2024-04-24T13:20:38.835Z

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Von der Struktur der Fifa mit 211 Mitgliedern in sechs Kontinentalverbänden (Foto) bis zu politischen und sozialen Problemen rund um WM-Turniere reichte das Themenspektrum von Alexander Koch an der Uni Bayreuth. Foto: Alex Müller
Von der Struktur der Fifa mit 211 Mitgliedern in sechs Kontinentalverbänden (Foto) bis zu politischen und sozialen Problemen rund um WM-Turniere reichte das Themenspektrum von Alexander Koch an der Uni Bayreuth. Foto: Alex Müller

Warum niemand 100 Millionen Dollar will

Und warum WM gut für Arbeiter in Katar ist: Fifa-Sprecher Alexander Koch gibt an Uni überraschende Einblicke

Alexander Koch hatte es in letzter Zeit nicht leicht. Als „Corporate Communication Manager“ (stellvertretender Kommunikationschef) am Sitz der Fifa in Zürich musste er den skandalträchtigen Weltverband oft zu unangenehmen Themen gegenüber den Medien vertreten. In Talkshows von Plasberg bis Jauch hatte der 48-jährige gebürtige Bremer mit Schweizer Staatsbürgerschaft nicht immer einen leichten Stand, beispielsweise als „der Deutsche, der Blatter verteidigt“ (Bild-Zeitung). Das hindert ihn aber offenbar nicht daran, auch vor kleinem Publikum wie einem paar Dutzend Bayreuther Studenten beim „Kaminabend“ der Sport Management Academy Bayreuth freundlich, auskunftsfreudig und durchaus selbstkritisch aufzutreten.

Bemerkenswert war etwa seine provokante These zu den schlechten Arbeitsbedingungen an den Baustellen für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar: „Wer als Gastarbeiter in Katar an den WM-Stadien arbeitet, hat das große Los gezogen.“ Die Begründung: „Da schauen die Journalisten nämlich drauf. Es ist dem Mediendruck zu verdanken, dass sich etwas zum Besseren verändert.“ Davon profitiere auf lange Sicht auch der weitaus größere übrige Teil der Gastarbeiter im Land. „Ich habe aber Zweifel, ob das aus Überzeugung passiert“, gesteht Koch. Oft werde nämlich bei der Kritik übersehen, dass nicht die Fifa selbst dort baut und damit die Bedingungen bestimmt, sondern Unternehmen – nicht zuletzt aus Deutschland: „Die machen das Geschäft, nehmen sich aber aus der Verantwortung, weil sie ja formell keinen Arbeitnehmer vor Ort haben, sondern Subunternehmen aus Nepal oder so.“

Probleme mit dem wirtschaftlichen und politischen Willen vor Ort beschrieb der Fifa-Sprecher auch im Zusammenhang mit den sozialen Nebeneffekten von WM-Turnieren. So sei den beiden letzten Gastgeberländern Brasilien und zuvor Südafrika jeweils ein Betrag von 100 Millionen Dollar für begleitende soziale Fußballprojekte zur Verfügung gestellt worden, doch man müsse dieses Geld den Verantwortlichen dort regelrecht aufdrängen: „Südafrika hat 18 Monate gebraucht, um einen ersten Antrag zu stellen, und Brasilien macht bisher überhaupt nichts damit.“ Seine persönliche Erklärung dafür ist alles andere als diplomatisch: „Es gibt kein Interesse an dem Geld, weil seine Freigabe an verschiedene Unterschriften gebunden ist – ähnlich wie in einer Stiftung. Sie können es also nicht einfach unter ihren Familien verteilen.“ Brasilien fordere nun für die Einführung der 100 Millionen eine Steuer von 46 Prozent: „Und der Rest soll nur an brasilianische Unternehmen gehen, die beim Bau von Fußballplätzen für Kinder doppelt so teuer sind, wie argentinische“, ergänzt Koch. „Und warum sind sie doppelt so teuer: Weil auch dabei noch rechts und links etwas für die Politik abfällt.“

Ganz aktuell äußerte sich Koch auch ausführlich zur Fifa-Entscheidung, die WM-Endrunde ab dem Jahr 2026 von 32 auf 48 Mannschaften auszuweiten. Die Stimmen der Studenten dazu waren überwiegend positiv, vor allem mit Blick auf die kleinen Nationen („vergleichbar den kleinen Vereinen im DFB-Pokal“; keine reine Entwicklungshilfe, sondern auch zusätzliche Vermarktungsplattform, „beispielsweise für Borussia Dortmund in Vanuatu“). So musste Koch die meisten kritischen Aspekte selbst nennen, um dazu Stellung zu beziehen. Sein Hauptpunkt: „Die Infrastruktur für 48 Teams wird eine große Herausforderung.“ Dabei verwies er schmunzelnd darauf, dass auch die Verteilung auf mehrere Länder keine sichere Lösung sein müsse: „Für 2026 sind ja USA und Mexiko angedacht – und da könnte bis dahin eine Mauer dazwischen sein.“ Das Problem eines sportlichen Niveauverlustes sieht er eher in der Qualifikation: „Die wird an Bedeutung verlieren. Da kann ich auch eher verstehen, wenn sich die großen Verbände beschweren, denn diese Spiele können sie selbst vermarkten.“

„Überraschend wenig Faktenkenntnis selbst in hohen Kreisen“ betrachtet Koch als Ursache des Vorwurfs, der Weltverband wolle sich mit der Ausweitung zulasten der kleinen Verbände bereichern: „Jeder WM-Teilnehmer muss genau 0,0 Cent investieren.“ Die Fifa zahle vielmehr pro Team 1,5 Millionen für die Vorbereitung, weitere acht Millionen für die nach der Vorrunde ausgeschiedenen Mannschaften sowie Businessclass-Flüge für jeweils 50 Personen. Togo habe 2006 in Deutschland ein billigeres Quartier gefunden und das gesparte Geld bar ausgezahlt bekommen: „Wenn aber die Deutschen in Brasilien 2,5 Millionen investieren, um ein Fünf-Sterne-Hotel nach ihren Wünschen umzubauen, dann ist das nicht gedeckt.“

Aufrufe: 016.1.2017, 11:54 Uhr
Steffen BerghammerAutor