2024-05-02T16:12:49.858Z

Kommentar
Sowohl neben, als auch auf dem Platz ist aggressives Verhalten keine Seltenheit. F: Rinke
Sowohl neben, als auch auf dem Platz ist aggressives Verhalten keine Seltenheit. F: Rinke

Traurige Entwicklung

Kommentar von Sportredakteur Andreas Scherer zum Streit über das Verhalten auf den Fußballpätzen und drumherum

REGION. Traurig, aber wahr: Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Republik zu bestimmten Zeiten zum behördlich akzeptierten rechtsfreien Raum wird. Dann nämlich, wenn „König Fußball“ die Macht übernimmt. Die Verfolgung von Straftatbeständen wie Nötigung, Beleidigung, von Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit oder rassistischer Äußerungen auf den Plätzen und auf den Rängen wird dann durch die normative Kraft des Faktischen außer Kraft gesetzt. Wollte man all diese Straftaten, die im „normalen Leben“ justiziabel wären, vor Gericht bringen, die deutsche Strafjustiz ginge in die Knie. Von der Einhaltung der Regeln des ganz selbstverständlichen Anstands und Respekts gar nicht zu reden. Und das ist ¬weder eine Frage der Fußball-Klassen noch der Nationalität noch der einer Diskrepanz von Stadt oder Land. Die Bilder der hasserfüllten Angriffe Dortmunder Fans auf Leipziger Anhänger, friedliche Familien, die mit ihren Kindern ins Stadion wollten, haben wir alle noch vor Augen. Im Umfeld vieler Spiele der Fußball-Bundesliga muss man ganzen Bevölkerungsgruppen empfehlen, bestimme Orte, Zugverbindungen, Verkehrswege, Bahnhöfe und Innenstädte einfach zu meiden. Rassismus ist eine der hässlichen Fratzen dieses wöchentlichen Schreckensszenarios, aber beileibe nicht die einzige. Manchmal hat man den Eindruck, für viele Menschen – Aktive und Fans – hat der Sport und hier vor allem der Fußball in allererster Linie eine Ventil-Funktion zum Ablassen all ihrer nicht ausgelebten, unbewältigten Aggressionen und Machtfantasien. Fußball (Sport) ist eben nicht nur die schönste Nebensache der Welt. Und manchmal hat man einfach nur den Impuls, sich resigniert und ratlos abzuwenden.
Aufrufe: 011.4.2017, 12:00 Uhr
Andreas SchererAutor