die Leidenschaft von meinen Eltern auf mich übertragen.

Wie sind Sie dann auf die Idee gekommen, für den Fußball nach Deutschland zu ziehen?

Matarazzo: Nach meiner Unizeit in den USA hat mich ein Scout gesehen und wollte mich nach Deutschland schicken. Das traf sich perfekt, weil ich in Europa Fußball spielen wollte. Für mich kamen damals Italien, England und Deutschland in Frage. Ich habe ein Probetraining gemacht und angefangen, in Bad Kreuznach zu spielen. Dort war ich ein Jahr in der 4. Liga aktiv und bin dann zum SV Wehen in die 3. Liga.

Wie kam es zu Ihrem Wechsel an die Seitenlinie?

Matarazzo: Im Jahr 2006 hatte ich mich eigentlich schon entschieden, zurück nach Amerika zu fliegen. Über Dieter Nüssing bin ich dann aber zum Club gekommen mit der Aussicht, meine Karriere als Fußballspieler zu beenden und meine Trainerkarriere zu starten. Ich durfte noch als aktiver Spieler bei der U23 meine Trainerlizenzen erwerben und bekam die Chance, direkt nach meiner Spielerkarriere als Co-Trainer der U23 unter René Müller zu arbeiten. Da habe ich viel gelernt und gemerkt, dass mir der Job sehr viel Spaß macht.

Viele unterscheiden zwischen Ballbesitz-Fußball á la Pep Guardiola oder Balleroberungsfußball á la Jürgen Klopp. In welcher der beiden Stilrichtungen sehen Sie sich?

Matarazzo: Ich möchte Matarazzo-Fußball spielen beziehungsweise 1. FC Nürnberg-Fußball. Fußball ist aber ein Ergebnissport, und deshalb wird mein Spielstil immer von den Fähigkeiten der Spieler beeinflusst. Ich versuche unser Spiel an unsere Spieler anzupassen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die Spiele zu gewinnen. Wir sind nicht Bayern München, das die Spieler einfach kaufen kann, um ihre Spielidee umzusetzen. Eine gesunde Vielseitigkeit, Kreativität und logisches Denkvermögen sind hierbei von Vorteil.

Julian Nagelsmann, Trainer bei der TSG Hoffenheim, sagte einmal: Trainerarbeit besteht nur zu 30 Prozent aus Taktik — und zu 70 Prozent aus Sozialkompetenz. Sehen Sie das genauso?

Matarazzo: Ich finde, dass es sehr wichtig ist, die Spieler zu erreichen. Aber ich glaube auch, dass das bei den Profis noch wichtiger ist als im Jugendbereich. In der Jugend hat jeder seinen Traum vor Augen. Die Spieler sind sehr willig, die taktischen Vorgaben umzusetzen. Trotzdem ist Sozialkompetenz entscheidend. Wenn ein Spieler sich nicht wohl fühlt, seine Rolle in der Mannschaft nicht versteht, kann er keine Leistung bringen.

"Ich bin kein Kumpeltyp"

Wie versuchen Sie, ihr Team zu führen?

Matarazzo: Ich bin kein Kumpeltyp, aber ich bin ein kommunikativer Trainer. Ich versuche immer, meine Spieler mitzunehmen. Sie sollen verstehen, warum wir etwas machen. Dadurch ist es leichter, sie zu motivieren und sie gewinnen an Spielintelligenz. Ich führe viele individuelle Gespräche, bin aber auch in der Lage, mal härter zu sein und meine Linie konsequent durchzuziehen.

Wie teilen Sie sich die Aufgaben mit ihrem Co-Trainer Marek Mintal auf?

Matarazzo: Marek ist natürlich eine Legende hier beim Club und seine Präsenz in der Mannschaft tut uns einfach gut. Wenn er etwas sagt, dann spricht er aus jahrelanger Erfahrung. Und das ist sehr wertvoll für uns. Natürlich hat er seine Aufgaben, die auf seine Stärken abgestimmt sind.

