2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Trotz aller Gegenwehr des FSV Weiler nach Italien abgeschoben: Baimas Sarr
Trotz aller Gegenwehr des FSV Weiler nach Italien abgeschoben: Baimas Sarr

Baimas Sarr: Trotz bester Integration abgeschoben

Baimas Sarr, Stürmer beim FSV Weiler zum Stein, wurde nach Italien abgeschoben.

Beim FSV Weiler zum Stein spielte ein seit vielen Monaten integrierter Flüchtling aus Gambia in der zweiten Mannschaft. Baimas Sarr hatte in kürzester Zeit die deutsche Sprache erlernt und sich selbstständig einen Ausbildungsplatz besorgt. Doch er wurde von der Polizei verhaftet und nach Italien abgeschoben. Die Chronologie eines tragischen Falles.

"Das ist einfach unglaublich" - Andreas Rosanelli kann seine Enttäuschung kaum in Worte fassen. Aus seiner alltäglichen Arbeit ist der Abteilungsleiter des Kreisligisten FSV Weiler zum Stein schon mit vielen Flüchtlingen in Kontakt gekommen. Unter den ihm rund 120 bekannten Migranten war keiner so ehrgeizig wie Baimas Sarr. Der Gambier kam im August 2015 zum FSV, weil er beim SV Winnenden, der sich in der unmittelbarer Nähe seines Flüchtlingsheim befand, nicht von Beginn an mittrainieren durfte. Deshalb suchte er sich einen anderen Verein und stieß auf den FSV Weiler, bei dem bereits drei Gambier spielten.

Heute sind es neben ihm noch fünf weitere. Der Club unterstützt die aufgenommenen Migranten bei ihrer Integration und übersetzt für sie zum Beispiel die behördlichen auf deutsch verfassten Dokumente. Samstags dürfen sogar andere Flüchtlinge aus der ganzen Region mittrainieren. Bis zu 40 Leute strömen in diesen Tagen meist hinzu. Unter ihnen war Baimas Sarr stets ein Lichtblick. Der 19-jährige Stürmer der zweiten Mannschaft erlernte innerhalb von sechs Monaten die deutsche Sprache, besorgte sich selbstständig einen Ausbildungsplatz und war bestens integriert. Umso bitterer ist es für das gesamte Vereinsumfeld, dass Baimas trotzdem keine Chance für ein Leben in Deutschland erhielt.

Abschiebung aufgrund einer umstrittenen Regelung

Grund dafür: die so genannte Dublin-III-Verordnung, die auf europäischer Ebene eingeführt wurde, um zu klären, welche Länder für die Asylanträge zuständig sind. Dieses Dublin-Verfahren ist jedoch umstritten, weil es besagt, dass Flüchtlinge immer dort, wo sie als erstes registriert wurden, einen Asylantrag stellen müssen. Im Fall von Baimas Sarr bedeutet das, dass Italien für ihn zuständig ist. Dort wurde er, nachdem er vor Lampedusa in Seenot geriet, als erstes registriert.

Weil Italien aber keine Kapazitäten hatte, haben sie ihn damals weitergeschickt und auf die Straße gesetzt. Baimas hatte in Italien also keine Asylunterkunft. Und so beschloss er nach Deutschland zu gehen. Als er im Mai 2015 ankam und seinen Asylantrag in Deutschland stellte, wurde durch die Dublin-Kartei aber festgestellt, dass Baimas Name und Fingerabdrücke bereits in Italien aufgenommen wurden. „Wir haben uns einen Anwalt genommen, weil wir der Meinung sind, dass Italien nicht zuständig sein kann“, erzählt Rosanelli und führt aus: „Weil Italien erstens fünfmal so viele Leute hat wie wir, und weil er zweitens dort schon auf die Straße gesetzt worden ist. Er kann dort also gar nicht asylberechtigt sein, weil die sich dort nicht um ihn kümmern möchten.“

Dublin-Verfahren rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Stuttgart prüfte den Asylantrag und teilte mit, dass das Dublin-Verfahren rechtmäßig sei und man kein europäisches Recht verletzten dürfe. Im November wurde dann festgelegt, dass Baimas ausreisen müsse. Daraufhin hatten die Verantwortlichen des FSV eine Klage eingereicht, die am Ende erfolglos bleiben sollte. Allerdings gab es gemäß der Dublin-Regelungen eine sechsmonatige Überstellungsfrist. Sobald diese abgelaufen wäre, wäre automatisch Deutschland für diesen Fall zuständig gewesen.

Zwei Wochen bevor die Frist bei Baimas verstrichen gewesen wäre, wurde er jedoch unerwartet aufgegriffen. Bei der Abholung seines Taschengeldes im Flüchtlingsheim Winnenden wurde Baimas vor einer Woche von der Polizei festgenommen und nach Pforzheim ins Abschiebe-Gefängnis gebracht – nicht weil er straftätig wurde oder Ähnliches, sondern ausschließlich um sicherzustellen, dass er nicht flüchten und sich der Abschiebung nach Italien entziehen kann.

Bemühungen bleiben erfolglos

Rosanelli hat gemeinsam mit Freunden Baimas, vor allem mit Nina Binder und Leif Brändle vom Freundeskreis Flüchtlinge, der in Leutenbach und Winnenden sehr aktiv ist, während dem kompletten anwaltlichen Verkehr begleitet und mit aller Macht dafür gekämpft, dass der 19-jährige Gambier in Deutschland bleiben darf. Im gleichen Maße setzte sich auch der Arbeitgeber seiner Ausbildungsstelle für ihn ein. Doch es war nicht abwendbar: Beimas wurde am Donnerstag nach Italien abgeschoben. Um 5:30 Uhr am frühen Morgen wurde er abgeholt. Man habe zuvor sogar eine Klage eingereicht, dass Beimas überhaupt in Haft genommen wurde, „weil wir keinen Grund dafür sehen. Er ist keiner, der irgendwie illegal untertaucht“, erklärt der Abteilungsleiter. Die Klage hatte aber keine aufschiebende Wirkung und konnte die Abschiebung auch nicht mehr verhindern.

In den letzten Tagen meldeten sich viele Leute beim FSV, die ihnen Mut und Unterstützung zugesprochen haben. Das Einzige, was eine Abschiebung verhindert hätte, wäre ein psychologisches Gutachten gewesen, das Baimas Selbstmordgedanken attestiert hätte. „De facto war das in unserem Fall sogar so“, meint der Abteilungsleiter. Denn in der letzten Woche, als Baimas in Abschiebehaft saß, verschlechterte sich dessen psychischer Zustand drastisch. Bevor er wieder nach Italien zurückgehe, habe der Gambier gesagt, würde er sich lieber umbringen. „Er war so dermaßen desillusioniert. Ich kann das gar nicht in Worte fassen. Leider hatten wir keine Zeit mehr, so ein Gutachten zu erstellen.“

Laut dem Gerichtsbeschluss darf Beimas nun 12 Monate lang nicht mehr nach Deutschland oder in ein anderes europäisches Land reisen. Nichtsdestotrotz bleibt Rosanelli mit ihm weiterhin in regem Kontakt und unterstützt ihn bereits bei ersten bürokratischen Angelegenheiten. Glücklicherweise ist der Abteilungsleiter der italienischen Sprache mächtig. Außerdem habe er sich an den Petitionsausschuss des Landtags gewendet. Die Chancen, dass Beimas vor den nächsten 12 Monaten nach Deutschland zurückkehren könnte, seien allerdings gering.

Aufrufe: 029.4.2016, 14:00 Uhr
Holger LayerAutor