2024-03-28T15:56:44.387Z

Interview

Was macht eigentlich Alessandro Caruso ?

Der Fußball steht beim ehemaligen Spieler des TSV Schilksee nicht mehr im Mittelpunkt

Die Laufbahn vom jungen Alessandro Caruso begann vielversprechend. Bei der SG Siemens Karlsruhe fiel der Linksfuß auf und wechselte 1997 in die A-Jugend des Karlsruher SC. Es war der Beginn einer Profi-Karriere, doch der ganz große Durchbruch blieb Caruso verwehrt. „Ich habe einige falsche Entscheidungen getroffen, wurde nicht immer gut beraten und hatte leider Pech mit Verletzungen“, sagt der heute 36-Jährige, fügt aber direkt hinzu: „Ich trauere aber nichts hinterher. Was vorbei ist, ist vorbei.“

Dafür hat sich ein neues Kapitel im Buch des Lebens für Caruso geöffnet. Gerade erst ist er von Eckernförde nach Flensburg gezogen. Seit März 2017 ist er ausgelernter Augen-Optiker und zufrieden mit seiner Berufswahl: „Es ist genau das, was mir Spaß macht. Brillen sind heute nicht nur eine Sehhilfe sondern auch ein Mode-Accessoires und haben etwas mit Stil zu tun. Ich freue mich immer, wenn ich Kunden helfen kann, die perfekte Brille zu finden. Ich stehe jeden Tag auf, und bin glücklich wieder zur Arbeit gehen zu dürfen.“

Fast hätte Caruso mit 36 Jahren noch einmal ein Comeback in der Kreisklasse B Rendsburg-Eckernförde gegeben. Sein früherer Mitspieler beim TSV Schilksee, Alen Ajdarpasic, kickt für den Eckernförder SV III, der als Tabellenführer auf den Aufstieg in die A-Klasse hoffen darf. „Ich habe über 15 Jahre meine Knochen hingehalten und gerade einfach keine Lust mehr beim Training in der Kälte auf dem Platz zu stehen“, sagt Caruso ehrlich und muss über seine Antwort selber etwas schmunzeln.

Ob er sich in Flensburg noch einmal einem Verein anschließen will, bezweifelt er. Andere Dinge stehen für Caruso nun im Mittelpunkt. Natürlich der Beruf, bei Optiker Fielmann in Flensburg. Dazu Hobbys, die auch weiterhin sportlicher Natur sind. So hat er den Lederball mittlerweile gegen die Hantelbank eingetauscht. Im Fitness-Studio kann Caruso sich auspowern, wenn er nach einem langen Arbeitstag dazu noch die Kraft hat. „Man muss bedenken, dass ich meine Ausbildung mit 36 Jahren abgeschlossen habe. Andere Menschen tun das mit 17 Jahren. Die Belastbarkeit ist da noch eine andere“, sagt Caruso schmunzelnd.

Beim Blick auf die Laufbahn des gebürtigen Deutschen, dessen Eltern schon Jahre vor seiner Geburt aus Italien ins Badener Land bei Karlsruhe zogen, kommt man zwangsläufig zum Fazit, dass für Caruso mit etwas Glück, viel mehr möglich gewesen wäre. An spannenden und interessanten Geschichten aus seiner Profi-Karriere mangelt es nicht. Bereits kurz nach seinem Wechsel zum Karlsruher SC lernt er den heutigen Bundestrainer „Jogi“ Löw kennen. „Man hat schon damals gesehen, dass er unglaublich viel Fußballwissen und großes Potenzial als Trainer hat“, erinnert sich Caruso, der eine gute Anfangszeit beim KSC erlebt.

Das bleibt auch dem DFB nicht verborgen. Der Linksverteidiger debütiert erfolgreich im U18-Nationaltrikot. Als ob das nicht schon aufregend genug gewesen wäre, klingelt am selben Abend das Telefon der Familie Caruso. „Dran war der Präsident von Chievo Verona. Sie wollten mich unbedingt haben“, erinnert sich Caruso.

