2024-04-24T13:20:38.835Z

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Den Kampf angenommen: Aleksandro Petrovic (oben) und Dusan Jevtic feiern den Sieg gegen Burghausen. Foto: Hübner
Den Kampf angenommen: Aleksandro Petrovic (oben) und Dusan Jevtic feiern den Sieg gegen Burghausen. Foto: Hübner

Grübl: "Manche hoffen, dass wir auf die Schnauze kriegen"

Nicht jeder reist gerne nach Buchbach

Es lief die 75. Spielminute. Christian Brucia hatte gerade mit einer riskanten, aber erfolgreichen Grätsche den Burghauser Angreifer gestoppt, Aleksandro Petrovic, diesmal Kapitän, ballte die Faust, als hätte seine Mannschaft gerade den nächsten Treffer erzielt, brüllte, dass man es sicher bis auf den Dorfplatz hörte: „Sehr gut, Junge.“ So geht Abstiegskampf. Am Ende gewann der TSV Buchbach 3:1 gegen den großen Favoriten Wacker Burghausen. Und hat einen weiteren Schritt aus dem Tabellensumpf getan.

Noch Ende November war das kleine Buchbach aus dem Landkreis Mühldorf Vorletzter gewesen in der Regionalliga Bayern, diesmal, so schien es, würde es sie endgültig erwischen. Jahr für Jahr wird der TSV Buchbach als einer der ersten Abstiegskandidaten gehandelt. Wie er sich am Ende aber doch immer wieder recht souverän in der Klasse behauptet, das nötigt auch und vor allem Rainer Koch, dem BFV-Präsidenten, höchsten Respekt ab. So oft es geht, kommt er nach Buchbach, für ihn ist das hier ein Farbtupfer, der für die Vielfalt der Regionalliga steht: „Neben den Vereinen, die möglichst schnell nach oben wollen, und den Zweitvertretungen der Bundesligisten gibt es eben auch Klubs wie Buchbach, für die das hier die Champions League ist.“

Die Regionalliga Bayern ohne Buchbach? Kaum vorstellbar. Von Beginn an ist der rein ehrenamtlich geführte Verein dabei, „am Anfang“, sagt Trainer Anton Bobenstetter, „war das ja eine bessere Bayernliga, dann eine echte Regionalliga, jetzt eine halbe Profiliga.“ Buchbach ist da dieses viel zitierte gallische Dorf, das sich mit seinen anachronistisch anmutenden Strukturen Jahr für Jahr erstaunlich sicher behauptet gegen scheinbar übermächtige Konkurrenz, professionell ausgerichtete Vereine wie Unterhaching, Schweinfurt oder Burghausen, gegen die Nachwuchsteams der Bundesligisten.

"Bei uns muss es rauchen"

Fast ein „Kulturschock“ sei es für derart ambitionierte Klubs, in Buchbach antreten zu müssen, Georg Hanslmeier, der sportliche Leiter, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Manchmal fließe „ein bisschen wenig Wasser aus den Duschen“, vor dem Spiel müssen sie über eine steile Treppe in die SMR-Arena, vorbei an voll besetzten Bierbänken, vorbei am qualmenden Grill. „Bei uns muss es rauchen“, sagt Hanslmeier, das gehört zu einem Heimspiel in Buchbach.

Auch an diesem Abend hat sich dieser Geruch der Bratwürste über den Platz gelegt, Burghausen ist ein gern gesehener Gast, er bringt viele Fans und Stimmung mit, sieben Mann des Buchbacher Kaders haben schon mal für Wacker gespielt. Sportlich hat man meist den Kürzeren gezogen, diesmal aber, das hat man sich geschworen, „müssen die Punkte bei uns bleiben“. Maximilian Hain sagt das mit tiefer Inbrunst, der eigentliche Kapitän fällt fast schon die gesamte Saison wegen gesundheitlicher Probleme aus, natürlich aber ist er immer dabei, um die Mannschaft einzuschwören, sie moralisch zu unterstützen. Ein Typ wie er wäre ungeheuer wertvoll im Kampf gegen den Abstieg, keiner hat die „Buchbacher Tugenden“ mehr verinnerlicht, von denen Günther Grübl so schwärmt, der den Verein seit 25 Jahren führt.

