2024-04-24T13:20:38.835Z

Vereinsnachrichten
Der ehemalige Sportdirektor Hansi Flick (r.) und Löwen-Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg (mi.) vor den Toren der 1860-Talentschmiede.
Der ehemalige Sportdirektor Hansi Flick (r.) und Löwen-Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg (mi.) vor den Toren der 1860-Talentschmiede.

Junglöwen am Abgrund: Es droht der Super-Gau

U19 und U17 in Abstiegsnot

TSV 1860 München - Für die Junglöwen aus der U19 und U17 wird es heuer im Kampf um den Klassenerhalt ganz eng. Beide Teams stehen kurz vor Saisonende auf einem Abstiegsplatz und drohen, in die Bayernliga zu stürzen. Für die Blauen wäre der Abstieg beider Mannschaften eine ganz bittere Pille.

Die Talentschmiede der Münchner Löwen steht für den Erfolg: Kein Wunder, dass die Top-Klubs der Welt gerne an der Grünwalder Straße vorbeischauen, um die Stars von morgen zu sichten. 15 Top-Talente haben die Münchner hervorgebracht, die aktuell in den fünf besten europäischen Ligen kicken. Die Bekanntesten: Die Bender-Brüder, Senkrechtstarter Julian Weigl oder Kevin Volland.

Eine überragende Leistung, die Ende letzten Jahres im Ranking der „CIES Football Observatory“ gehuldigt wurde. Der Löwe liegt in der Weltrangliste der Talentschuppen auf Rang 30. Noch besser: Die Blauen stellen die drittbeste Talentschmiede in Deutschland. Aber wie lange reiten die Sechzger noch auf der Welle des Erfolgs? Sowohl die A- als auch die B-Junioren stehen vor dem Abgrund in den Junioren-Bundesligen. Der Abstieg beider Mannschaften käme einem Super-Gau gleich.

Auch Pereira setzt auf Löwen-Talente

Auch der aktuelle Coach, Vitor Pereira, hat sich am glänzend ausgebildeten Nachwuchs bereits bedient. Ein Blick in die Startaufstellung der Profis in Aue genügt: Die beiden Eigengewächse Felix Uduokhai und Florian Neuhaus (beide 1997 geboren) waren in der Startelf. Aber was wäre gewesen, wenn das Duo auf Jugendfußball in Deutschland höchster Spielklasse hätte verzichten müssen? Wären sie zu halten gewesen? Alles Fragen, die bestimmt im Kopf von NLZ-Leiter Wolfgang Schellenberg herumspuken.

Beide Teams haben noch die Chance, den Absturz zu verhindern. Allerdings stehen beide Mannschaften drei Spieltage vor Ende auf einem direkten Abstiegsplatz.

Die A-Jugend ist durch die 1:3-Niederlage in Freiburg wieder auf einen Abstiegsplatz gerutscht. Der Steinberger-Elf fehlt ein Punkt zum rettenden Ufer. Die Junglöwen treffen in den letzten verbleibenden Spielen auf direkte Konkurrenten im Abstiegskampf. Zunächst geht es gegen die bereits abgestiegenen Stuttgarter Kickers. Eine Woche später gegen den Karlsruher SC, der nur einen Zähler vorausliegt. Ein echtes Endspiel für die Blauen, die zum Saisonabschluss gegen die TSG aus Hoffenheim - haben noch theoretische Chancen auf die Meisterschaft - antreten.

Die B-Jugend der Blauen ist vor dem Abstieg kaum noch zu retten. Nach der 0:2-Niederlage gegen den FC Augsburg ist der erste Nichtabstiegsplatz bereits vier Punkte entfernt, den der nächste Gegner, die Stuttgarter Kickers innehat. Verlieren die Löwen, ist der Abstieg besiegelt.

Hofmann: "Sie werden es schaffen"

Löwen-Legende Michael Hofmann ist weiterhin vom Klassenerhalt der beiden Teams überzeugt: "Sie werden es schaffen. Ich habe viele Spiele gesehen und glaube an die Qualität der Mannschaft", sagt der Ex-Keeper des TSV 1860. "Natürlich warten auf die Jungs entscheidende Spiele gegen direkte Konkurrenten, in denen man jetzt voll da sein und die Top-Leistung abrufen muss."

Tritt der Super-Gau entgegen seiner Erwartungen ein, wird die Talentschmiede der Löwen laut Hofmann nicht auseinanderbrechen: " Ein Jahr in der Bayernliga ist kein Problem. Das haben schon andere Vereine wie der FC Ingolstadt und die SpVgg Unterhaching gezeigt."