Natürlich schmeichelt dieses Angebot ihm und seiner Familie, „aber ich war nun mal in Deutschland zu Hause und wollte nicht ins Ausland.“ Außerdem ist Caruso zu diesem Zeitpunkt auch in Deutschland auf einem guten Weg. Als Youngster zeigt Caruso beim KSC starke Leistungen, gehört zum Stamm und steigt mit seiner Mannschaft in die 2. Liga auf. Dort erwischt es ihn – Bandscheibenvorfall.

Eine schlimme Zeit beginnt für Caruso, dem durch die einjährige Pause natürlich viel mehr Zeit verloren geht. Er verpasst es, weitere Erfahrung zu sammeln und muss sich erst wieder herankämpfen. Doch das gelingt.

Nach einer erfolgreichen Saison in der Regionalliga Süd beim VfB Stuttgart II, mit bekannten Mitspielern wie dem früheren St. Pauli-Kapitän Fabio Morena oder auch gestandenen Bundesligaspielern wie Matthias Lehmann (heute 1. FC Köln) oder Kevin Kuranyi, wechselt Caruso im Sommer 2002 zum 1. FC Saarbrücken. Es ist wohl die erfolgreichste Zeit, was auch an Trainer Horst Ehrmantraut liegt, der voll auf Caruso baut und ihn häufiger auch offensiver einsetzt.

Am 24. September 2014 erlebt er eine ganz besondere Partie. Im Wildparkstadion geht es gegen seinen Ex-Klub aus Karlsruhe. Gleich mehrfach hat Caruso beste Chancen und steht frei vor KSC-Torwart Markus Miller. Doch ein Tor gelingt ihm nicht. Immerhin bereitet er die Führung von Matthias Hagner vor, doch Sean Dundee köpft noch den 1:1-Endstand. „Allein in der Hinrunde hätte ich sechs bis acht Tore machen können“, sagt Caruso, der immerhin auf ein Tor und zwei Vorlagen kommt.

Ein Ende seiner Zeit in Saarbrücken zeichnet sich eigentlich nicht ab, doch in der Rückserie und den anstehenden Vertragsgesprächen lernt Caruso die Schattenseiten des Profifußballs kennen. Auch wenn Trainer Ehrmantraut seinen Linksfuß gerne behalten möchte, gibt es bei den anstehenden Vertragsgesprächen ein böses Erwachen. Ein neuer sportlicher Leiter ist gekommen, der Caruso trotz Stammplatz weniger Gehalt anbietet.

Auch von seinem Berater ist Caruso enttäuscht. Ein Termin mit dem Präsidenten soll Klarheit bringen, doch zu dem kommt es nicht. Caruso soll sich einen neuen Klub suchen. Aufgrund seiner Leistungen gibt es aber genug Interessenten. Unter anderem wollen ihn der FC Augsburg, der gerade den Aufstieg in die 2. Bundesliga knapp verpasst hat und der FC St. Pauli, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Regionalligist, holen. „Aber ich Idiot wollte unbedingt in der 2. Liga spielen“, ärgert sich Caruso, der ohne persönliches Gespräch mit dem Trainer, bei Eintracht Braunschweig unterschreibt. „Das war ein großer Fehler. Ich habe schnell gemerkt, dass man mich da gar nicht wollte.“

Immerhin wirft er mit den Niedersachsen Borussia Dortmund aus dem DFB-Pokal und steht gegen Jan Koller und Co. in der Startelf.Dennoch kommt es bereits nach einer Halbserie wieder zur Trennung, und Caruso hat mit dem Wechsel zum SV Wehen Wiesbaden erneut wenig Glück. „Das war meine zweite Fehlentscheidung“, gibt er zu. Es ist keine leichte Zeit, zumal in Braunschweig seine damalige Frau mit dem heute 10-jährigen Sohn Giuliano schwanger ist. Caruso wird gedrängt, seinen Vertrag aufzulösen. „Das Leben als Profi ist leider nicht immer so rosig, wie es sich viele vorstellen. Es war und ist schon enttäuschend, wie mit Spielern teilweise umgegangen wird“, sagt Caruso, der aber auch nach seiner Zeit in Wiesbaden nicht an sich zweifelt oder gar seine Profilaufbahn beenden will.

