"Es kann doch einfach nicht sein, dass Eltern oder Ehepartner sich Sorgen machen müssen, ob ihre Lieben nach der Ausübung ihres Hobbys gesund zurückkehren", betont Kirches. Schließlich seien auch wegen des Gewaltproblems bundesweit mehr Ab- als Zugänge bei den Schiedsrichtern zu verzeichnen. Erst im April war ein Spieler des C-Ligisten TSV Kaldenkirchen II wegen einer Spuckattacke gegen den Schiedsrichter für ein Jahr gesperrt worden. "Es ist abzusehen, dass wir in der Kreisliga C Spiele nicht mehr besetzen können", sagt Kirches. Dass Unparteiische vor jeglicher Form von Gewalt zu schützen sind, da stimmt jeder zu. Nur über das Wie herrscht Uneinigkeit. Kirches und seine Mitstreiter in der Arbeitsgemeinschaft setzen auf einen Solidarisierungseffekt. In rund 50 Vorträgen in den vergangenen Jahren haben sie an die Vereine appelliert, dass sie Spieler, die einmal wegen Gewaltausbrüchen gesperrt waren, nicht mehr aufnehmen. "Mit dieser Forderung stoßen wir auf 100 Prozent Zustimmung. Aber die Vereine fragen uns immer wieder, wie sie bei einem Spieler erkennen sollen, ob er schon mal gewalttätig war. Da könnte nur der Verband helfen", erklärt Kirches. Vorschläge wie eine Sünderkartei, eine Art Führungszeugnis oder Einträge auf dem Spielerpass fanden bislang im Fußballverbandes Niederrhein (FVN) allerdings keine Mehrheiten.
Aus gutem Grund, wie Wolfgang Jades, FVN-Fußballobmann und Mitglied des Spielausschusses des Deutschen Fußballbundes (DFB), betont: "Das geht aus Sicht des Datenschutzes nicht und käme eine Vorverurteilung gleich." Er betont, dass jeder Fall von Gewalt gegen Schiedsrichter einer zu viel sei, doch die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben. Jades: "Wenn ein Spieler eine Sperre von zwei Jahren verbüßt hat, kann ich ihn nicht weiter bestrafen. Auch im Strafrecht ist ein Vergehen nach einer bestimmten Zeit abgegolten, dann hat jeder eine zweite Chance verdient." Für ihn braucht es keine neuen Formen der Bestrafung, die Verfahrensordnung gebe den Spruchkammern alle Möglichkeiten, abschreckende Urteile zu fällen.
Sperren in unterschiedlichen Abstufungen bis hin zu lebenslang lägen je nach Vorfall im Ermessen der Spruchkammermitglieder. "Ich bin der Meinung, dass die Kammern oft viel zu milde urteilen. Doch das ist rein subjektiv, bei Gerichtsurteilen gehen die Meinungen auch oft stark auseinander", sagt Jades, der auch bezweifelt, dass härtere Strafen grundsätzlich zu einer Reduzierung von Gewalt gegen Schiedsrichtern führen: "In der Regel sind das ja Situationen, wo Sicherungen durchbrennen, wo im Affekt gehandelt wird."
Diese Argumente kennt Thomas Kirches gut, doch ihn haben die negativen Erfahrungen unversöhnlich gemacht: "Ich kann es einfach nicht mehr hören, dass wir den Tätern die Hand reichen müssen." Er regt an, auch im FVN über Strafmaßnahmen wie Punktabzüge, Zwangsabstiege und Platzverbote für Straftäter und deren Teams, wie sie in anderen Verbänden und Städten schon praktiziert werden, nachzudenken. Laut Wolfgang Jades ist Gewalt gegen Unparteiische auch im Verband immer ein Thema, es ist auch Teil des Projekts "Schiedsrichter 3000", an dem der Verbands-Schiedsrichterausschuss aktuell arbeite. Erste Ergebnisse sollen laut Jades dieses Jahr vorliegen.