2024-04-23T06:39:20.694Z

FuPa Portrait
Joachim Goldstein und sein zweigleisiges Leben: Nach der Arbeit in der Metzgerei fuhr er ins Training des TSV 1860 München.	  F.: Ulrich Wagner
Joachim Goldstein und sein zweigleisiges Leben: Nach der Arbeit in der Metzgerei fuhr er ins Training des TSV 1860 München. F.: Ulrich Wagner

Ein Leben zwischen Fußball und Metzgerei

Joachim Goldstein war beim FCA und bei den Löwen ein knallharter Verteidiger +++ Wichtig war ihm auch sein Beruf

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Man darf auf Joachim Goldstein schon ein bisschen neidisch sein. Der Mann hat sich gut gehalten. Kein Gramm Fett auf seinen Rippen. Bei Herren in einem gewissen Alter ist das zwar nicht immer ungewöhnlich, doch wenn man weiß, was der 54-jährige beruflich macht, ist Grübeln schon erlaubt. Schließlich lebt Goldstein in einem kulinarischem Schlaraffenland. Der Metzgermeister ist tagtäglich umgeben von köstlichen Fleisch- und Wurstsorten aller Art.

Wenn man den Metzgermeister auf seine Figur anspricht, muss er lachen: „Da hatte ich noch nie Probleme. Ich esse wenig Süßigkeiten und nehme kaum Kohlenhydrate zu mir. Alkohol trinke ich auch keinen.“ Allerdings macht er auch noch Zusatzschichten für seinen sehnigen Körper: „Ich mache auch Fitnesstraining.“ Eine Untertreibung. Goldstein liebt es schon extrem und macht auch beim „Streif Vertical Up“ mit. Auf der legendären Ski-Abfahrtsstrecke in Kitzbühel geht es dann darum die 3,3 Kilometer-Strecke mit ihren 860 Höhenmetern vertikal so schnell als möglich zu bezwingen. Goldstein grinst: „Ich esse siebenmal in der Woche fast nur Fleisch und Gemüse. Das gibt Kraft und so ungesund kann das nicht sein. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letztenmal krank war.“ Allerdings hält ihn auch die Arbeit fit. Über zu wenig, kann er sich nicht beklagen. Als Inhaber der bekannten Augsburger Metzgerei hat er neben seinem Hauptgeschäft im Ortsteil Kriegshaber noch eine Wellness-Metzgerei mit Partyservice in Stadtbergen im Gewerbegebiet.

Dabei hat sich Goldstein seinen Bekanntheitsgrad in der Region nicht allein durch das Metzgerhandwerk erworben. Der verheiratete Familienvater, hat vor allem eine sehr glorreiche Fußball-Vergangenheit hinter sich. Dabei war Goldstein, denn früher ihn Anlehung seines Vornamens Joachim alle nur „Jockel“ nannten, nicht unbedingt ein filigraner Techniker, aber dafür ein Verteidiger vor dem die Stürmer zitterten. Vor allem war Goldstein erfolgreich. Im Jahr 1981 wurde er mit der deutschen Junioren-Nationalmannschaft unter Trainer Dietrich Weise Europameister. „Drei Spiele war ich im Einsatz unter anderem im Halbfinale und im Endspiel beim 1:0-Sieg gegen Polen“, erzählt Goldstein.

Ein paar Jahre zuvor Jahre zuvor kickte er auch in der Schülernationalmannschaft. „Da wurde ich nominiert, obwohl ich noch für einen kleinen Verein, wie den TSV Kriegshaber spielte. Das wäre heute unvorstellbar“, sagt er. Schon damals war sein Leben in zwei Hälften geteilt: In Fußball und in die Metzgerei. „Ich bin so reingewachsen und war schon als fünfjähriger auf dem Schlachthof.
Doch der kleinen Fußball-Welt sagte Goldstein irgendwann „Good-bye.“

Der Sohn des bereits verstorbenen Metzgermeisters Xaver Goldstein wechselte 1979 in die Jugend des FC Augsburg. Als Jugendspieler kickte er beim Augsburger Vorzeigeverein drei Jahre und war in Augsburg auch noch in der 2. Liga im Einsatz. Doch erst dann begann seine Karriere so richtig. Augsburg war finanziell klamm und er bekam ein Angebot vom Münchner Traditionsklub 1860 München. Aber auch vom FC Bayern wurde Goldstein umworben. „Ich spielte ja mit Torwart Raimond Aumann beim FCA und der hatte in Augsburg in den Sieben-Schwaben-Stuben ein Gespräch mit Uli Hoeneß. Dazu waren mein Vater und ich auch eingeladen“, berichtet Goldstein.

Doch dazu kam es dann nicht: „Mein Vater ging mit mir nicht hin. Ich denke er wollte mich damals schon an die Metzgerei binden.“ Zumindest reichte es für den Lokalrivalen des FC Bayern. Über 400 Spiele bestritt Goldstein für die Löwen und spielte in einer Mannschaft mit Erich Beer, Wolfgang Sidka oder Rudi Völler. Wenn Goldstein über seine Vergangenheit berichtet, gerät er ins Schwärmen: „Das war unglaublich. Auch nach einem Testspiel kamen wir manchmal erst nach eineinhalb Stunden vom Platz. Weil wir so viele Autogramme schreiben mussten. Aus Augsburg kannte ich das ja nicht. Das war irre.“ Und turbulent, wie immer beim TSV 1860: „Ich hatte dort in acht Jahren 14 Trainer.“

Aber auch in der Zeit bei den Löwen fuhr Goldstein zweigleisig: „Ich habe um 5.30 Uhr begonnen und im Schlachthof Rinderviertel getragen. Bis 15 Uhr habe ich gearbeitet. Dann bin ich nach München ins Training gefahren. So etwas kann sich heutzutage doch niemand mehr vorstellen.“ Nach seiner Zeit beim TSV 1860 München wollte ihn der damalige Löwen-Manager Jupp Kapellmann mit zum 1. FC Köln nehmen, doch Goldstein winkte ab. „Ich bin heimatverbunden. Auch wegen der Metzgerei.“ Man sieht Goldstein an, dass er sich in seinem Beruf wohl fühlt. Bereits 1994 nach einem Schlaganfall seines Vaters übernahm er die Metzgerei. „Heute“, sagt er „Ist das Berufsbild des Metzgers völlig überholt. Ich denke nur an unseren Partyservice. Da sind kreative und filigrane Leute gefragt.“ 20 Leute hat er in seinem Betrieb beschäftigt. Seine Kinder Lisa (21) und Max (16) haben sich für einen anderen Berufsweg entschieden. Goldstein sieht das pragmatisch: „Man muss seinen Kindern den Freiraum lassen, den sie brauchen und sie zu nichts drängen.“

Fußball interessiert ihn immer noch. „Natürlich gehe ich ab und zu ins Stadion zum FCA.“ Doch Goldstein winkt ab, bei der Frage, ob er selber noch gegen den Ball tritt: „Ich habe früher noch für die FCA-Traditionsmannschaft gespielt. Aber auch so wie früher. Ich habe weder mich noch den Gegner geschont. Dann hab ich gesagt: Ich hör auf. Bevor noch was passiert.“ Und der TSV 1860? „Schlimm, dieser Zwangsabstieg. Ich habe zwar in jüngster Vergangenheit immer gesagt, dass ein Abstieg vielleicht nicht schlecht wäre. Aber so weit runter. Das hätte es wirklich nicht gebraucht.“

Aufrufe: 023.7.2017, 07:25 Uhr
Augsburger Allgemeine / Wolfgang LangnerAutor