Nur drei Minuten vor Schluss führte das Team von Luis Enrique 3:1. Unangenehm für den St. Germain-Fan, aber scheinbar nicht weiter bedrohlich für die Mannschaft des deutschen Julian Draxler. Während also schon in der 87. Minute der hartgesottene Paris St. Germain Fan geneigt war die Siegeshymne anzustimmen, fiel dieser wohl Minuten später in das Tal der Tränen. Doch dann folgte eine irre Aufholjagd, die ihren Höhepunkt in der 95. Minute fand. Während sich in Deutschland die halbe Fußballgemeinde über den Bayern-Dusel beschwert, wird es wohl in Spanien das Pendant des Barca-Dusels geben. In sprichwörtlich letzter Sekunde konnte sich Paris von einem Freistoß nicht wirksam befreien. Kein anderer als der herausragende Neymar platzierte mit seinem brasilianischen Zauberfüßchen den Ball ein letztes Mal so geschickt in den gegnerischen Strafraum, Sergi Roberto löste sich punktgenau und beförderte mit einer sehenswerten Volley-Flug-Grätsche den Ball ins Netz. Das überraschende Tor zur 6:1 Führung sollte den Katalenen in ihrem eigenen Stadion den Viertelfinaleinzug bescheren. Kein Wunder, dass nach so einem verrückten Fußballabend die Freude keine Grenzen kannte und das Netz Kopf stand.
Und wie es sich in den Zeiten des Internets gehört, hat jeder Fußballer, der Wert auf Öffentlichkeitsarbeit und Medienwirksamkeit legt, einen eigenen Instagram/ Twitter-Account, in denen er kleine Statements zu den zurückliegenden Ereignissen formuliert.
Selbstverständlich ist es meistens der Fußballstar nicht selber, der da die Botschaft in die Tasten eingibt, sondern Berater und Experten, die ihm diese Worte in den Mund legen. Eine solche Reaktion bescherte nun Neymar einen kleinen Shirtstorm im Internet, der mich zugegebener maßen verwundert und mehr über die Internetgemeinschaft verrät als über Neymar selbst.
Er (oder besser gesagt sein Ghostwriter) hatte ein Foto verwendet , das die PSG – Profis Adrien Rabiot und Laywin Kurzawa Tage zuvor nach ihrem fulminanten 4:0 Sieg verwendet hatten: Darauf zu sehen: Rabiot mit vier Fingern (für vier Tore) und Kurzawa mit zwei (Victory). Reaktion der Presse? Fehlanzeige. Keine Aufruhr. Warum auch? Zwei Mitglieder eines Teams feiern und würdigen ihre eigene Leistung bzw. die des Teams im Netz. Ist doch ganz normal. Neymars Snapchat- Foto hingegen wirbelte eine Menge Staub auf. Er hatte das besagte Foto verwendet und ein klein wenig abgeändert. Er versah lediglich das Bild mit einer einfachen Rechenaufgabe “4+2=6”. Passte ja perfekt. Er würzte anschließend sein Werk mit hämischen Smileys, denen die Tränen vor Lachen aus den Augenwinkeln rinnen.
Ich wundere mich über die empörte Reaktion im Netz. Irritiert fragt sich die Internet - Gemeinde über Neymars Reaktion „Muss das sein?“. Von unsportlichem Verhalten ist die Rede. Von unnötigem Nachtreten. Häh? Auf mich wirken diese Beschwerden aber mehr als lächerlich und ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Eher beweisen all diejenigen Pseudomoralisten, die sich an so einem , in meinen Augen höchst kreativen und pfiffigen Post stören, ziemliche Dünnhäutigkeit, Inkonsequenz und fehlendes Gönnerwesen.
Das gegenseitige Necken und zärtliche Dissen ist schließlich Teil eines jeden Spiels, das wissen wir alle noch von Spieleabende mit Freunden oder Eltern. Das Reflektieren und verbale Nachbereiten des erfolgten Spiels ist unauslöschbarer Bestandteil dessen, quasi das Salz in der Suppe und es versteht sich als Ehrensache, als Unterlegene/r bis zu einem gewissen Grad diese „Demütigungen“ zu er/tragen. Natürlich muss es dabei respektvoll zugehen. Aber das tut Neymar. Das Unangenehme an seinem Post ist ja vielmehr, dass er den PSG – Profis nun, nachdem die Sensation geschafft ist, den eigenen Spiegel vor die Nase hält. Sie waren sich ja schließlich nach dem 4-0 Sieg so siegessicher, dass sie diesen Erfolg der ganzen Welt unter die Nase gerieben haben. Selbstbewusst und lässig. Wo also genau soll der Unterschied zwischen diesem und jenem Post liegen? Neymar hat vielmehr den Sinngehalt der bekannten Redewendung deutlich gemacht: wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und dass man sich gerade in einem Wettbewerb wie der Champions-League nicht zu sicher fühlen sollte, solange das Rückspiel nicht ausgetragen ist.
Ein bisschen wohlwollende Gelassenheit und auch reflektierte Zuneigung täte allen gut. Und stattdessen sollten sich alle Beteiligten darauf besinnen, die Niederlage und all ihre kleinen schmerzhaften und zärtlichen Schmähungen wie ein Sportsmann hinzunehmen.
Bildquelle:
http://buzz.eurosport.de/champions-league-2/muss-das-sein-neymar-verspottet-psg-stars-22393/