2024-05-08T14:46:11.570Z

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F: Volkhard Patten
F: Volkhard Patten

Von weißen Umschlägen und tiefergelegten VW Golfs

Paul Schoemaker, 26, unter der Woche freiberuflicher Designer und Texter aus Düsseldorf, am Wochenende hauptberuflicher Chancentod beim SuS Kalkar

Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, als ich fürs Fußballspielen bezahlt wurde. Der Geschäftsführer unseres Vereins, ein Mann mit unfassbar großen Händen, kam in unsere Kabine und verteilte weiße, handschriftlich mit unseren Namen versehene Umschläge, die ein paar kleine Scheine enthielten. Wir Spieler gaben uns natürlich größte Mühe, unser Gehalt möglichst professionell entgegen zu nehmen.

Schließlich lehnte im Türrahmen unser Mäzen – ein zugezogener, mittelständischer Unternehmer, der sich sichtlich in unseren leuchtenden Augen suhlte. Das Seltsame an der Szene: wir spielten noch in der A-Jugend und hatten soeben das zweite Spiel in Folge in der untersten Kreisklasse verloren. Aber unser Verein hatte sich gerade „neu aufgestellt“ – was konkret bedeutete, dass Geld in die erste Mannschaft gepumpt wurde, um die besten Spieler aus dem Kreis zu locken. Und die Jugendarbeit, so kannte man das wohl aus dem Fernsehen, sei schließlich die Basis des Vereins.

A-Jugendliche zu entlohnen, die teilweise morgens beim Sportunterricht noch als Letztes gewählt wurden, mag die Spitze des Eisbergs sein. Aber bin ich immer wieder verblüfft, in wie vielen Vereinen bis in die untersten Kreisklassen nicht unerhebliche Spielergehälter bezahlt werden. Lange dachte ich, die vermeintlichen Gönner könnten ihre Ausgaben fast vollständig steuerlich absetzen. Doch mein Bruder, ein Steuerberater, hat mir versichert, dass die Rechnung niemals aufgehen kann. Natürlich fließt viel Schwarzgeld und so mancher kleiner Verein musste schon als Geldwäscherei herhalten. Aber unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass da Menschen ihr Erspartes investieren, damit irgendein jugoslawischer Ex-Jugendnationalspieler ihren Verein in die achte Liga schießt. Das kann man befremdlich finden – oder als betroffener Spieler auch ziemlich großartig.

Schnell ist man dann bei der alten Diskussion, ob Geld den Sport verdirbt. Ich selber halte nicht viel von Romantik im Amateurfußball. Im Gegenteil: wenn so ein Dorf-Mäzen einem ehrlichen Sportsmann seinen tiefer gelegten VW Golf finanziert, ist das doch immer noch besser, als wenn er sich zum Beispiel eine persische Raubkatze einfliegen lässt. Ich finde, man muss die Dinge im Verhältnis sehen. Wir reden hier ja nicht über Wolfsburg, Leipzig oder Hoffenheim. Im Amateurfußball geht es eigentlich um gar nichts, und gerade deshalb geht es um so viel. Und seien wir doch mal ehrlich: klar umrissene Feindbilder sind bestes Wasser auf den Mühlen unserer Leidenschaft. Erst kürzlich haben wir mit meinem neuen Verein, übrigens bettelarm, einem mehr als gut betuchten Landesligisten ein Unentschieden abgerungen. Zugegeben: das Spiel ging nur 20 Minuten und war auf einem Vorbereitungs-Turnier. Aber das Gefühl, so einer arroganten Gockel-Truppe das Leben schwer gemacht zu haben: unbezahlbar.

Bei meinem Ex-Verein habe ich mich übrigens tatsächlich zu einem halbwegs passablen Bezirksliga-Verteidiger gemausert. Dadurch habe ich mir in guten Monaten mal eben mein Zivi-Gehalt verdoppelt, womit ich natürlich hervorragend bei meinen Freunden angeben konnte. Gut für meinen sportlichen Charakter war das bestimmt nicht. Das ging teilweise sogar so weit, dass ich ernsthaft dachte, das Geld hätte ich mir wirklich verdient. Mittlerweile spiele ich wieder als Stürmer – wie damals in der A-Jugend. Und ich erfahre am eigenen Leib: Geld schießt keine Tore. Kein Geld aber erst recht nicht.

Aufrufe: 025.11.2015, 12:10 Uhr
Paul Schoemaker / NachspielzeitAutor