2024-05-10T08:19:16.237Z

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Schiedsrichterlehrwart im Bezirk Offenburg: Thorsten Weber | Foto: Wolfram Köhli
Schiedsrichterlehrwart im Bezirk Offenburg: Thorsten Weber | Foto: Wolfram Köhli

Schiedsrichter Thorsten Weber: "Die Ampel ist schon orange"

BZ-Interview mit Thorsten Weber aus Mahlberg, dem Lehrwart im Fußballbezirk Offenburg, über die Herausforderungen der Schiedsrichterei

Spiele ohne Schiedsrichter? Für viele Fußballfreunde eine unangenehme Vorstellung. Tatsache aber ist, dass es einen negativen Trend in der Schiedsrichterei auf lokaler Ebene gibt. Das hat Uwe Schwerer im Gespräch mit Thorsten Weber, Lehrwart im Bezirk Offenburg, erfahren. Am 10. März beginnt in Gengenbach ein Lehrgang für Neulinge. Bislang ist die Resonanz auf dieses Angebot bescheiden.
BZ: Was ist das Schöne an der Schiedsrichterei?
Weber: Dass ich mit dem Fußball verbunden bin, dass ich Sport treibe, dass ich den Regeln Geltung verschaffen und für ein geordnetes Spiel sorgen kann.

BZ: Braucht es dafür einen besonderen Gerechtigkeitssinn?
Weber: Der wäre zwar hilfreich, aber den braucht es nicht unbedingt, weil man vieles antrainiert und beigebracht bekommt.

BZ: Welches sind dann die Qualitäten, die es braucht?
Weber: Neugier und Interesse reichen schon aus. Wir haben auch solche Schiedsrichter gehabt, die schon höhere Klassen gepfiffen haben, ohne einmal gegen den Ball getreten zuhaben. Aber natürlich sollte der Spaß am Fußball vorhanden sein. Wenn man sich mit der Sache identifiziert, dann ist die Leistung auch um Einiges besser.

BZ: Jetzt werden wieder Neulinge gesucht. Wie ist die Lage im Fußballbezirk Offenburg bei den Neueinsteigern?
Weber: Ich sehe das recht kritisch. Diejenigen, die uns von den Vereinen geschickt werden, erfüllen oft mal gerade die Mindestanforderungen. Viele sind gerade mal 14 Jahre alt. Sie haben dann mit der Realität auf dem Sportplatz zu kämpfen. Denn das Umfeld auf den Sportplätzen, das die Neulinge nach absolviertem Lehrgang antreffen, ist durch die Eltern in den letzten Jahren deutlich rauer geworden. Ich sage explizit durch die Eltern, nicht durch die Spieler. Die Eltern verhalten sich deutlich aggressiver als früher, das trifft auch auf manchen Jugendtrainer zu. Das ist mit Sicherheit auch eine Persönlichkeitsschulung, die man absolut positiv sehen muss, wenn man die Prüfungen auf dem Sportplatz dann besteht.

BZ: Sind Sie mit der Zahl der jungen Schiedsrichter zufrieden?
Weber: Nein. Eigentlich bräuchten wir für den Neulingslehrgang eine Zahl von 40, dann würde ich sagen, jawohl das hilft uns, um aus dem Tal heraus zu kommen. Wir haben derzeit acht Anmeldungen für den Neulingslehrgang, der in zwei Wochen beginnt. Die Entwicklung, sowohl bei der Zahl der Schiedsrichter als auch bei den Neulingen, ist stark rückläufig. Durch Todesfälle, Krankheiten, Wegzug, Studium oder aus disziplinarischen Gründen fallen pro Jahr 20 bis 30 Kollegen weg, die wir ersetzen müssen. Es müssen immer weniger Schiedsrichter dann für immer mehr Spiele aufkommen: Die Anstrengungen für Einzelne werden größer. Die Bereitschaft am Wochenende zwei, drei Spiele zu pfeifen, ist aber oft nicht vorhanden. Und das kann man eigentlich auch nicht verlangen, denn das ist immer noch ein Ehrenamt.

BZ: Ist der Spielbetrieb kurzfristig in Gefahr?
Weber: Um es kurz zu formulieren – ja. Vor allem die neutrale Spielleitung in den unteren Klassen sehe ich als gefährdet an. Die Saison wird noch zeigen, ob die Entscheidungen, die zum Beginn der Runde gesteckt wurden, richtig waren. Allerdings ist es bei dieser Entwicklung absehbar, dass weitere Spielklassen in die Vereinsleitung übergeben werden, mit allen Vor- und Nachteilen. Bereits heute werden Spiele aufgrund Schiedsrichtermangels in den Austausch gegeben.

BZ: Was heißt das?
Weber: In der südlichen Ortenau kommen dann Schiedsrichter aus dem Bezirk Freiburg zum Einsatz, im Norden welche aus dem Raum Baden-Baden oder im Kinzigtal aus dem Schwarzwald. Die Ampel steht noch nicht auf Rot, aber sie ist schon orange.

BZ: Wir erleben eine technische Entwicklung im Profifußball mit dem Einsatz elektronischer Hilfsmittel. Wie gefällt Ihnen das?
Weber: Grundsätzlich bin ich dafür. Alles, was hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden, geht in die richtige Richtung. Rein praktisch werden diese Dinge im Amateurbereich nie kommen, weil die finanziellen Hürden dafür einfach zu hoch sind. In der Praxis ist es so, ich habe heute noch keine Freigabe für ein Freistoßspray. Das wäre etwas Naheliegendes, was uns helfen würde.

BZ: Entfernt sich der Profifußball weiter vom Amateurfußball?
Weber: Es geht ohnehin in unterschiedliche Richtungen. Die Profischiedsrichter und der Profifußball sind organisatorisch von uns Amateuren getrennt. Die gefährlichste Entwicklung ist, dass unsere Schiedsrichter in der Region am Sonntag damit verglichen werden, was am Samstag in der Bundesliga gepfiffen wurde. Dabei sind diese beiden Welten immer weniger vergleichbar, sie sind zu unterschiedlich. Wenn zum Beispiel Franck Ribéry jemanden umstößt, mag das in der Bundesliga Gelb bedeuten, in der Kreisliga ist das immer Rot. In der Bundesliga gibt es eine andere Auslegung der Regeln. Im unteren Bereich können sie solche Dinge nicht dulden, sonst bekommen sie kein Spiel mehr ruhig über die Runden.

Zur Person: Thorsten Weber ist Lehrwart im Fußballbezirk Offenburg. Der 37-jährige Schiedsrichter stammt aus Seelbach, pfeift für die SG Schweighausen und wohnt in Mahlberg
Aufrufe: 023.2.2017, 20:00 Uhr
Uwe Schwerer (BZ)Autor