2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview der Woche
Alexander Eberlein (links, hier im Duell mit Dergahspors Mustafa Köseoglu) wird Spielertrainer in Boxdorf. F.: Zink
Alexander Eberlein (links, hier im Duell mit Dergahspors Mustafa Köseoglu) wird Spielertrainer in Boxdorf. F.: Zink

Unten, aber glücklich

Alexander Eberlein spielte einst in der 2. Bundesliga. Zufrieden ist er aber erst im Knoblauchsland

Einmal Knoblauchsland und zurück: Alexander Eberlein hat einst in Großgründlach das Fußballspielen gelernt, bevor er beim TSV 1860 München zum Zweit­ligaspieler wurde. Nach weniger erfolgreichen Jahren in Sandhau­sen und Burghausen ist er in die Landesliga zum TSV Buch gewech­selt und hat dort am Wochenende ein dramatisches Saisonfinale erlebt. Nach der Sommerpause wird der 27-Jährige Spielertrainer in Boxdorf. In der Kreisklasse.

Herr Eberlein, was war für Sie am Wochenende aufregender: der Auf­stiegskampf in der Landesliga oder der Abstiegskampf der ehemaligen Kollegen in der zweiten Bundesliga?

Alexander Eberlein: Definitiv un­ser Aufstiegskampf mit Buch. Da war ich doch deutlich näher dran.

Als ehemaliger Spieler von 1860 München und des SV Sandhausen hätte man ja erwarten können, dass Sie einen Tag später noch einmal genauso mitgefiebert haben.

Eberlein: Es ist natürlich nie schön, wenn solche Traditionsverei­ne am Abgrund stehen, aber so viele Kollegen aus meiner Zeit spielen dort inzwischen ja gar nicht mehr. Außer­dem gehört am Wochenende ein Tag dem Fußball, der andere der Familie.

Sie saßen also als früherer Zweitli­ga- Spieler nicht vor dem Fernseher?

Eberlein: Nein, der Blick auf die kicker­App musste ausreichen und außerdem war meine Familie eine gute Ablenkung. Ich hatte ja auch noch an unserem Spiel vom Vortag zu knabbern, das war dramatisch genug.

Gegen den VfL Frohnlach II ist Ihnen zunächst der Ausgleich gelun­gen und in der 92. Minute der 2:1-Siegtreffer.

Eberlein: Um es noch in die Relega­tion zu schaffen, war ein Sieg Pflicht. Wir wollten uns nicht vorwerfen las­sen, dass wir nicht alles getan hätten, was wir selbst in der Hand hatten.

Das mit dem Sieg hat geklappt, zeitgleich hat aber auch Selbitz seine Partie gewonnen. Waren Sie über die Zwischenstände informiert?

Eberlein: Eigentlich sollten wir es nicht erfahren, aber die Zuschauer haben dann natürlich doch etwas von außen reingerufen. Als ich das 2:1 erzielt habe, war der Jubel trotzdem erst einmal riesig.

Sie dachten, dass es doch noch gereicht hat für die Relegation?

Eberlein: Ja, etwa 15 Sekunden lang. Noch bevor das Spiel aber wie­der angepfiffen wurde, haben wir erfahren, dass Selbitz die Partie eben­falls gedreht hat. Die Enttäuschung war groß.

Wobei Sie im Falle eines Aufstiegs ja ohnehin nicht mit in die Bayernli­ga gegangen wären.

Eberlein: Das stimmt, aber es wäre natürlich der perfekte Abschied ge­wesen. Die letzten fünf Partien haben wir gewonnen, mit uns hatte niemand mehr gerechnet. Ich habe bis zum letzten Spieltag Gas gege­ben, das war ich dem Verein und dem Umfeld schuldig.

Den sie nach nur einer Saison be­reits wieder verlassen. Was hat Sie denn überhaupt bewegt, vor der Sai­son von Burghausen nach Buch zu wechseln?

Eberlein: Ich bin in Großgründlach geboren, meine Frau stammt aus Box­dorf, unsere Elternhäuser stehen hier. Es war für uns immer nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder zurück­kehren. In meinem letzten Jahr in Burghausen ist dann der Gedanke gereift, einen Schlussstrich unter den Profifußball zu ziehen, und nur noch in meiner Heimat zu spielen.

Was waren denn am Ende die Grün­de dafür, diesen Schlussstrich zu zie­hen?

Eberlein: Ich habe inzwischen drei Kinder und alle drei Jahre umzuzie­hen und die Familie jedes Mal aus ihrem Umfeld herauszureißen, ist nicht angenehm.

Sie ziehen nach nur einer Saison in Buch auch schon wieder weiter und werden beim ASC Boxdorf Spieler­trainer.

Eberlein: Geplant war das bei dem Wechsel nach Buch nicht, aber es reizt mich die Aufgabe als Trainer anzugehen. Im Moment fühle ich mich noch fit genug, um selbst zu spielen, aber wenn meine Knochen irgendwann nicht mehr mitmachen, würde ich gerne schon mal ein paar Erfahrungen als Trainer vorweisen.

