2024-05-14T11:23:26.213Z

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Mannschaftsfoto vor der Golden Gate Bridge F: privat/Jan Driessen
Mannschaftsfoto vor der Golden Gate Bridge F: privat/Jan Driessen

Thomas Teupen: Das Leben eines College-Fußballers in Amerika

Verteidiger von Gievenbeck spielte dreieinhalb Jahre an einem amerikanischen College und wurde zum "Verteidiger des Jahres" gewählt

Thomas Teupen hat in der Saison 2012/13 den direkten Sprung von der U19 Westfalenliga in die Oberligamannschaft des 1.FC Gievenbeck geschafft. In seinem ersten Seniorenjahr hat er direkt 25 Spiele für die Münsteraner bestritten, sich dann aber für ein Fußballstipendium in den USA entschieden. Die letzten dreieinhalb Jahre hat der heute 23-Jährige in Buffalo im US-Bundesstaat New York verbracht und für das Collegeteam der Canisius College Golden Griffins gespielt. Über seine Zeit in den USA erzählt er nun im Interview.

Hallo Thomas! Du hast bislang dreieinhalb Jahre mit einem Fußballstipendium in den USA studiert. Wie bist du damals auf die Idee gekommen, dich für ein Fußballstipendium in den USA zu bewerben?
Damals hat mir ein älterer Mitspieler erzählt, dass man als Deutscher große Chancen auf ein Fußballstipendium in den USA hat und dass er es bereuen würde, die Option nicht selber wahrgenommen zu haben. Er hat mir dann mal einen Link von soccerships, einer Agentur die auf die Vermittlung von Fußballstipendien spezialisiert ist, geschickt und ich habe mich daraufhin ein wenig eingelesen. Ich fand es mega interessant und war zu der Zeit sowieso nicht ganz sicher, was ich nach dem Abitur genau machen wollte. Ich habe mich dann auf der Website beworben und am nächsten Tag direkt einen Anruf von Jan Driessen, dem Geschäftsführer der Agentur, bekommen. Er sagte mir, dass ich sehr gute Chancen auf ein ordentliches Stipendium hätte. Ich habe mich dann recht schnell für eine Zusammenarbeit entschieden und von da aus hat alles mehr oder weniger seinen Lauf genommen.

Wie sah der Bewerbungsprozess im Anschluss für dich aus?
Der Bewerbungsprozess war quasi in zwei Phasen aufgeteilt. Zuerst brauchte ich natürlich eine Uni, die mich haben wollte und gleichzeitig ein gutes Angebot macht. Ein Video auf meinem Spielerprofil war zu dem Zeitpunkt mein einziges Bewerbungsmittel und mehrere Unis waren soweit auch interessiert. Allerdings war für mich nicht direkt das richtige Angebot dabei. Erst als ich an einem Showcase von soccerships in Gießen teilgenommen habe, habe ich das perfekte Angebot bekommen. Bei dem Showcase hatte ich mit allen anderen Bewerbern die Möglichkeit, vor Collegetrainern vorzuspielen, die extra aus den USA angereist waren, um Spieler live zu sichten. Ich konnte den Trainer vom Canisius College überzeugen und habe direkt ein Angebot bekommen, das ich auch angenommen habe. Im Anschluss folgte dann einiges an Papierkram. Es galt sich auch offiziell an der Uni einzuschreiben und das Studentenvisum für die USA zu beantragen, was aber auch kein Problem war.

Im Herbst 2013 hast du dann dein Studium in den USA begonnen. Wie leicht ist dir die Eingewöhnungszeit auf und neben dem Platz gefallen?
Mir persönlich ist die Eingewöhnung zunächst neben dem Platz wesentlich leichter gefallen als auf dem Platz. Alle Mitspieler, Trainer, Studenten und Professoren waren von Beginn an sehr nett und haben sich darum bemüht, dass ich mich wohl fühle. Die Mannschaft war vom ersten Tag an meine neue Familie und ich hatte auch nie wirklich Heimweh. Auf dem Platz war es ein wenig anders. Ich wurde für die Innenverteidigerposition nach Buffalo geholt, die ich allerdings noch nie vorher gespielt habe. In Deutschland hatte ich überwiegend im defensiven Mittelfeld gespielt. Das war die erste Umstellung, an die ich mich gewöhnen musste. Die zweite Sache war die Physis. Ich war fit und habe die Lauftests in der Vorbereitung ohne Mühe bestanden, allerdings hatte ich ein Fitnessstudio zuvor noch nie von innen gesehen. Alle anderen im Team waren deutlich kräftiger und stärker als ich. Das liegt daran, dass in Amerika während der Off-Season drei bis vier Mal die Woche mit einem Fitness-Coach trainiert wird. Körperlich hatte ich deshalb in der Anfangsphase Probleme dagegen zuhalten und musste noch aufholen.

