2024-04-16T09:15:35.043Z

Interview
F: Zobe
F: Zobe

"Besonders für MCH Sennestadt tut mir die ganze Sache leid"

Interview mit Ulrich Clemens, dem Futsal-Beauftragten des Westfälischen Fußball- und Leichtathletik-Verbandes

Ulrich Clemens ist kein Mann, der lange um den heißen Brei redet. Der Fußball-Funktionär sagt, was er denkt. Zu den Ereignissen in der Futsal-DM-Endrunde sagt der Futsal-Beauftragte des Westfälischen Fußball- und Leichtathletik-Verbandes: "Das ist wirklich dumm gelaufen. Wirklich total unglücklich. Besonders für MCH Sennestadt tut mir die ganze Sache leid."

Herr Clemens, am Sonntag stehen sich im DM-Finale zum Futsal mit dem VfL 05 Hohenstein-Ernstthal und SSV Jahn 1889 Regensburg Futsal zwei Mannschaften gegenüber, die nur noch zu einem Bruchteil deutsche Spieler aufs Parkett schicken werden. Die Hohensteiner treten mit einer verkappten ukrainischen Nationalmannschaft an, die Regensburger mit einer brasilianischen Auswahl. Wie denken Sie darüber?
ULRICH CLEMENS: Ich befinde mich da in einer Riesen-Zwickmühle. Zu dem Thema gibt es zwei Seiten. Zum einen muss man festhalten, dass der Deutsche-Meister-Titel im Futsal mittlerweile deutlich mehr Bedeutung hat als noch vor Jahren. Der Ehrgeiz der teilnehmenden Teams wächst. Der Wettbewerb wird härter. Alle wollen Deutscher Meister werden. Die Sachsen aus Hohenstein waren in diesem Jahr vielleicht besonders pfiffig und schlitzohrig. Da hat einer ganz genau die Statuten gelesen. Betrugsabsichten unterstelle ich aber niemandem. Leidtragender ist aber ganz klar das MCH Sennestadt.


Lassen Sie uns den Fall noch einmal aufrollen. Hohenstein beantragte bereits im Winter 2016 Spielberechtigungen für mehrere Ukrainer. Die meisten spielten noch bis März 2017 in ihrer Heimat Futsal, ehe sie für die DM-Spiele der Hohensteiner eingeflogen wurden. Ist so etwas mit den deutschen Statuten vereinbar?
CLEMENS: Aus meiner Sicht nicht. Laut unserer Durchführungsbestimmungen, Paragraph 85, sind diese Leute nicht spielberechtigt, weil sie parallel in einem anderen Land Futsal gespielt haben. Die hätten definitv nicht spielen dürfen.

Warum haben die dann doch mitgespielt? Wer hat denen eine Spielerlaubnis erteilt?
CLEMENS:Wie das letztlich zustande gekommen ist, kann und will ich nicht bewerten. Unter dem Strich ist da auf jeden Fall etwas falsch gelaufen.

Nun kann man ja noch sagen, solange die in der Regionalliga unter der Flagge des jeweiligen Landesverbandes ihre Meisterschaftsspiele austragen, sind solche Zustände gerade noch duldbar. Aber spätestens wenn bei der DM-Endrunde der große DFB ins Spiel kommt, muss es doch mit rechten Dingen zugehen. Spätestens dann hätte jemand diese Praxis hinterfragen und den Ukrainern die Spielerlaubnis entziehen müssen.
CLEMENS: Im Grundsatz gebe ich ihnen Recht. Allerdings hat es keinen Einspruch gegen die Spielwertungen von Hohenstein gegeben. Der Widerstand regte sich erst, als alle Fristen bereits abgelaufen waren. Ich habe mich dennoch der Sache nach dem Viertelfinale Sennestadt - Hohenstein angenommen und noch einmal schriftlich beim DFB interveniert.

Und?
CLEMENS: Das Antwort-Schreiben des DFB über den Ausgang des Verfahrens an Sennestadt und an mich kam sehr spät. Es ging ja für Sennestadt um das nächste Spiel, das Halbfinale gegen Fortis Hamburg am Osterwochenende. Erst auf Nachfrage kam am Gründonnerstag um 16.30 Uhr überhaupt die Entscheidung des DFB. Da empfehle ich dem DFB mehr sportliche Disziplin, wenn ich das so sagen darf. Außerdem hat mich das Schreiben inhaltlich enttäuscht. Dort wurde lediglich festgestellt, dass die Ukrainer eine gültige Spielerlaubnis besitzen und dass der DFB deshalb keine Veranlassung sehe, etwas zu unternehmen. Meiner Meinung nach hätte der DFB ruhig mutiger sein und mal eine Begegnung neu ansetzen können.

Und?
CLEMENS: Die Qualität der Begründung hat mich schon enttäuscht, weil dort überhaupt nicht auf die Fragen und Sorgen der Sennestädter eingegangen worden ist. Die Mühe hätte sich der DFB schon machen müssen. So entsteht schnell der Verdacht, der Verband kümmere sich nicht um die Sorgen seiner Mitglieder und ihm sei dieses Anliegen egal.


Wie interpretieren Sie die Antwort?
CLEMENS: Zunächst einmal muss man festhalten, dass es Lücken in der Futsal-Spielordnung gibt. Die müssen wir schließen.

Welche haben Sie im Kopf?
CLEMENS: Manche Landesverbände haben den Futsal noch gar nicht auf dem Schirm. In anderen läuft er noch als Freizeit- und Breitensport. Bei uns im Westen haben wir ihn mittlerweile in die Spielordnung des "normalen Fußballs" integriert. Das hat zur Folge, dass es regional große Unterschiede bei Wechselfristen, Durchführungsbestimmungen etc. gibt. Der Futsal entsteht eben erst langsam in Deutschland.


Aber spätestens der DFB hätte vor Beginn der DM-Endrunde doch etwas merken und einschreiten müssen - oder?
CLEMENS: Ja, definitiv. Da hätte man im Vorfeld besser aufpassen müssen. Im laufenden Wettbewerb ist jetzt der Zeitdruck so groß geworden, dass sie alle die Köpfe einziehen, sich wegducken und die DM abwickeln. Ich wiederhole mich gerne: Hier hätte man mutiger sein und einschreiten müssen.

Wie geht es denn dann nach dem DM-Finale weiter?
CLEMENS: Es liegt an der Futsal-Kommission des DFB, die Missstände aufzuarbeiten. Da wird es auf jeden Fall Änderungen geben. Die Sennestädter haben mit ihrer Recherche und ihrem Protest richtig etwas angestoßen.


Zum Schluss noch ein Tipp: Wer wird Deutscher Meister? Die Ukraine oder Brasilien.
CLEMENS: Wenn Sie mich so fragen, dann sage ich: Brasilien.

Aufrufe: 029.4.2017, 10:00 Uhr
Matthias Foede / FuPaAutor