Grübl und Bobenstetter, Freunde seit ihrer Kindheit, sind die Architekten dieses besonderen Vereins. „Der Anton ist ein Verrückter und wir sind verrückt, den TSV Buchbach ohne Bobenstetter gibt es nicht“, verspricht Grübl. Selbst als Buchbach vor vielen Jahren Letzter in der Bayernliga gewesen ist und alle „Bobenstetter raus“ geschrieen hätten, „habe ich gefragt: Wieso?“ Die Mannschaft sei damals einfach nicht gut genug gewesen. „Und wenn wir abgestiegen wären, wäre die Welt auch nicht untergegangen.“

Buchbacher Fußball-Märchen soll noch lange weitergehen

Genau so denken sie auch jetzt in Buchbach. Und vielleicht gibt ihnen dieses Wissen, dass ein Abstieg ziemlich schade, aber keine Katastrophe wäre, die Kraft. „Wir wissen, dass wir jedes Jahr den Kampf aufnehmen müssen,“, sagt Bobenstetter. Trotzdem ist man am Ende immer deutlich über dem Strich geblieben, den sechsten, fünften und vierten Platz belegte man am Ende nach den ersten drei Jahren Regionalliga. Letztes Jahr war man immerhin noch Achter. Die Liga wird auch immer stärker, erkennt Grübl. Und professioneller. In dieser Saison nun wird man wohl bis zum letzten Spieltag bangen müssen, das Verletzungspech hat seinen Teil dazu beigetragen. „Wenn einem gleich zum Saisonstart sieben Stammspieler mit langwierigen Verletzungen ausfallen, ist das für die allermeisten Regionalligavereine kaum zu kompensieren“, erinnert der Abteilungsleiter. Und schon gar nicht für Buchbach.

Natürlich gibt es auch Stimmen, die das schon traditionelle Buchbacher Understatement für bewusste Imagepflege halten, auch dort würde reichlich Geld fließen. Grübl sagt: „Unser Prinzip funktioniert nur, so lange wir es ehrenamtlich leisten können“, jeder Spieler, jeder Trainer, jeder Funktionär gehe einem normalen Beruf nach, hier werde noch immer Feierabendfußball gespielt. „Würden wir das ändern, gäbe es Buchbach in der Regionalliga nicht mehr.“

Und das würde nicht nur Rainer Koch bedauern. Natürlich weiß man in Buchbach, dass nicht jeder, so wie Koch, gerne hierherfährt. Die Anreise ist schwierig, die Stimmung emotional. „Klar hoffen manche, dass wir endlich mal richtig auf die Schnauze kriegen“, glaubt Grübl. Doch so lange man die Euphorie hochhalten, die totale Identifikation mit dem Verein schaffen, das Fußballwunder Buchbach weiter leben kann, werde man trotz vergleichsweise bescheidener Mittel schon mithalten. „Wir hoffen, dass unser Fußball-Märchen noch sehr lange weitergeht“, so Grübl. Und wenn er seiner Mannschaft zuschaut bei ihrem beherzten Kampf um jeden Zentimeter, jeden Ball und jeden Punkt, bei diesem Engagement wie zuletzt gegen Burghausen, dann dürfte es zumindest im nächsten Jahr noch eine Fortsetzung geben.

Bis auf Platz 14, der am Ende sicher reicht, hat man sich schon wieder vorgearbeitet. Und abgestiegen ist Buchbach sowieso noch nie.

FUSSBALL-AMATEURE Die Amateurfußballseite erscheint jeden Mittwoch. Autor ist Reinhard Hübner, erreichbar unter komsport@t-online.de.

Aufrufe: 012.4.2017, 09:31 Uhr
Reinhard Hübner - Münchner MerkurAutor