2024-04-25T14:35:39.956Z

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F: Patten
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118 Minuten Spannung - aber noch kein Endspiel

Nach der Neuansetzung der Partie Audorf - Preetz - Die Verhandlung im Detail

Genau 40 Tage nach dem Abbruch des Verbandsliga-Spiels zwischen den Abstiegskandidaten TSV Vineta Audorf und Preetzer TSV und 19 Tage nach dem Saisonende hat das Verbandsgericht des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes (SHFV) am Donnerstagabend in einer Berufungsverhandlung ein Urteil gesprochen. Nachfolgend die 118-minütige Verhandlung in der „Arena München“ des Uwe-Seeler-Fußballparks in Bad Malente im Zeitraffer.

Die in der 80. Minute von Schiedsrichter Hakan Yilmaz (FC Torpedo 76 Neumünster) wegen zweier verletzter PTSV-Spieler – Thorge Beuck erlitt nach bangen Minuten auf dem Feld, in denen auch eine Lähmung nicht ausgeschlossen werden konnte, eine Wirbelstauchung, Jesse Schlüter einen Schlüsselbeinbruch – vorzeitig beendete Partie (1:1) muss neu angesetzt werden, weil das Gericht bei den Vereinen „kein Verschulden im rechtlichen Sinne“ erkennen konnte.

Das Verbandsgericht um den Vorsitzenden Richter Hans-Carsten Todt (FSV Farnewinkel-Nindorf) hob das Urteil des SHFV-Sportgerichts auf, das das Spiel in erster Instanz mit einem 1:1 gewertet hatte.

19.30 Uhr:
Pünktliche Begrüßung von Richter Hans-Carsten Todt.

19.37 Uhr:
Todt skizziert den „Sach- und Streitstand“. Diverse Spieler und Funktionäre sowie die Rechtsanwälte beider Vereine im gut gefüllten Verhandlungsraum hören aufmerksam zu.

19.43 Uhr:
Erste Wertung des Verbandsgerichts, Todt spricht Klartext: „Das Urteil des Sportgerichts hält einer Prüfung nicht stand. Wir halten es für falsch.“ Lange Gesichter beim Preetzer Anhang, obwohl diese Erkenntnis auch für den PTSV nicht ganz unerwartet kommt. Zu prüfen sei, so Todt, ob ein „Verschulden“ von Preetz vorgelegen habe. Wenn ein solches Verschulden vorliege, greife Paragraf 30.2 der Spielordnung, das Spiel würde somit für die andere Partei gewertet werden. Würde dies nicht der Fall sein, müsse nach Paragraf 30.1 eine Neuansetzung folgen. Der ebenfalls ins Spiel gebrachte Paragraf 25 der Rechtsordnung, nach der auch andere Spielwertungen – wie eben das 1:1 bei Abbruch – sei nur für den Fall der Bestrafung eines Vereins vorgesehen, eine solche habe das Sportgericht in seinem Urteil aber ausdrücklich nicht vorgesehen. Da dieser Sachverhalt nicht eindeutig geklärt sei, wäre die Verhandlung notwendig geworden.

19.47 Uhr: Start der Beweisaufnahme. Als erster Zeuge wird Schiedsrichter Hakan Yilmaz gehört. „Beide Spieler lagen verletzt da“, erinnert er sich. „Nach einer Besprechung der Preetzer Mannschaft hat mich ein Preetzer Spieler darüber informiert, dass seine Mannschaft nicht mehr in der Lage sei, weiterzuspielen.“ Selbst habe er noch nicht an Abbruch gedacht, da bis dahin „noch alles im zeitlichen Rahmen“ gewesen sei. Er habe dem Audorfer Trainer den Wunsch mitgeteilt und die Partie abgebrochen. „Der Rettungswagen war zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Platz, der Notarzt kam erst, als wir schon lange in der Kabine waren, etwa nach 35 bis 40 Minuten“, erklärt der 24-jährige Unparteiische.

20.03 Uhr: Die Aussagen bestätigt Lukas Lindner mit klarer Stimme im Wesentlichen. „Unser Torwart konnte sich nicht mehr bewegen. Ich kann nicht sagen, wie lange es dauerte. Ich habe es als meine Pflicht gesehen, abzusprechen, was man machen kann“, sagt der 23-Jährige. „Ich habe dem Schiedsrichter gesagt: Wir würden das Spiel gerne abbrechen.“ Der Unparteiische habe erwidert, er müsse das mit dem Trainer von Audorf besprechen. Entsprechend sei der Schiedsrichter zum Audorfer Trainer gegangen, habe mit ihm gesprochen und dann nach 20 Sekunden ohne weitere Rücksprache das Spiel abgebrochen.

