2024-05-10T08:19:16.237Z

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Wahnsinn, unglaublich, umwerfend

Christoph Ziegler, Torhüter des Hamminkelner SV, berichtet von seinen Erlebnissen bei der WM in Brasilien

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Wir sind zurück in Rio de Janeiro. Doch irgendetwas ist anders. Wieso hupen uns schon um 8 Uhr die Autofahrer an? Wieso klopfen uns Polizisten und Straßenarbeiter auf die Schulter? Und wieso wehen an den Verkaufsständen, die es hier an jeder Ecke gibt, nur noch deutsche Fahnen? Wir alle wissen, warum das so ist. Deutschland steht im Finale.
Mir läuft es noch immer eiskalt den Rücken herunter. Wir können gar nicht so viele Hände schütteln, die uns zur unserer Leistung gratulieren wollen. Anscheinend erkennen selbst die Brasilianer die Leistung unserer Jungs an. Die deutsche Mannschaft hat am Dienstag in Belo Horizonte Geschichte geschrieben und wir waren live dabei. Mit 7:1 hat Jogis Elf den Gastgeber geschlagen, ja beinahe aus dem Stadion gefegt. Es war der Wahnsinn, unglaublich, einfach umwerfend.

Die Brasilianer waren zuvor auf den Straßen noch siegessicher gewesen. Allein die Stimmung vor dem Anpfiff war die Reise nach Belo Horizonte bereits wert gewesen. Schon gut zwei Stunden vor Spielbeginn wollten wir im Stadion jede Minute aufsaugen und einfach nur genießen. Und dann kam dieser Moment, den wir einfach niemals in unserem Leben vergessen werden. Erst die eigene Nationalhymne und dann die der Selecao zu hören. Es war Gänsehaut von der ersten bis zur letzten Minute - einfach ein magischer Moment.

Ja und dann kam das, was ich in Worten nicht beschreiben kann. Sieben Mal am Stück sind wir im Block ausgerastet, sieben Mal haben wir nach rechts und links geschaut und in leere Gesichter geblickt. Fassungslosigkeit lag in der Luft und nur noch deutsche Gesänge gingen durch das Stadion. 1:0, 2:0, 3:0, 4:0, 5:0, 6:0, 7:0.... Nein, das war nicht der Spielverlauf irgendeines Bezirksliga-Kicks, sondern von Deutschland gegen Brasilien im WM Halbfinale.

Mitte der zweiten Hälfte stand das ganze Stadion auf einmal auf und zollte unserem Team mit einem lauten Applaus Respekt. Die Brasilianer erwiesen sich als faire Verlierer. Irgendwann stand plötzlich ein kleiner Junge vor mir und hielt mir sein brasilianisches Trikot mit der Nummer zehn von Neymar hin. Ich nahm es an und gab ihm zum Tausch meine deutsche Fahne. Sein Vater knipste noch ein Erinnerungsfoto und hielt den schönen Moment für alle fest.

Nach dem Spiel skandierten wir deutschen Fans noch über eine Stunde lang "Wir woll'n die Mannschaft sehen". Und schließlich wurden wir erhört. Die Spieler bedankten sich für die grandiose Unterstützung und Kevin Großkreutz stimmte zu guter Letzt noch eine Humba an. Kurz vor dem Verlassen des Stadions schaute ich noch einmal auf die Anzeigetafel. Und dort stand tatsächlich immer noch 7:1.

Später tranken wir noch eine Caipirinhas in einer Bar, die nun ausschließlich von Deutschen besetzt war. Um 0.30 Uhr fuhren wir wieder mit dem Bus zurück nach Rio de Janeiro, wo am Sonntag nun das große Finale steigt. Es ist die letzte Station auf unserer "Road to Rio". Die Geschichtsbücher wurden aber bereits gefüllt. Und wir waren live dabei - das nimmt uns keiner mehr.

Aufrufe: 010.7.2014, 17:48 Uhr
Rheinische PostAutor