2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview

VfB Lübeck: Trainer Rolf Landerl im Gespräch

"Wir haben uns schneller entwickelt als gedacht"

Mit seinem Namen ist der Aufschwung beim VfB Lübeck in dieser Saison eng verbunden: Rolf Landerl. Die Verpflichtung des 41-jährigen Österreichers, der bereits als Spieler an der Lohmühle von 2009 bis 2011 einen positiven Eindruck hinterlassen hatte, erwies sich als der wohl wichtigste Baustein, um aus der Mannschaft, die im Vorjahr erst kurz vor Saisonende den Klassenerhalt gesichert hatte, nun ein Regionalliga-Spitzenteam zu machen. Wir sprachen mit dem Wiener über seine ersten sechs Monate als Trainer an der Lohmühle, über seine Mannschaft und über die nächsten Entwicklungsschritte für die Aktiven und den Club.

Rolf Landerl, wie würden Sie Ihr erstes Halbjahr als Trainer des VfB Lübeck zusammenfassen?
Wir haben uns schneller entwickelt als gedacht. Platz zwei hatte uns vor Saisonbeginn sicher niemand zugetraut.

Welche Spieler haben Sie am meisten positiv überrascht?
Als erster fällt mir da Marvin Thiel ein. Der hat in der Vorbereitung noch nicht die große Rolle gespielt, ist zum ersten Spiel nur wegen des Ausfalls eines anderen in den Kader gerutscht, wird dann eingewechselt und ist seitdem ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Auch Maurice Maletzki hat sich gut gemacht, unsere beiden Kreativen da vorne sind ein Faktor für den Erfolg. Hinten sind natürlich unsere beiden Innenverteidiger durchweg Garanten für Stabilität. Sven Mende hat unser Spiel noch einmal auf ein höheres Level gebracht.

Gibt es auch Spieler, die Ihre Erwartungen enttäuscht haben?
Das kann ich so nicht sagen. Die meisten kannte ich schließlich nicht als ich gekommen bin. Insofern kann ich nicht sagen, dass mich einer enttäuscht hätte.

Aber es gibt Spieler, an die Sie künftig noch höhere Ansprüche stellen, oder?
Das gilt für viele. Da sollte fast jeder versuchen, noch einmal etwas mehr aus sich herauszukitzeln. Wenn ich als Beispiel Gary Noel nehme: Er hat in einigen Spielen gezeigt, was wir uns von einem Stürmer erwarten. Er wird hier nicht in erster Linie an Toren gemessen, sondern an seiner Arbeit für die Mannschaft. Und dann erwarte ich, dass er das nicht nur hin und wieder, sondern jede Woche auf den Platz bringt. Aber auch andere müssen den nächsten Entwicklungsschritt gehen, damit sie uns auf unserem Weg weiter helfen können. Andernfalls wird man sich eben von dem einen oder anderen Spieler trennen müssen.

Die insgesamt gute Halbserie ist nicht nur positiv, sondern weckt auch Begehrlichkeiten. Die Erwartungshaltung steigt, es muss sicher auch mehr Geld in die Hand genommen werden, um noch Verbesserungen zu bewirken. Kann es sogar sein, dass die Entwicklung für die Möglichkeiten des Vereins zu schnell geht?
Das glaube ich nicht. Natürlich erwartet man von einem Tabellenzweiten mehr. Das gilt für alle. Zuschauer, Gegner, aber auch wir selbst. Am Ende es liegt ja an uns, dass wir lernen, mit diesem Druck umzugehen. Das gilt in allen Bereichen.

Ist das die Entwicklungsphase, in der die Mannschaft gerade drin steckt?
Ja. Wir müssen noch selbstverständlicher mit dem Anspruch umgehen, den man an einen Tabellenzweiten stellt. Wenn man Gegnern wie Egestorf oder Eichede gegenüber steht, müssen die auf dem Platz sofort spüren, dass man besser ist, dass man souverän auftritt. Es ist die Art von positiver Arroganz, die eine Spitzenmannschaft auszeichnet. Das darf natürlich nie dazu führen, dass man den Gegner gering schätzt. Aber sportlich muss es eben anders aussehen, als wenn da der Zehnte kommt.

Diese Qualität war in den letzten Wochen vor der Winterpause nicht mehr da. Nur zwei Punkte aus Spielen gegen Rehden, Hildesheim und Egestorf – da war die Chance da, Meppen noch einmal ganz nah zu rücken.
So weit sind wir dann vielleicht noch nicht. In den Spielen gegen Rehden und Hildesheim hatten wir nicht mehr als einen Punkt verdient. In Egestorf fehlte uns die Cleverness, an einem solchen Tag auch mal zu sagen: Okay, dann nehmen wir halt den einen Punkt mit.

Während es im Herbst regelmäßig gelang, Spiele und Gegner zu dominieren, nahm das gegen Ende des Jahres ab. Hat das auch mit den Platzbedingungen zu tun?
Selbst wenn, das darf keine Ausrede sein. Natürlich waren die Plätze in den letzten Wochen nicht so, wie wir das für unser Spiel gerne hätten. Aber beispielsweise sind wir daheim gegen Braunschweig damit noch richtig umgegangen und haben uns den Sieg mit harter Arbeit und Geduld erkämpft. Vielleicht hatte das aber auch damit zu tun, dass das eine Zweitvertretung war, bei denen das Fußballerische mehr im Mittelpunkt steht.