20.07 Uhr: Für Raunen bei den Preetzer Spielern sorgten die Ausführungen von Audorfs Coach Norman Bock: „Ich habe mehrfach gesagt, dass wir weiterspielen wollen.“ Zwischenrufe. Ferner erinnerte sich der 32-Jährige an die Schiedsrichter-Worte unmittelbar vor dem Abbruch: „Hiermit setzte ich sie darüber in Kenntnis, dass der PTSV das Spiel nicht fortsetzen will. Ihre Meinung ist unwichtig, da eine Partei nicht weiterspielen will.“ Anschließend habe sich der Preetzer Trainer im Mannschaftskreis der Audorfer für das Fair-Play bedankt. Bock: „Ich habe geantwortet, dass das kein Fair-Play war, denn wir haben nicht Ja und nicht Nein gesagt.“

20.16 Uhr: Erneut wird Schiedsrichter Yilmaz in den Zeugenstand gerufen. Ohne sich an die genaue Wortwahl erinnern zu können, stimmt er den Ausführungen Bocks im Grundsatz zu.

20.20 Uhr: Todt hat genug Informationen gesammelt, fragt die Vereine: „Müssen wir noch Zeugen hören?“ Das sei seiner Meinung nach nur nötig, wenn diese neue Fakten beitragen könnten. Die Rechtsanwälte benennen die weiteren Zeugen und erklären, was diese beisteuern könnten. So haben die Audorfer noch den Live-Ticker-Schreiber für den exakten zeitlichen Ablauf oder die Preetzer einen Zeugen dafür, dass die Mannschaft sich nach der Unterbrechung weiter warm machte.

20.24 Uhr: Das Verbandsgericht zieht sich für „zehn Minuten“ zur Beratung zurück.

20.48 Uhr: „Es hat etwas länger gedauert“ – das Gericht sei der Meinung, dass die weiteren Zeugen keine neuen Erkenntnisse versprechen. Somit blieben auf Seiten der Preetzer Felix Ziebell, Sören Thiessen, Obmann Dietmar Frahm und Trainer Andreas Möller ebenso ungehört wie die Audorfer Stephen Hell, Patrick Hoffmann, Kapitän Mirko Sienknecht und der stellvertretende Fußballobmann Matthias Kruse. Die Beweisaufnahme ist beendet.

20.50 Uhr: Kopfschütteln beim PTSV. Ein Schriftstück, das die Audorfer einen Tag vor der Verhandlung eingereicht haben, wurde den Preetzern nicht weitergeleitet und führt zu einer Unterbrechung von zwei Minuten.

20.52 Uhr: Es folgen die Plädoyers. Audorfs Rechtsanwalt Martin Rubinius sieht ein „Verschulden der Preetzer“. Als Beispiel führte er eine Spielwertung aus der Bayernliga an, bei dem der Wunsch nach Abbruch als Verschulden und das Spiel damit für den Gegner gewertet worden sei: „Es ist ein klares Bild.“ Der Anwalt des PTSV, Dr. Jürgen Punke, erkennt hingegen „ein gemischtes Beweisbild“ und auch „Schwächen im Regelwerk“. Fest stehe, es habe sich nicht „um eine bewusst herbeigeführte oder strategische Verletzung gehandelt“. Die Preetzer wären sich unter dem Eindruck der Situation nicht der Konsequenzen bewusst gewesen. Das Sportgericht hätte schon in erster Instanz ein Wiederholungsspiel anberaumen müssen. „Wer definiert, was eigentlich Verschulden im Sinne der Regel ist“, stellt er eine wichtige Frage. „Reicht dazu ein Anstoß oder muss der Abbruch alternativlos sein?“ Unter diesen Umständen sei „ein Verschulden nicht gesichert feststellbar“.

21.05 Uhr: Das Verbandsgericht zieht sich zur Beratung zurück.

21.23 Uhr: Todt spricht das Urteil: „Erstens: Das Urteil des Sportgerichts vom 15. Mai 2017 wird aufgehoben. Zweitens: Das Fußball-Verbandsligaspiel des TSV Vineta Audorf gegen den Preetzer TSV ist durch den Spielausschuss neu anzusetzen. Drittens: Die Kosten des Verfahrens trägt der Verband.“ In seiner kurzen Begründung hob Todt hervor, dass ein „Verschulden mehr sein muss als eine reine Veranlassung“. Für ihn sei der Schiedsrichter der „maßgebliche Bewertungsanker“. Aus den Ausführungen des Unparteiischen sei nicht mit Sicherheit zu erkennen, ob es über den reinen Wunsch des PTSV, das Spiel nicht weiterführen zu müssen, hinaus ein Verschuldensmoment auf Seiten der Preetzer vorliege. „Parallelurteile helfen nicht, weil die individuellen Umstände nicht bekannt sind“, so der Richter. „Es ist bedauerlich, dass es eineinhalb Monate gedauert hat, aber so ist es leider manches Mal in der Sportgerichtsbarkeit.“

21.28 Uhr: Todt schließt die Verhandlung.
Aufrufe: 021.6.2017, 06:30 Uhr
SHZ / Torge Meyer;Christian JessenAutor