2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

Verratti völlig verrückt

oder: über den (fehlenden) Spielraum bei (Spiel-)Regeln

Ein ganz normales Meisterschaftsspiel in der französischen ersten Liga. Der französische Rekordmeister Paris St. Germain gewinnt etatmäßig gegen den FC Nantes 2:0. Trotzdem wird dieses Spiel einigen Fußballfans in besonderer Erinnerung bleiben. Denn wie Watson.ch so wortwitzig bemerkte, sorgte eine „gelbe Karte (...) für rote Köpfe“. Eine Schiedsrichterentscheidung, die mal wieder Aufregung und Unmut erzeugt, aber selbst dieses Mal den Gegner in Staunen und Irritation versetzt hatte.

Das Netz hielt sich natürlich nicht lange mit einer Reaktion zurück und folgende Zitate gewähren lediglich einen kleinen Eindruck in die Bandbreite der unterschiedlichen Empfindungen.

Von der dümmsten gelben Karte der Welt war wenige Tage in der Münchner Abendzeitung zu lesen, eine dreiste Kopfballrückgabe wurde von der Berliner Zeitung diagnostiziert. Wesentlich neutraler und wohlwollender versah die Frankfurter Rundschau die Ereignisse in der Feststellung, eine skurrilen Einlage verfolgt zu haben. Auch das Portal online-nachrichten.eu wollte eher eine kuriose Szene beobachtet haben. Wesentlich euphorischer und amüsierter zeigte sich die Internetseite Transferticker.de: Sie war Zeuge der verrücktesten gelben Karte geworden, während der Anbieter News38.de sogar einen witzigen Kopfball gesehen hatte und die Plattform nachrichten.de bei dieser irren Kopfballrückgabe geradezu ins Schwärmen geriet.

Doch was war passiert? Der italienische Mittelfeldspieler Marco Verratti hatte einen Pass seines Torwarts Kevin Trapp angenommen, sich anschließend an den Rand des eigenen Strafraums zu Boden fallen gelassen und sich dann mit zwei Händen aufgestützt, um schließlich elegant den Ball per Kopf zu Trapp zurück zu spielen. Nach einer kurzen Weile pfiff Schiedsrichter Johan Hamel ab und zog Gelb.

Eine nicht nachvollziehbare Entscheidung, wie Verrattis Mannschaftskollege Lucas Moura nach dem Spiel gestand: „Ehrlich gesagt ist das ein wenig seltsam. Ich habe das noch nie gesehen.“ Der Unmut ist nachvollziehbar. Dass die Rückpassregel bei einer Rückgabe mit dem Kopf aufgehoben ist, weiß ja eigentlich jeder Fußballer. Oder etwa doch nicht? Wie die französische Sportzeitung L'Equipe berichtete, ahndete Johan Hamel damit unsportliches Verhalten. Doch warum sollte ein Pass auf solch kreative Art ein unsportliches Verhalten sein? Diese Frage wird beantwortet, wenn man sich das FIFA-Reglement näher anschaut. Dort steht geschrieben, dass ein Spieler zu verwarnen sei, wenn er „... absichtlich einen Trick nutzt (auch bei einem Freistoß), um den Ball mit dem Kopf, der Brust, dem Knie etc. zum Torhüter zu passen und so die Rückpassregel zu umgehen, egal ob der Torhüter den Ball mit den Händen berührt oder nicht.“

Aha. Noch nie gehört! :D

Das musste sich auch Teammitglied Blaise Matuidi gesagt haben, der freimütig nach dem Spiel bekannte: „Das Gelb war unverdient. Wir kannten die Regeln nicht, selbst der Schiedsrichter hat gezögert." Doch Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht.

Neben dem Aspekt des Nichtkennens kommt ein weiterer hinzu: Der des nicht zutreffens. Denn die Wortwahl lässt einen gewissen Spielraum zu. Wann genau eine Aktion als Trick gilt, ist überhaupt nicht geklärt.Und sind nicht Rückpässe als Kopfball aus dem Spiel erlaubt?

Wie oft hat man schon einen Spieler mit der Brust den Ball auf den Torwart abklatschen sehen und die Technik, Kraft und Präzision bewundert, mit der diese geniale Lösung einherging? Wurde dafür jemals gelb gezogen? Nein! Streng genommen widerspricht diese Regel ja allen (unkonventionellen) Möglichkeiten eines Rückpasses, die sich fernab des Fußes abspielen. Und lebt nicht der Fußball bzw. der Sport eben von jenen individuellen Lösungen und nicht den Aktionen via Schema F? Machen diese nicht eben den Reiz und die Faszination aus? Denn, was ist streng genommen, an diesem „Krabbel-Kopfball“ unsportlich? Verrati war völlig unbedrängt, sodass man ihm gar nicht vorwerfen könne, er hätte einen Gegner behindert, indem er seinen Kopf in die Reichweite des Balles nah an der Grasnarbe gebracht habe. Das hätte ja noch eine gewisse Logik gehabt (ganz im Sinne der Klausel „gefährliches Spiel“). So muss man sich bei dieser Gelegenheit schon unweigerlich fragen, was für Ziele diese Regel verfolgt. Denn in meinen Augen erstickt diese Regel als auch die erfolgte Sanktion jeden Funken Freigeist, jedes Keimen einer Idee fernab des Geregelten. Entmutigt wird Verrati zum Exempel statuiert wohl nie wieder sich vor seinem Keeper verneigen (wie ehrfürchtig das aussah, ein Gedicht :D ) wollen und auch wahrscheinlich in anderen Situationen davor abschrecken, etwas Neues auszuprobieren.

Nicht die gelbe Karte war dumm, sondern die Regel, die zu dieser gelben Karte führte, ist dumm :D


Bildquelle: http://www.abendzeitung-muenchen.de/media.media.5f6ed983-e885-4d41-a9d9-cf7d16888b4e.normalized.jpg

Aufrufe: 031.1.2017, 18:33 Uhr
Romina BurgheimAutor