Kann bei neun Punkten Rückstand zur Winterpause die Meisterschaft noch das Ziel sein?
Wir werden uns jetzt sicher nicht hinstellen und sagen: Wir müssen unbedingt Meppen angreifen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, dass wir uns als Mannschaft auch in der Frühjahrsserie noch einmal entwickeln. Und wer weiß schon, was dann passiert? Vielleicht ist eine Überraschung noch möglich.

Ist der VfB Lübeck denn überhaupt schon drittligareif?
Auch der Verein entwickelt sich derzeit. Der Aufstieg war ja nicht in dieser Saison das Ziel, sondern in zwei bis drei Jahren. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlt sicher in manchen Bereichen noch einiges, um sich mit Drittliga-Vereinen vergleichen zu können. Der Sprung zwischen den beiden Ligen ist gewaltig. Aber dafür bin ich ja auch da, um diese Dinge intern klar anzusprechen und Verbesserungen zu bewirken. Ich kann aber nur Ideen entwickeln und Wege aufzeigen. Die Rahmenbedingungen dafür muss der Verein schaffen.

Ihre Verpflichtung als hauptamtlicher Trainer war im Sommer der erste Schritt zu einer Professionalisierung. Was müssen die nächsten sein?
Einer der wichtigsten ist momentan, dass wir die Trainingsbedingungen verbessern. Da kämpfen wir mit ganz banalen Dingen. Auf einem der Trainingsplätze haben wir ein Problem mit Maulwürfen. Es gibt nur einen Rasenplatz mit Flutlicht. Auf dem anderen fällt das Licht an einem Mast immer mal wieder aus. Im Winter müssen sich mehrere Mannschaften den Kunstrasen zum Training teilen. Wenn man talentierte Spieler weiterentwickeln will, müssen wir da bald einen Schritt voran kommen.

Und personell? Reicht die Ausstattung mit Mitarbeitern?
Wenn wir vorwärts kommen wollen, muss sich auch da etwas tun. Wünschenswert wäre es, einen Sportlichen Leiter zu haben. Im ersten Schritt muss das keine Vollzeitstelle sein, aber eben jemand, der regelmäßig als Ansprechperson da ist. Auch im Nachwuchsbereich muss auf Sicht noch ein übergeordneter Posten geschaffen werden.

Sie haben vor der Saison die Vormittagseinheiten eingeführt. Ein bis zwei Mal pro Woche wird jetzt auch morgens trainiert. Stimmt die Resonanz, bringt das die Spieler weiter?
Elf, zwölf Spieler sind eigentlich regelmäßig dabei. Einige legen ihren Dienst extra so, dass sie die Einheiten mitmachen können. Selbst Einheiten in noch kleineren Gruppen können Spieler voran bringen. Da sind wir auf dem richtigen Weg.

Sind in der Winterpause Neuverpflichtungen geplant?
Wir haben momentan nichts Konkretes vor. Aber man weiß ja nie, was sich ergibt. Das gilt in beide Richtungen. Klar ist aber, dass ein Spieler, den wir jetzt dazu holen, uns auch in der kommenden Saison vorwärts bringen müsste.

Nach der Winterpause spielt der VfB zunächst drei Hallenturniere, darunter das Masters in Kiel. Dabei finden Sie Hallenfußball eigentlich gar nicht gut...
Das gilt aber nur für die klassische Hallenvariante. Da geht es mir oft zu verbissen zu und die Banden werden eher missbraucht, um den Gegner in Zweikämpfe zu verwickeln. Spieler, die zuletzt mit Verletzungen zu tun hatten, werden beim Masters mit Sicherheit nicht auflaufen. Mir gefällt Futsal viel besser. Da sind viele Elemente dabei, die auch dem Spiel auf dem Feld zugute kommen.

Direkt anschließend fliegen Sie mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Portugal. Was versprechen Sie sich von der Woche?
Wir erhöhen die Wahrscheinlichkeit deutlich, unter guten Witterungs- und Platzbedingungen noch einmal ein paar Dinge einstudieren und verfeinern zu können. Das ist im Januar in Deutschland oft schwierig. Außerdem ist es die Möglichkeit, die Mannschaft mal über eine komplette Woche zusammen zu haben. Das ist auch gruppendynamisch wichtig sein. Da sieht man auch als Trainer noch einmal mehr als im sonstigen Alltag.

Bis dahin sind erst einmal ein paar Tage Pause. Wie verbringt Rolf Landerl Weihnachten und den Jahreswechsel?
Zunächst einmal geht es mit der Familie ein paar Tage nach Wien, dann in unser Haus in Kärnten. Ich freue mich auch darauf, mal ein paar Tage komplett abschalten zu können.
Aufrufe: 022.12.2016, 12:00 Uhr
SHZ / Interview: Christian JessenAutor