Wenngleich der Ex-Löwe die immense Bedeutung der U17- und U19-Bundesliga-Zugehörigkeit für den Verein unterstreicht: " Sie stellen den Unterbau für die Profis dar und sind essentiell wichtig für die U21. Mit Daniel Bierofka hat die Löwen-Reserve einen Trainer, der die Jungs super fördert."

Hofmann hält "Flucht" zum FC Bayern für möglich

Der FC Bayern München wird die Entwicklung an der Grünwalder Straße genaustens beobachten. Tritt der Doppel-Abstieg ein, winken wechselwillige Löwen-Talente. Eine willkommene Gelegenheit für die Roten, die ihre Jugendarbeit zur neuen Saison komplett neu aufstellen. Ganze 70 Millionen ließ sich der FCB das neue Nachwuchsleistungszentrum kosten, um die von Uli Hoeneß formulierte "Schwachstelle des Vereins" auszumerzen. Das große Ziel der Bayern: In Zukunft, wieder mehr Eigengewächse im Starensemble zu etablieren."Wir haben beschlossen, die Nachwuchsarbeit total zu verändern, wir werden viel mehr Wert darauf legen. Vielleicht kommen wir auch mal wieder an die Spitze Europas, wo wir gerade absolut nicht sind." zeigte sich Hoeneß angriffslustig. Das klingt nach einer echten Drohung an die Konkurrenz.

Aus Sicht von Hofmann ist ein Angebot der Roten eine verlockende Option für jeden Junglöwen: "Wer kann schon von sich behaupten, dass er für den FC Bayern München auflaufen durfte. Sei es in der Jugend oder sogar bei den Profis."

In jungen Jahren war die Löwen-Ikone in einer ähnlichen Lage: " Ich hatte 1995 ein dreitägiges Probetraining an der Säbener Straße absolviert, damals noch unter Giovanni Trappatoni. Ich habe mich aber für ein stabileres Umfeld in Bamberg entschieden." Eine Entscheidung, die der Ex-Löwe auch heutigen Talenten rät: " Natürlich ist es schwer solch ein Angebot abzulehnen. Aber man muss die Gesamtkonstellation beachten. Ein geregeltes, stabiles Umfeld ist in jungen Jahren für die Karriere entscheidend."

1860 bald nur noch dritte Kraft in München?

Die nächsten Wochen könnten sich auf die Sechzger-Jugend auswirken: Steigen beide ab, muss der TSV aufpassen, nicht die dritte Kraft in der Münchner Nachwuchsarbeit zu werden. Neben den Bayern befindet sich aktuell auch der Talentschuppen der SpVgg Unterhaching im Aufwind. Viele Talente gehen mittlerweile den Umweg über die SpVgg. Die Spieler entwickeln sich in der "Wohlfühloase-SpVgg", bis der Moment für größere Aufgaben gekommen ist. Eine attraktive, erfolgsversprechende Idee für aufstrebende Talente wie die jüngste Vergangenheit zeigt. Der Prominenteste von vielen: Janik Haberer, der momentan im Trikot des SC Freiburg für Furore sorgt.

Die Krise des Nachwuchs hat längst die Vereinsspitze erreicht. Selbst Löwen-Investor Hasan Ismaik, der Spieler aus der Löwen-Jugend bei den Profis fordert, fiebert mit: "Die U19 und U17 sind auf der Zielgeraden im Abstiegskampf und benötigen jeden Punkt. Haltet durch, ihr schafft das! Ich drücke Euch für die restlichen Aufgaben beide Daumen", sprang der Investor Anfang April den Junglöwen mit einem Facebook-Post zur Seite. Auch der von Ismaik geholte Vitor Pereira setzt im Abstiegskampf auf den Nachwuchs.

Fehlende Youngsters könnten die Vereinspolitik merklich verändern. Zwar wurde bereits diese Saison die Mannschaft von außen punktuell verstärkt, dennoch vermittelt Pereira das Gefühl, die Jugend mit einbauen zu wollen. Fehlen dem Löwen-Coach die Alternativen aus dem eigenen Stall, müsste der Kader mit weiteren Spielern vom Markt verstärkt werden. Es wäre wohl das Ende einer Ära: Ein erster Warnschuss ist der Wechsel von Julian Justvan, der die Löwen in Richtung Wolfsburg verlässt.

Der Abstieg der A- und B-Junioren könnte die Pläne also ins Wanken bringen. Eine Katastrophe, die der Löwe tunlichst vermeiden sollte.

Autor: Christoph Englmann


Aufrufe: 012.4.2017, 15:35 Uhr
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