2024-04-24T13:20:38.835Z

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Ein Bild aus alten Tagen: Im September 2003 traten der SSV Finningen (links Thomas Wittmann) und der TSV Mödingen-Bergheim (rechts Armin Baumgärtner) noch gegeneinander an – und trennten sich mit 3:3.		F.: Archiv
Ein Bild aus alten Tagen: Im September 2003 traten der SSV Finningen (links Thomas Wittmann) und der TSV Mödingen-Bergheim (rechts Armin Baumgärtner) noch gegeneinander an – und trennten sich mit 3:3. F.: Archiv

Vernunftehe statt Liebesheirat

Wenn der Spielermangel die Vereine zwingt, gemeinsamernSache zu machen – am Beispiel der SG aus SSV Finningen und TSV Mödingen-Bergheim

Eine Lotto-Spielgemeinschaft ist schon etwas Gutes. Gemeinsam einzahlen, Gewinne im hoffentlich mindestens sechsstelligen Bereich gerecht aufteilen, das Geld ordentlich verprassen. Bei der Spielgemeinschaft (SG) im Fußball geht es dagegen um eher unbezahlbare Werte: Erhalt des Vereins und Fortsetzung des geliebten Ballsports. Ganz ohne Glücksspiel-Millionen wollte Johannes Stark, bis zum Rückzug der Mannschaft vor drei Jahren Trainer beim SSV Finningen, das spätere Zusammengehen mit dem TSV Mödingen-Bergheim als „absolute Win-win-Situation“ darstellen.

Weil die nächste Generation lieber vor dem Computer sitzt oder anderen Aktivitäten außerhalb des Rasenfeldes nachgeht, kämpfen viele Fußballklubs zwischen Syrgenstein und Buttenwiesen ums Überleben. Was bei Schützen, Karnevalsgesellschaften oder Anglervereinen seit Jahren an der Personalsituation zehrt, macht auch immer mehr Deutschlands Volkssport Nummer eins zu schaffen.

Allerdings wurde das Nachwuchsproblem, dessen fortschreitende Verschlimmerung öffentlich kaum zur Kenntnis genommen, vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) schon früh „herbeibefürchtet“. Bereits anlässlich einer Jugendfachtagung des DFB im November 2005 machten sich die Gremien dort Gedanken über den Rückgang der Bevölkerung besonders bei Kindern und Jugendlichen – ein Trend, der sich vor allem in vielen ländlichen Regionen negativ auswirken würde.

Fazit: Je kleiner die Gemeinde, umso größer die Probleme. Leider bewahrheitete sich die düstere Prognose der obersten nationalen Fußball-Organisation auch in unserer Region. Was der DFB seinerzeit nur als „Notgemeinschaft“ erkennen wollte, die für Vereine mit bis zur Spielunfähigkeit schrumpfenden Teams gelten sollte, erweist sich etwa bei den im Landkreis Dillingen beheimateten Vereinen heute als harte Normalität. Landauf, landab setzen viele um ihre Existenz kickenden Vereine auf eine SG, die bei manchen Verbandsfunktionären immer noch in der Rolle des ungeliebten Kindes gesehen werden. Der DFB befürchtete seinerzeit, die Identifikation mit dem Stammverein könne nachlassen und der Zwang, selbst neue Spieler zu werben und eigene Teams zu bilden, entfallen. Dabei sind solche Konstellationen nichts Neues. Schon in den Endphasen der beiden Weltkriege im vergangenen Jahrhundert schlossen sich benachbarte Sportvereine mangels „Masse“ zu sogenannten Kriegsspielgemeinschaften zusammen.

Einen friedlicheren Hintergrund kann der SSV Finningen vorweisen, der sein Team während einer laufenden Runde wegen Personalmangels zurückziehen musste. „Die Spielerdecke war einfach zu dünn gewesen, um jede Woche eine eigenständige Finninger Elf aufstellen zu können“, beschrieb Trainer Johannes Stark die missliche Lage. Seit der Spielsaison 2013/14 arbeitet man mit dem personell auch nicht gerade üppig besetzten Nachbarn zusammen – unter der gemeinsamen Fahne der SG Mödingen-Bergheim/Finningen. Von einer Liebesheirat zu sprechen, wäre – wie auch bei vielen anderen SGs der Region – wohl übertrieben. Doch Coach Stark hatte schon zu Beginn davon geschwärmt, dass „die Chemie in der Mannschaft sehr gut“ sei. Auch Franz Prießnitz, Abteilungsleiter beim SSV Finningen, will im vierten Jahr der „Team-im-Team-Bildung“ eine durchaus positive Bilanz ziehen: „Wir haben uns 2013 zwar auch woanders umgesehen und nachgefragt, aber mit Mödingen zusammen läuft es sehr gut.“

Ein Grund dafür könnte auch sein, dass bei Harmonie-Killern wie Kosten und Formalien von Anfang an ein gutes Einvernehmen bestand. So weist Bernd Hihler als Vorsitzender des „stärkeren“ TSV Mödingen-Bergheim auf die Ausgabenteilung etwa bei Training, Ausrüstung, Bällen und Administrativem hin, die bestens funktioniere. „Sogar bei den Feschtles, die wir miteinander abhalten“, fügt Xaver Oblinger, Zweiter Vorstand und kommissarischer Vorsitzender des SSV Finningen hinzu. Letzteres darf bei allem Ernst für Sport und Punkte laut Kollege Bernd Hihler nicht unterschätzt werden: „Wir müssen die Leute mit solchen Aktionen bei Laune und vor allem bei uns halten.“

Auch auf dem Rasen scheint das neue sportliche Bündnis eine gute Figur abzugeben. Ex-Trainer Stark, inzwischen als Spieler für den SV Kicklingen II am Ball, meinte beim Zusammenschluss: „Heimspiele werden im monatlichen Wechsel in Mödingen und Finningen ausgetragen, genauso wie das Training.“ Solche Aktivitäten hätte es ohne den Zusammenschluss nicht mehr gegeben – darin sind sich die Verantwortlichen beider Klubs einig. „Wir waren mit nur noch sieben Mann kurz vor dem Ende“, unterstreicht Xaver Oblinger und weiß sich dabei mit Bernd Hihler vom TSV einig: „Ohne das ermöglichte Zusammengehen, das es in dieser Form in der Region oft gibt, gäbe es das Team nicht mehr.“ Auch wenn das Totenglöcklein in der Schublade blieb, macht sich bei manchem Skepsis bemerkbar. Etwa bei Fußballabteilungsleiter Franz Prießnitz. Der Mann vom SSV Finningen befürchtet, dass wegen der angespannten Situation künftig nicht einmal mehr zwei Vereine allein den Spielbetrieb aufrechterhalten könnten.

Die prekäre Lage spiegelt sich nicht nur an der Donau wider, sondern auch im Nachbarlandkreis Augsburg. Dort rekrutiert zum Beispiel die JFG Holzwinkel Jugendliche aus zehn Stammvereinen von Adelsried bis Zusamzell. Als besonderes alarmierend fällt für Franz Prießnitz aus Finningen der Blick auf ganz gewöhnliche Bolzplätze im Land aus: „Sehen Sie dort noch Kinder nachmittags mit dem Ball spielen? Ich nicht.“ Und: „Die Jugend haut uns ab.“

Aufrufe: 024.3.2017, 09:03 Uhr
Donau-Zeitung / Günter StauchAutor