Wie würdest du das fußballerische Niveau einschätzen und was sind die größten Unterschiede zu dem Fußball, den du aus Deutschland kanntest?
In Münster habe ich beim 1. FC Gievenbeck in meinem ersten und einzigen Seniorenjahr in der Oberliga Westfalen gespielt. Ich glaube nicht, dass meine College-Mannschaft in der Oberliga mithalten könnte. Die nationalen Top-Unis spielen schätzungsweise auf Oberliga- oder sogar Regionalliga-Niveau, aber die breite Masse spielt eher auf Landesliga- oder Verbandsliga-Niveau. Es wird, wie gesagt, viel Wert auf Physis und Kraft gelegt. Da kommt der taktische Standpunkt oftmals einfach zu kurz.

Wie sind die Rahmenbedingungen für Fußballer am Canisius College im Vergleich mit denen eines deutschen Oberligisten?
Trotz der Unterschiede im fußballerischen Niveau kann man doch sagen, dass die Rahmenbedingungen sehr professionell sind. Eigene Kabine, Schwimmbad, Fitnessstudio und ein Regenerationscenter gehören zur üblichen Ausstattung der Colleges in den Staaten. Manche Auswärtsspiele werden mit dem Flugzeug angeflogen und Hotelaufenthalte von ein bis zwei Tagen vor jedem Spiel sind ganz normaler Alltag im College-Soccer.

Wie sah eine typische Woche für dich als Collegefußballer in den USA aus?
Eine typische Woche während der Saison bestand größtenteils aus Fußball und Uni. Die Saison geht von September bis November/Dezember. Unter der Woche hatte ich meistens am Morgen meine erste Vorlesung. Danach ging es zum Training von 12 bis 14 Uhr. Am Nachmittag gab es dann nochmal ein bis zwei Vorlesungen und abends war Zeit für Hausaufgaben und das Lernen. Wenn wir zu Auswärtsspielen gefahren sind, hat man schon mal zwei Tage in der Uni verpasst und musste den Stoff dann im Bus, am Flughafen oder im Hotel nachholen. Wir waren zwar entschuldigt für die verpassten Vorlesungen, allerdings nicht für den verpassten Lernstoff.

Wie erfolgreich hast du mit deiner Mannschaft in den vergangenen Jahren abgeschnitten und was war das Highlight deiner Collegefußball-Karriere?
Die ersten drei Jahre haben wir leider jedes Mal die Playoffs hauchdünn mit ein oder zwei Punkten verpasst. Das war schon sehr enttäuschend. In meiner letzten Saison haben wir es aber endlich geschafft und haben nach einer spannenden Saison eine der erfolgreichsten Saisons in der Geschichte der Uni feiern können. Wir haben unser erstes Playoff-Spiel gewonnen und sind dann leider im Halbfinale ausgeschieden. Mein persönliches Highlight war definitiv die Auszeichnung zum besten Verteidiger der Liga.

Wie hast du dich persönlich in den USA weiterentwickeln können?
Fußballerisch habe ich vielleicht keine große Entwicklung machen können. Dafür hab ich mich in vielen menschlichen Bereichen entwickelt. Die Leute in den USA sind sehr offen und machen es einem sehr leicht. Ich hab viele sehr gute Freundschaften aufgebaut und bin auch offener und spontaner geworden.

Was sind für dich neben der optimalen Verbindung von Studium und Leistungsfußball weitere Vorzüge eines Studiums in den USA und war der Schritt in den USA nach dem Abitur für dich letztendlich der Richtige?
Absolut war es der richtige Schritt für mich. Ich bereue es keine Minute. Das Studium hat oberste Priorität und kommt auch beim Trainer immer an erster Stelle. Man wird buchstäblich gezwungen zu lernen und sehr gute Ergebnisse zu erzielen, da man als Spieler nur spielberechtigt ist, wenn man einen gewissen Notendurchschnitt erzielt. Neben dem Studium hat mir der College-Fußball ermöglicht, das halbe Land zu bereisen. New York City, Boston, Disneyworld in Florida, Pittsburgh, San Francisco und Oakland waren einige der Städte, in denen wir gespielt haben.

Was hast du neben dem Fußball in den USA erleben können?
Ich habe ja schon ein wenig erzählt, in welche Städte es mich durch Fußball verschlagen hat. Auch in der Off-Season hatte ich die Möglichkeit, viel durch die USA zu reisen. Mit Freunden waren wir über Spring Break in Florida und alleine habe ich mich zeitweise nach Los Angeles und Seattle aufgemacht. Auch Toronto ist nur ein Katzensprung von Buffalo entfernt. Dort waren wir dann häufiger mal feiern. Natürlich gibt es aber auch in Buffalo und vor allen Dingen auf dem Campus selber ein ausgelassenes Partyleben.

Nach vier Saisons mit den Golden Griffins ist deine College-Karriere nun beendet und auch dein Studium wirst du bald erfolgreich abschließen. Was sind deine Ziele nach deinem Studienabschluss?
Nach dem Studienabschluss werde ich definitiv versuchen im Rahmen der Möglichkeiten für mindestens ein weiteres Jahr in den USA zu bleiben und Arbeitserfahrung zu sammeln. Alles was danach kommt, kann ich noch nicht sagen.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute, Thomas!
Danke!

Mehr zu soccerships: http://www.soccerships.com

Aufrufe: 010.1.2017, 20:18 Uhr
Jan Driessen/redAutor