2024-04-25T14:35:39.956Z

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In der Saison 11/12 trug Kani Taher das Trikot der SG Kaarst. Foto: Christian Kurth
In der Saison 11/12 trug Kani Taher das Trikot der SG Kaarst. Foto: Christian Kurth

Von Kaarst nach Kabul

Wie der Korschenbroicher Kani Taher in den Kader der afghanischen Nationalmannschaft berufen wurde

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Die freudige Nachricht kam per E-Mail. Der 22-jährige Korschenbroicher Kani Taher solle künftig in der afghanischen Fußball-Nationalmannschaft spielen, lautete am 23. Januar dieses Jahres die Einladung an den designierten „National Team Player“.

Die Berufung ins Nationalteam der „Afghanistan Football Federation“ ist verbunden mit der Einladung in ein 14-tägiges Trainingscamp nach Doha in Katar. Dort will sich die Afghanische Auswahl in den ersten beiden Februarwochen auf den „AFC Challenge Cup 2014“ vorbereiten, der Mitte Mai auf den Malediven unter acht asiatischen Nationalteams ausgespielt wird.

Das alles klingt nach Urlaub, aber es geht um beinharten Leistungssport. „Es würde mich stolz machen, für mein Heimatland spielen zu dürfen“, sagt Taher voller Vorfreude. „Afghanistan liegt mir sehr am Herzen.“ Der gebürtige Kabuler, der seit Saisonbeginn für die U23 von Alemannia Aachen in der Oberliga spielt, war noch als Säugling mit seinen Eltern aus der krisen- und kriegsgebeutelten Region nach Deutschland geflüchtet. In Korschenbroich, seiner neuen Heimat, startete er beim örtlichen VfB als Sechsjähriger in der "Pampers-Liga" seine Kicker-Karriere. Rasch wurden Nachbarclubs auf das Talent des Mittelfeldakteurs aufmerksam. Er spielte in den Nachwuchsteams beim Rheydter SV, dem SC Wegberg-Beeck und von Fortuna Düsseldorf.

Zum Profi-Fußballer reichte es vorerst nicht, doch der Trainer der SG Kaarst, Dirk Schneider, erkannte rasch die außergewöhnliche Fußballbegabung des dynamischen Afghanen. Zwei Jahre kickte Taher am Kaarster See, ehe er auf Empfehlung eines Scouts zum Oberliga-Aufsteiger SV Uedesheim wechselte. In der fünften Liga setzte er sich sofort durch. Mit seiner robusten Zweikampstärke und seinen filigranen Pässen hatte er in der letzten Saison als „Sechser“ maßgeblichen Anteil am überraschenden Klassenerhalt des kleinen Dorfclubs.

Sein Wirtschaftsingenieur-Studium verschlug Taher Mitte vergangenen Jahres nach Aachen. Beim örtlichen Traditionsclub fand er in der Kaiserstadt gleich fußballerischen Anschluss und avancierte zum Vertragsspieler im U23-Team von Alemannia Aachen. Während der jüngsten Winterpause spielte der talentierte Techniker in der Halle sogar im Regionalligateam – vor großer Kulisse gegen Zweitligisten und live übertragen vom Fernsehen.

Schließlich fiel Taher auch den Scouts der afghanischen Nationalmannschaft ins Auge. Zwar ist das Land ein Zwerg auf der Fußball-Landkarte, aber der ehrgeizige Korschenbroicher, der schon als Abiturient gemeinsam mit seinem Vater ein Taxiunternehmen aufbaute, freut sich riesig über die Berufung. Fußball gilt inzwischen als Volkssport in dem klassischen Hockeyland. Bei Länderspielen ist das heimische Stadion in Kabul mit 30.000 Zuschauern stets ausverkauft, weitere viele Millionen Afghanen säßen an den Bildschirmen, erzählt Taher, der noch enge Verwandte in Afghanistan hat. „Mit Sport kann man wirklich viel bewegen.“

Im vergangenen Jahr hat es die afghanische Nationalmannschaft, die auf Platz 138 der Fifa-Weltrangliste rangiert, sogar zu einem ersten bedeutenden Titel gebracht und die Südasien-Meisterschaft errungen. Beim Halbfinalsieg gegen Nepal hielt der afghanische Torhüter Mansur Faqiryar, der im Alltag für den Regionalligisten VfB Oldenburg spielt, gleich zwei Elfmeter und sicherte seiner Mannschaft den Einzug ins Finale, in dem man später Indien erfolgreich 2:0 bezwingen konnte. Seither wird er in seiner Heimat wie ein Volksheld gefeiert. Die meisten afghanischen Nationalkicker spielen im Ausland Fußball, viele in Deutschland – wie Keeper Faqiryar oder Mittelfeldakteur Taher – in der vierten oder fünften Liga. Andere kicken in Australien, Canada oder Holland. Mit diesen Amateur-Spielern hat das Fußballentwicklungsland in den letzten acht Jahren immerhin 68 Plätze in der Fifa-Weltrangliste aufgeholt. Schon träumen sie in Kabul von einer Teilnahme an einer Qualifikation zur Fußball-WM. Irgendwann.

Trotz aller hochfliegenden Fußballpläne ist Taher bescheiden und bodenständig geblieben. Als im letzten Sommer sein Wechsel zu Alemannia Aachen feststand, kam er zurück an den Kaarster See. Dort holte sich der energische Balleroberer in Einzeltraining bei SG-Coach Schneider Fitness und Physis für den neuen Club. Auch bei seinem ehemaligen Kaarster Co-Trainer, Cengiz Yavuz, der zwischenzeitlich den A-Liga-Aufsteiger VfR Büttgen trainiert, sucht Taher immer noch fußballerischen Rat. Wenn er über seine Fußballkarriere spricht, denkt Taher häufig an das Trainerduo Schneider und Yavuz. „Die beiden sind wirklich fantastisch“, lobt Taher, „denen habe ich sehr, sehr viel zu verdanken auf meinem Fußballweg.“ Ein weiter Weg – von Kaarst nach Kabul.

Aufrufe: 05.2.2014, 04:52 Uhr
Johannes NitschmannAutor