Wie gerufen kommt da das Angebot des VfB Lübeck aus dem hohen Norden. Caruso spielt vor und überzeugt. Unter Uwe Erkenbrecher ist er wieder Stammspieler, doch der VfB schlittert in eine schwere finanzielle Krise. Erkenbrecher geht, dafür kommt Uwe Fuchs. Plötzlich ist Caruso dem angeschlagenen Klub zu teuer. Erstmals seit seinem Karrierestart ist Caruso im Jahr 2008 vereinslos. „Ich habe aber nicht aufgegeben“, erinnert er sich.

Er wird zum Training der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV) eingeladen und überzeugt durch eine tadellose Einstellung. In einem Testspiel gegen dem MSV Duisburg schlägt das Schicksal erneut hart zu. Ein unnötig hartes Einsteigen eines MSV-Spielers auf Höhe der Mittellinie sorgt für eine Schockdiagnose: Außen- und Kreuzbandriss. „Mein damaliger Berater hat mir direkt gesagt, dass es jetzt wohl für mich mit dem Profifußball vorbei ist“, erinnert sich Caruso.

Er lässt seine Kontakte zum Braunschweiger Mannschaftsarzt spielen, der wiederum am Wochenende noch einen Termin in einer Münchner Spezialklinik organisiert. „Ich bin zusammen mit meinem Vater nachts mit der Bahn nach München gefahren. An jedem Bahnhof wo wir umstiegen, musste mein Vater irgendwie einen Rollstuhl besorgen, da mein Knie so dick war und ich mich anders nicht bewegen konnte.“

Fast zwei Jahre ist Caruso raus, und der Gedanke an ein Comeback als Fußballer ist nur noch gering, als sich aus dem Nichts der Goslarer SC bei ihm meldet. „Sie wollten etwas aufbauen und hatten meinen Namen noch aus der Kartei der VDV“, erinnert sich Caruso, der zu diesem Zeitpunkt aber 12 Kilo von seinem Idealgewicht entfernt ist. Im Probetraining überzeugt er dennoch und soll einen Vertrag bekommen, wenn er innerhalb von zwei Monaten zehn Kilo abnimmt. „Ich habe zwölf abgenommen“, schmunzelt Caruso.

Die Zeit in Goslar ist wie eine Wiedergutmachung für die vielen Enttäuschungen zuvor. „Wir waren eine geile Truppe“, sagt Caruso, der 2012 mit dem GSC in die Regionalliga aufsteigt. Doch am Ende der Saison macht sich die Sehnsucht zur Familie bemerkbar, die in Schleswig-Holstein lebt. Ein Angebot von Weiche Flensburg schlägt er aus, auch wenn es ihn sportlich gereizt hätte.

Mit dem TSV Schilksee und Mäzen Bodo Schild hat ein weiterer finanzkräftiger Arbeitgeber angefragt. „Ich musste ja an meine Familie denken. Zudem sollte ich über den TSV Schilksee einen Ausbildungsplatz bekommen“, sagt Caruso, der auch hier einige Enttäuschungen nach nicht eingehaltenen Versprechen erleben musste.

Dennoch schafft er den schwierigen Schritt aus dem Profifußball in das „normale“ Berufsleben und ist – trotz einiger Rückschläge – mit seiner Karriere nicht komplett unzufrieden. „Manche Sachen kannst du nicht beeinflussen, und es bringt nichts, sich den Kopf über Vergangenes zu zerbrechen.“ Der Weg aus dem Badener Land bis ins nördliche Schleswig-Holstein war für Caruso lang. Dock aktuell fühlt er sich in seiner neuen Wohnung und im Job genau richtig aufgehoben.
Aufrufe: 010.5.2017, 16:30 Uhr
SHZ / Stefan GerkenAutor