2024-05-08T14:46:11.570Z

Ligabericht
Als habe Fotograf Peter Foks in diesem sporthistorischen Augenblick Christoph Janker einen Gefallen tun wollen: Der Zeitzeuge aus Cham ist verdeckt, hatte eine Millisekunde vorher das Leder verpasst.  Fotos: dpa
Als habe Fotograf Peter Foks in diesem sporthistorischen Augenblick Christoph Janker einen Gefallen tun wollen: Der Zeitzeuge aus Cham ist verdeckt, hatte eine Millisekunde vorher das Leder verpasst. Fotos: dpa

Viel zu viel Hype um dieses eine Tor

Der Chamer Christoph Janker ist direkter Zeitzeuge des 50 000. Bundesliga-Tores, ohne sich aber darüber freuen zu können

Vorher öder Zweitliga-Kick auf dem „Betze“ gegen die von der Doppelbelastung müden Sandhäuser, jetzt auch noch die Augen offen halten fürs zähe Erstliga-Ringen in der Fuggerstadt gegen die kriselende Werkself, selbst wenn sich das 50 000. Tor der Bundesliga-Geschichte ankündigt? Gar manche in der bundesdeutschen Fernsehlandschaft hatten sich schon aufs Einschlafen konzentriert, was soll‘s, der Janker spielt eh nicht – kurz noch mal in die Aufstellung gelinst, da schau her, lässt er jetzt den Janker doch spielen ...

Spätestens dann war klar, welch zeitgeschichtliches Ereignis bevorstehen würde, als würde Jupiter zu Mars so stehen, dass die Sonnenfinsternis in Cham nur alle 53 Jahre sichtbar würde. Fußballerisch gesehen.


Um einen Wimpernschlag zu spät

Der Rest ist Geschichte: der 17-jährige Zauberlehrling Kai Havertz (Magath hätte gesagt, der müsse das Abitur gar nicht mehr machen, weil er bald mit Fußball viel mehr verdiene) macht sich auf die Reise, bringt nach 40 Metern Sprint gegen die Viererkette den Zuckerpass nach innen, Karim Bellarabi schlägt zu. Das nächste fünfzigtausendste werden wir nicht mehr erleben. FCA-Kapitän Verhaegh grätscht ins Leere, einen Wimpernschlag vorher war Christoph Janker um einen Schritt zu spät gekommen, dieses Tor des Jahrhunderts zu verhindern.

Das hätte sich der ehemalige Vilzinger Jugendspieler im zweiten Teil seiner wechselvollen Karriere nicht träumen lassen, direkt beteiligter Zeitzeuge dieses ganz speziellen Jubiläumstreffers zu werden. Witzbolde im Netz hatten es in seiner Bedeutung gar mit dem Fall der Mauer gleichgesetzt. Als gebürtiger Chamer (vor ein paar Tagen 32 geworden) und damaliger B-Jugendspieler des ASV ausgezogen, um im Profi-Internat der Münchner Löwen sein Glück zu machen, früher Zögling eines Ralf Rangnick im noch taufrischen Hoffenheim, Europa League, seltener Bundesliga-Ab- und Wiederaufstieg samt Karriereknick durch langwierige Verletzung in Berlin, nun ruhiger Job als Edelreservist („Django“) beim wieder einmal gegen den Abstieg ruderenden FCA. Und jetzt das.

Darüber reden wollte Janker freilich nicht, obwohl sich der bekannt höchst kooperative FCA-Medienchef Dominik Schmitz darum bemüht hatte, uns mit dem Zeitzeugen zusammenzuführen. „Er bittet um Verständnis, dass er sich nicht zu dem 50 000. Tor äußern möchte, da ihm ein zu großer Hype um dieses Tor gemacht wird“, hieß es aus der Fuggerstadt. Wir haben Verständnis, der Profizirkus lässt keinen Raum für Sentimentalitäten, sofern nicht letzter Spieltag ist, bei Blumenstrauß und gerahmtem Abschiedsbild ein paar Tränchen fließen dürfen. Ausnahme „Kuba“ beim BVB. Dominik Schmitz hatte es vorher auf seine Art erklärt: „Wir haben das Tor nicht geschossen, insofern ist das für uns uninteressant.“



War’s wirklich Nummer 50 000?

So ist es, wir denken derweil an Timo Konietzka, Gott hab ihn selig, der damals am 24. August 1963 50 Sekunden gebraucht hatte fürs erste Bundesliga-Tor aller Zeiten. Ohne Chamer oder Vilzinger Beteiligung, so weit wir wissen. Es gibt schließlich keine bewegten Bilder davon. Vielleicht aber ist der Hype wirklich zu groß (Sky hatte sogar eine Torte dabei für Jahrhundertmann Bellarabi), denn es streiten sich die Geister, ob es wirklich das fünfzigtausendste Tor in unserer über alles geliebten Bundesliga gewesen war.

Wie zählt man Thomas Helmers Nicht-Tor gegen den Club damals, was ist mit Stefan Kießlings Außennetz-Roller weiland in Sinsheim, kann dann Antony Yeboahs Dreier-Pack 1993 für Frankfurt gegen Uerdingen zählen, obwohl das 5:2 aberkannt worden war? Vielleicht hat Christoph Janker Recht, viel zu viel Lärm um nichts. Wie in der Bundesliga üblich. Wenn Leverkusen gegen Atletico Madrid auf Granit beißt und Janker am Samstag in Darmstadt auf der Linie rettet, spricht keiner mehr darüber.

Und dann auch noch direkt beteiligt an Bayer Leverkusens 900. Auswärtstor der Erstliga-Historie.
Und dann auch noch direkt beteiligt an Bayer Leverkusens 900. Auswärtstor der Erstliga-Historie.

Aufrufe: 021.2.2017, 21:00 Uhr
Markus GüntherAutor