Also trainiert er die Stürmer?

Matarazzo: Wenn wir Individualtraining haben, übernimmt er die Offensive anhand ihrer Schwerpunkte und ich eher die defensiven Spieler. Aber ich würde es trotzdem nicht klar trennen, weil wir uns beide mit allem beschäftigen.

Nervt es Sie manchmal, dass Sie einen prominenten Co-Trainer haben?

Matarazzo: Nein, überhaupt nicht. Warum sollte es mich nerven? Ich finde das schön. Marek ist auch ein Typ, dem man diese Aufmerksamkeit und den Erfolg gönnt, weil er einfach ein Super–Mensch ist. Ein Profi, der auf dem Boden geblieben ist, was nicht selbstverständlich ist.

Welche Ziele haben Sie für diese Saison mit der U 19?

Matarazzo: Nur der Klassenerhalt kann das Ziel sein. Schon vor der Saison haben wir das gesagt, es liegt also nicht an der aktuellen Lage. Wir schätzen unseren Kader richtig ein und brauchen aktuell vom oberen Tabellendrittel nicht zu träumen, auch wenn die Liga sehr ausgeglichen ist. Wie in jeder NLZ-Mannschaft geht es darum, die Spieler bestmöglich zu entwickeln und für höhere Aufgaben vorzubereiten. Und wenn der ein oder andere den Sprung zu den Profis schafft, ist das umso schöner.

Wie viel Zeit stecken Sie insgesamt in ihre Arbeit als U 19-Trainer?

Matarazzo: Es ist mehr als ein Vollzeitjob. Ein Fußballtrainer kann leider selten abschalten — besonders in unserer Situation. Man denkt immer an das nächste Gespräch, das nächste Training oder das nächste Spiel. Es ist wichtig für jeden Trainer, Möglichkeiten zu finden, um Abstand und Ruhe zu gewinnen. Wenn man das nicht schafft, kann man diesen Job nicht langfristig ausüben.

Was machen Sie, um abzuschalten?

Matarazzo: Ich habe meine Familie hier in Nürnberg. Ich verbringe gerne Zeit mit meinem Sohn und tauche in seine Welt ein. Außerdem gehe ich gerne joggen — mindestens zweimal die Woche und an der frischen Luft.

Die ersten Früchte ihrer Arbeit sieht man schon heute im Kader der Profis: Patrick Kammerbauer zum Beispiel ist im Kader der Profis und durfte vor kurzem im DFB-Pokal gegen Schalke 20 Minuten spielen. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Matarazzo: Ich habe Patrick zwei Jahre lang im Team gehabt. Es ist schön zu sehen, wie er sich in die Aufgabe reinbeißt und die nächsten Schritte macht. Bei ihm war mir klar, dass er in der ersten Mannschaft ankommt. Er hat großes Talent.

Und sein Zwillingsbruder David, der mittlerweile nach Siegen gewechselt ist?

Matarazzo: David ist auch ein guter Junge. Ich denke, es ist schwierig, der Zwilling zu sein, wenn der Bruder größere Schritte macht. Letztlich hat sich David aber selbst gegen den Weg beim Club entschieden.

Ihre Eltern sind gebürtige Italiener, denen man — vor allem im Zusammenhang mit Fußball — ein aufbrausendes Temperament bescheinigt. Kommt manchmal der Italiener in Ihnen durch?

Matarazzo: Das hat man vielleicht im Spiel gegen Stuttgart gut gesehen. Beim Elfmeter gegen den VfB habe ich ein, zwei Sätze gesagt, die nicht so passend waren. Aber ich habe mich danach sofort beim Schiri entschuldigt. In der Regel habe ich mein Temperament aber ganz gut unter Kontrolle.

Aufrufe: 026.11.2016, 08:02 Uhr
Bastian Mühling (NN)Autor