2024-05-02T16:12:49.858Z

Testspiel
Kann er Christopher Kramer ersetzen? Der aus Österreich gekommene Gary Noel, Nationalspieler aus Mauritius, hier gegen Bremens Luca Caldirola. Foto: tj
Kann er Christopher Kramer ersetzen? Der aus Österreich gekommene Gary Noel, Nationalspieler aus Mauritius, hier gegen Bremens Luca Caldirola. Foto: tj

VfB Lübeck im Test: Das Team ist (noch) eine Wundertüte

Der Regionalligist im Teamcheck

Wohin der Weg des VfB Lübeck nach einer schwachen Vorsaison führen wird, ist auch zwei Wochen vor dem Saisonstart nur schwer abzusehen. Vor einigen Monaten zitterten die Grün-Weißen noch um den Klassenerhalt, der erst zwei Wochen vor Saisonende feststand. Im engen Regionalliga-Feld stand zwar am Ende noch Platz sieben zu Buche – doch das täuscht über die gezeigten Leistungen hinweg. Einzig der Landespokalsieg machte die Saison 2015/16 noch zu einer halbwegs ordentlichen. Mit dem neuen Trainer Rolf Landerl hat sich der VfB nun neu aufgestellt.

Der Österreicher ist der erste hauptamtliche Trainer nach der zweiten Insolvenz vor vier Jahren. Es soll ein erster Schritt sein hin zu mehr Professionalität. Weitere Schritte sind in Arbeit, und auch Landerl wird dafür den einen oder anderen wichtigen Fingerzeig liefern. Den derzeitigen Stand der wichtigsten Fragen vor dem Saisonstart liefert unser Teamcheck.

Wie gut sind die Neuen?

Das ist eine der Fragen, die noch schwer zu beantworten ist. Auf dem Papier ist der VfB nicht stärker geworden. Mit Stammverteidiger Lukas Knechtel, dem besten Torschützen Christopher Kramer und dem unberechenbaren Andre Senger sind drei wichtige Spieler weg, mit Dennis Voß und Routinier Nils Lange zwei weitere bekannte und verlässliche Größen. Von den Neuen hat hingegen kein einziger bereits unter Beweis gestellt, Regionalliga auf höchstem Niveau spielen zu können. Bei Andy Gomig und Gary Noel, die aus Österreich kamen, liegt das möglicherweise nur an der fehlenden Vergleichsmöglichkeit. Beide müssten das Potenzial haben, die Plätze von Knechtel bzw. Kramer einzunehmen. Bei allen anderen kann man das nur erhoffen: Weit scheint Junior Ebot-Etchi, der zwar nur selten spielte – aber das bei Meister Wolfsburg II. Gute Ansätze zeigten Joshua Gebissa, Panajiotis Haritos, Kevin Weggen und Torwart Alexander Langer. Es scheint so, als sollten sie den Kader zumindest in der Breite verbessert haben. Ob es für mehr reicht, ist derzeit noch fraglich.


Wie läuft der Kampf um die Stammplätze?

Die angesprochene Breite des Kaders bringt zumindest auf einigen Positionen den Konkurrenzkampf in Schwung. Nahezu sicher sein können sich wohl nur die Routiniers Moritz Marheineke und Dennis Wehrendt in der Innenverteidigung. An einigen anderen Stellen deutet sich an, wer die Nase vorn haben wird. Vielfach sorgt aber auch die Flexibilität einzelner Spieler (vor allem Patrick Bohnsack, Henrik Sirmais und viele der Mittelfeldspieler könnten mehrere Positionen einnehmen) für zusätzlichen Ansporn. Gut scheint vor allem, dass kaum ein Spieler derzeit so weit weg ist, dass er keinerlei Perspektiven auf Einsätze hat, auch wenn die jungen Adrian Cekala, Cemal Sezer und Cedric Szymczak sicher noch einen Entwicklungsschritt gehen müssen, um Stammkräfte zu werden. Drei der Spieler mit ähnlichen Prognosen (Cornelius, Dagli und der aus der A-Jugend nachgerückte Rashed) wurden zunächst zum Kader der U21 abgegeben.


Welche taktischen Varianten gibt es?

Landerl sieht die Viererkette und einen zentralen Stoßstürmer als feste Bausteine des Systems. Dazwischen sind verschiedene Formationen und Ausrichtungen möglich – ob 4-2-3-1, 4-3-3 oder 4-1-4-1. Der Trainer peilt offensiven Fußball an. Das Team deutete beispielsweise im Pokalspiel in Lägerdorf an, dass die grundsätzlichen Abläufe im offensiven Zusammenspiel schon besser funktionieren als im Vorjahr. Die noch nicht zu beantwortende Frage ist, wie das gegen wirklich gut verteidigende Gegner, was fast jeder Regionalligist sein wird, aussieht. Wie gut der VfB mit wirklich hohem Gegnerdruck (sei es mit oder gegen den Ball) oder extrem tief stehenden Kontrahenten umgehen kann, ist noch schwer zu beantworten.


Wo gibt es noch Probleme?

In der Struktur der Mannschaft ist kein Fortschritt erkennbar. Die Führungsspieler sind noch die gleichen wie vor einigen Jahren, sie bringen ihre Leistung, werden jedoch alle nicht jünger. Auf dem Weg zu einem angepeilten Aufstieg 2019 müsste das Team langsam umstrukturiert werden. Insbesondere im zentralen Mittelfeld fehlt schon im zweiten Jahr in Folge ein verlässlicher Taktgeber, der mit Ruhe und Übersicht den Rhythmus des Spiels bestimmen kann.


Wie ist der Verein strukturell aufgestellt?
Für einen Regionalligisten bietet der VfB im Ligavergleich ordentliche Strukturen und macht durch den Vollzeittrainer und Vormittagseinheiten auch einen Schritt vom reinen Amateur- in Richtung Halbprofifußball. Derzeit ist aber noch nicht ersichtlich, wie der nächste notwendige Schritt auf dem Weg zum Aufstiegsaspiranten gegangen werden soll. Um Drittliga-Niveau zu erreichen, sind an vielen Stellen kleine Verbesserungen notwendig, im Gehaltsniveau sogar große – insgesamt ist das noch eine Menge. Es fehlt derzeit die finanzielle Grundlage, um diese profihaften Bedingungen zu schaffen.


Wo landet der VfB?
Zu erwarten ist, dass die Lübecker mit den Mannschaften, die um die Meisterschaft spielen (Wolfsburg II, Oldenburg, Weiche, Meppen) nicht mithalten können. Diese Teams sind sportlich besser aufgestellt. Umgekehrt muss der Anspruch des VfB sein, die Aufsteiger und Mannschaften wie St. Pauli II oder Lüneburg auch deutlich hinter sich zu lassen, um nicht in Abstiegsgefahr zu rutschen. Dazwischen scheint vieles möglich. Bekommt Landerl neuen Schwung in die Truppe, kann durchaus eine positive Überraschung (etwa Platz fünf) drin sein, verfällt das Team hingegen in alten Trott, ist auch das untere Drittel nicht weit. Unter realistischen Maßstäben spielt der VfB durchweg jenseits von Gut und Böse – und das dokumentiert sich durch unseren Tipp: Platz 9.
Aufrufe: 018.7.2016, 07:00 Uhr
SHZ / Christian JessenAutor