2024-05-10T08:19:16.237Z

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Foto: dpa
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"Unsicherheit stieg von Minute zu Minute"

ANSCHLÄGE: +++ Daniel Oestreich aus Birstein (Vogelsberg) erlebt die Terrorakte in Paris hautnah mit +++ Mit Freunden beim Länderspiel im Stade de France +++

Rund 3000 deutsche Fußballfans verfolgten am Freitagabend im Pariser Nationalstadion das Freundschafts-Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland und erlebten somit hautnah die schrecklichen Terrorangriffe in der französischen Landeshauptstadt mit. Unter ihnen war auch der Birsteiner Daniel Oestreich, der mit einer Gruppe von Freunden aus Köln mit der Bahn angereist war. Dem Gelnhäuser Tageblatt schildert der ehemalige Spielausschuss-Vorsitzende des SV Birstein seine Eindrücke.
Bereits der erste Knall, der in der 17. Minute das Stadion vibrieren ließ, sorgte im weiten Rund für Besorgnis. "Uns war sofort klar, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Fußballböller gehandelt haben kann, dafür war er viel zu laut", berichtet der 38-Jährige. Etwa 50 bis 100 Meter Luftlinie sei der erste Sprengstoffanschlag entfernt gewesen, die beiden kurz darauf folgenden etwas weiter entfernt. "Ab diesem Zeitpunkt war das Spiel Nebensache. Sofort haben sich alle Leute über ihre Smartphones informiert, was draußen geschehen war", so Oestreich. Etliche Fans gingen die Tribünenstufen nach oben, um Blicke über die Balustrade erhaschen zu können. Sie sahen, wie die Polizei mit Rollgittern die Ausgänge absperrte, berichtet der Birsteiner. Sprengstoffhunde seien durch das 80 000 Zuschauer fassende Stade de France in Saint-Denis geführt worden. "Die Unsicherheit wurde von Minute zu Minute größer, jeder hatte ein mulmiges Gefühl", erzählt der Birsteiner. Mittlerweile sickerten immer mehr Nachrichten durch. Nach dem Spiel gingen Daniel Oestreich und seine Kölner Freunde zunächst in Richtung Ausgang. Aus Sicherheitsgründen wurde nur das Haupttor geöffnet. "Plötzlich hörten wir einen Schuss und viele sind in Panik zurückgerannt", berichtet der Fußballfan. Oestreich und seine Kumpels rannten inmitten einer Menschentraube ins Stadioninnere zurück und verschanzten sich zunächst hinter einem Betonfeiler und danach hinter einer Werbebande. "In unserer Gruppe waren auch zwei Pärchen dabei, die Mädchen waren fix und fertig und haben geheult", erinnert sich der Birsteiner an Begebenheiten, die man getrost als Albtraum bezeichnen kann.

Etwa eine halbe Stunde verharrte die insgesamt zwölfköpfige Gruppe noch im Stadion, um dieses danach durch den Hauptausgang zu verlassen. Zwischenzeitlich schickten der Birsteiner und seine Freunde Nachrichten nach Hause, dass sie wohlauf seien. "Die haben die Spielzeit genutzt, um draußen für Ordnung und für Sicherheit zu sorgen", kann Oestreich nachvollziehen, weshalb das Spiel nicht abgebrochen wurde. Der Nachhauseweg sei gespenstig und irgendwie unwirklich gewesen. "Da uns geraten wurde, auf öffentliche Verkehrsmittel zu verzichten, sind wir die rund dreieinhalb Kilometer zum Hotel zu Fuß gelaufen. Bei jedem schnell anfahrenden Auto oder plötzlich schneller laufenden Leuten ist man zusammengezuckt", beschreibt Oestreich, das die Angst weiterhin ein ständiger Begleiter blieb. Erleichtert traf man im Hotel ein, das später auch verriegelt wurde. "An Schlaf war trotzdem nicht zu denken. Im Fernsehen haben wir dann das Ausmaß der Anschläge richtig wahrgenommen", so Oestreich.

Am Samstagmorgen ging es mit dem Zug zurück, die Bahnhöfe seien voller Sicherheitspersonal gewesen. "So richtig sicher gefühlt habe ich mich erst, als ich zu Hause war, es war ein ganz komischer Samstag", erzählt der Birsteiner, der in Köln zwischenzeitlich noch einen zweistündigen Aufenthalt hatte.

Oestreich, der häufig im Ausland bei Fußballspielen vor Ort ist, muss das Erlebte jetzt verarbeiten, will aber weiterhin Stadien besuchen. "Die großen Metropolen wie Paris, Madrid oder London werde ich aber erst einmal meiden und ob ich im nächsten Sommer zur Europameisterschaft fahre, kann ich jetzt auch noch nicht sagen.
Aufrufe: 018.11.2015, 20:00 Uhr
Gelnhäuser TageblattAutor