Bei der zweiten Mannschaft von Burghausen haben Sie zuletzt in der Bayernliga gespielt, vorher aber auch schon in der zweiten Bundesliga. In Boxdorf erwartet Sie die Kreisklasse.

Eberlein: Ja, es ging jetzt relativ schnell von fast ganz oben nach fast ganz unten, aber es ist mir egal, in welcher Klasse ich jetzt genau spiele. Ich glaube, ich habe für Boxdorf ein ganz gutes Konzept entwickelt, das möchte ich jetzt gerne umsetzen.

Wie sieht dieses Konzept aus?

Eberlein: Wir wollen vor allem die Spieler aus dem Knoblauchsland wie­der besser integrieren, junge Spieler entwickeln und auch diejenigen zu­rückholen, die zu anderen Vereinen gewechselt sind, weil sie irgendwann in Boxdorf vielleicht nicht mehr glücklich waren.

In Buch verfolgt man ein ähnliches Konzept, wie haben Sie die Diskussio­nen um die zukünftige Ausrichtung des Vereins erlebt?

Eberlein: Die Ausgangslage ist hier natürlich eine ganz andere als in Box­dorf. Ob es auch in der Landesliga oder vielleicht sogar einer höheren Spielklasse gelingt, vor allem auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, muss man abwarten. Ich stelle mir das schwierig vor.

„Die Leute stellen sich das Leben als Profi sehr leicht vor.“

In Zukunft ist der TSV Buch dann ein Konkurrent, wenn Sie ebenfalls versuchen, die größten Talente aus dem Knoblauchsland anzulocken.

Eberlein:
Na ja, der TSV ist schon noch einmal ein anderes Kaliber, aber klar: Wir haben bei Boxdorf dann auch unsere Ziele.

Was vermissen Sie denn nach 13 Jah­ren bei 1860 München, Sandhausen und Burghausen am meisten, wenn Sie plötzlich wieder auf den Fußballplät­zen im Knoblauchsland stehen?

Eberlein: Eigentlich nicht viel. Im Gegenteil: Ich habe wieder viel mehr Spaß am Fußball, am Ende war das dann eher ein Zwang, vor allem, wenn man fast ganze Tage im Bus ver­bringt, um nach Rostock oder Kiel zu fahren. Die Leute stellen sich das Leben als Fußballprofi immer sehr leicht vor, aber das ist es nicht. Wenn man sieht, wie manche Spieler nieder­gemacht werden, wie psychische Pro­bleme bei Leistungssportlern zuneh­men, weil sie dem Druck nicht mehr standhalten, dann ist da nicht alles nur positiv.

Das klingt nicht gerade eupho­risch.

Eberlein: So soll das jetzt auch nicht rüberkommen. Ich habe immer­hin mein Hobby zum Beruf gemacht und habe durch den Fußball viele schöne Orte auch in anderen Län­dern kennengelernt. Auch wenn ich es nicht ganz bis nach oben geschafft habe, ist es mir gelungen, meinen Kindheitstraum schon ganz gut zu erfüllen.

Und haben viele Momente erlebt, die bleiben.

Eberlein: Absolut. Als wir mit 1860 mal gegen Augsburg in der ausver­kauften Münchner Arena gespielt haben, das war natürlich Gänsehaut pur. Oder ein Freundschaftsspiel gegen die Bayern an selber Stelle. Das nimmt einem niemand mehr.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie sehr unterschiedliche Trainertypen erlebt, nun werden Sie selbst einer. Gibt es da einen, an dem Sie sich ori­entieren können – oder eben gerade nicht?

Eberlein: Sicherlich, aber da möch­te ich keine Namen nennen. Es gibt harte und lockere Typen, es gibt große Unterschiede, wie Trainer mit den Spielern umgehen, die nicht mehr zur ersten Elf gehören, es gibt welche, die von ihren Spielern verlan­gen, Maschinen zu sein und andere, die mehr Wert auf spielerische und taktische Qualitäten legen. Entschei­dend ist allerdings, dass ich sowohl von den Trainern, mit denen ich gut zurechtgekommen bin, etwas gelernt habe, als auch von den Trainern, mit denen es nicht so gut lief.

Als Trainer können Sie dem Nach­wuchs also künftig trotz aller Proble­me eine Karriere als Fußballprofi ans Herz legen?

Eberlein: Auf jeden Fall. Welcher junge Fußballer träumt nicht davon? Wenn man es bis ganz nach oben in die Bundesliga oder sogar in die Champions League schafft, dann hat man eine stressige Zeit, muss dafür mit 35 aber wahrscheinlich nicht mehr arbeiten. Es gibt aber auch die­jenigen, die in der dritten Liga spie­len, gutes Geld verdienen, während ihrer Karriere alles blauäugig ver­prassen und danach vor dem Nichts stehen. Man muss einen Plan haben. Und ich bin sehr wohl glücklich, jetzt ein „normales Leben“ zu führen, sonst hätte ich diesen Schritt ja nicht gemacht.

Aufrufe: 026.5.2015, 09:13 Uhr
Sebastian Gloser (NN)Autor