2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

Über zwei Millionen Euro Schwarzgeld

Funktionäre des TSV Aindling haben laut Anklage über Jahre hinweg Staat und Sozialversicherung systematisch betrogen +++ Sie tricksten demnach in unterschiedlichen Bereichen

Über Monate hinweg geisterten Summen umher. Über Beträge im hohen sechsstelligen Bereich ist ebenso spekuliert worden wie über eine Million Euro. Nun ist bekannt: Die Steueraffäre des TSV Aindling nimmt weitaus größere Ausmaße an als vermutet. In einer Presseerklärung nannte die Staatsanwaltschaft Augsburg erstmals konkrete Zahlen.

Laut Anklage haben Vorstandsmitglieder des Vereins Betrug im großen Stil betrieben: Insgesamt beläuft sich die Summe vorläufig auf rund 2,1 Millionen Euro, wie Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai erklärte. Nachdem zusehends Details an die Oberfläche dringen, wird deutlich, welches System der Verein über etliche Jahre bei der Bezahlung seiner Fußballer verfolgt haben soll.

Wie die Aichacher Nachrichten mehrfach und exklusiv berichteten, müssen sich vier ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder des TSV Aindling vor Gericht verantworten. In Folge der Steuerrazzia vom November 2011 wird ihnen Sozialversicherungsbetrug in Höhe von mindestens 1,6 Millionen Euro und Steuerhinterziehung in Höhe von mindestens 480.000 Euro vorgeworfen. Dass ein Amateurfußballverein mit derart großen Beträgen jonglierte, überrascht sogar Dr. David Herrmann. Der Augsburger Rechtsanwalt wird einen der Angeklagten im bevorstehenden Prozess vertreten. „Dass solche Beträge in dieser Spielklasse möglich sind, hätte ich nicht gedacht“, sagt der Jurist.

Inzwischen wird durch die Anklage deutlich, wie systematisch der Verein in den Jahren zwischen 2003 und 2011 mit Schwarzgeld in seiner Kasse umgegangen ist. Spieler der damaligen Bayernligamannschaft waren als geringfügig Beschäftigte beim Verein angestellt, darüber hinaus sollen unversteuerte Fahrtkosten und Prämien an sie ausbezahlt worden sein.

Um sich die Mannschaft leisten zu können, trickste der TSV Aindling laut Anklage nicht nur bei den Ausgaben, sondern auch bei den Einnahmen. So sollen Ablösesummen, Sponsorengelder, Zuschauereinnahmen und Erlöse aus dem Verkauf von Essen und Getränken an den Heimspieltagen am Fiskus vorbei in die eigene Vereinstasche gewirtschaftet worden sein.

Den Beschuldigten werden von der Staatsanwaltschaft unterschiedlich viele Einzelfälle zur Last gelegt: zwischen 41 und 287 Fälle beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, zwischen vier und 58 Fälle beim Vorwurf der Steuerhinterziehung. Allgemein wird davon ausgegangen, die Angeklagten hätten sich nicht selbst bereichert. Dies könnte sich im Prozess strafmildernd für sie auswirken.

Nach Informationen unserer Zeitung haben die Beschuldigten unterschiedlich auf die Ermittlungen gegen sie reagiert. Während die einen versuchten, sich möglichst kooperativ zu zeigen und den Schaden wiedergutmachen wollen, sollen andere wenig Interesse an einer Kooperation haben. Derweil wollen die Anwälte die Ausgangslage für ihre Mandanten verbessern und die Verhandlungssumme drücken. Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass gerade die Rentenversicherung kaum Zugeständnisse macht.

Verhandelt wird vor dem Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts, bis zum ersten Prozesstag werden wohl noch Monate vergehen. Den Angeklagten drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Werden die Funktionäre lediglich zu Beihilfe verurteilt, verringert sich die Freiheitsstrafe auf maximal drei Jahre und neun Monate. Haftstrafen bis zu zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden.

Obwohl es noch keine Termine für die Hauptverhandlung gibt, sollen Rechtsanwälte und Staatsanwaltschaft bereits an einer Lösung arbeiten, ist aus Justizkreisen zu hören. Diese Form der Absprache könnte das Verfahren beschleunigen und ist bei Steuerdelikten nicht ungewöhnlich.
An das Schicksal der angeklagten Funktionäre ist die finanzielle Lage des TSV Aindling gekoppelt. Mehr denn je drohen dem Verein nun die Insolvenz und das Aus. Nachzahlungen in Höhe von über zwei Millionen Euro muss er aufbringen. Aindlings Bürgermeister Tomas Zinnecker hatte am Montag betont, dem Verein helfen zu wollen. Mögliches Szenario: Die Marktgemeinde kauft dem TSV Aindling das Sportheim und die Tribüne ab und spült Geld in die Vereinskasse.

Aufrufe: 025.7.2014, 13:38 Uhr
Aichacher Nachrichten / Johannes GrafAutor