2024-05-14T11:23:26.213Z

Aufreger der Woche
Er sieht am Ingelheimer Blumengarten keine Perspektive für die Zukunft: Sven Woschnitza.   Foto: rer.
Er sieht am Ingelheimer Blumengarten keine Perspektive für die Zukunft: Sven Woschnitza. Foto: rer.

Sven Woschnitza wirft die Brocken hin

Trainer der Spielvereinigung Ingelheim gibt nach nur drei Wochen sein Amt wieder auf

INGELHEIM. Die Spielvereinigung Ingelheim ist derzeit nahezu täglich für eine Schlagzeile gut. Die neueste schlechte Nachricht vom Blumengarten: Trainer Sven Woschnitza hat mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt erklärt. „Die Entwicklung im Kader mit den vielen Abgängen hat mir überhaupt keine Handlungsspielräume gelassen, und es hat am Blumengarten grundsätzlich an elementaren Dingen gefehlt“, begründet Woschnitza seinen Schritt im Gespräch mit der AZ.

Dabei nahm der 48-Jährige Bezug auf zwei Ebenen: Aktuell haben ihm kaum mehr als 13 oder 14 Spieler zur Verfügung gestanden, darunter Aktive, die eigentlich nur Bezirksliga spielen wollten, sowie vier gerade erst aus der A-Jugend gekommene. „Das reicht nicht für die Verbandsliga.“ Woschnitza beklagte, dass ihm unter diesen Umständen auch keinerlei disziplinarische Handhabe gegenüber den Spielern zur Verfügung stand. Er könne jemanden nicht auf die Bank setzen oder komplett aus dem Kader für den Spieltag verbannen, wenn er keine Alternativen habe, sagt er. Am Sonntag habe sich auch noch Tim Schweikardt so schwer am Knie verletzt, dass mit einem längeren Ausfall gerechnet werden müsse. Nico Dannenberg habe sich das Knie verdreht, von Idris Hourle habe man seit Tagen nichts mehr gehört.

Wie schon sein Vor-Vorgänger Jürgen Collet sieht der gerade einmal drei Wochen im Amt befindliche Trainer aber auch strukturelle Mängel in Ingelheim. „Man steht allein auf dem Trainingsplatz ohne jede Unterstützung von außen“, schildert er die Umstände seiner kurzen Amtszeit. Beispielhaft zählt er andere Defizite auf: „Bei den kleinsten Vereinen ist es üblich, den älteren A-Jugend-Jahrgang zu aktivieren, sodass die Spieler im Notfall für die erste Mannschaft zur Verfügung stehen – nicht so in Ingelheim“, sagt er. Oder: „Ich habe kürzlich darauf hingewiesen, dass wir nur noch wenige Trainingsbälle haben und angeboten, kurzfristig welche zu besorgen, aber es gab keine Rückmeldung, ob ich das machen soll. Das ganze Paket hat nicht gestimmt“, knüpft Woschnitza an die Kritik von Jürgen Collet an, der in ähnlicher Form seine Rücknahme einer Vertragsverlängerung begründet hatte. Dabei weiß der scheidende Coach durchaus die Arbeit der Verantwortlichen zu würdigen, „aber es sind einfach zu wenige.“
Vereinsboss Wolfgang Bärnwick hat gegenüber der AZ bestätigt, dass ihn der Trainer am Sonntagabend einige Stunden nach der frustrierenden 1:4-Niederlage bei Fortuna Mombach über seine Entscheidung informiert habe. Woschnitza wollte sich beim Training am Montagabend von der Mannschaft verabschieden. Nun steht die Spielvereinigung erneut komplett ohne Coach da. Die Verantwortung, auch die für die sportlichen Belange, für das punktlose Verbandsligateam lastet aktuell allein auf den Schultern des Vereinspräsidenten, weil auch sportlicher Leiter Gerhard Huber noch im lange geplanten Urlaub ist.

„Es gibt nichts schönzureden“, sagt Bärnwick. Auch wenn er selbst es nicht so direkt formuliert, gemeint ist: In der derzeitigen Verfassung und mit dem aktuell verbliebenen Kader wird es für die Verbandsliga nicht reichen. Dass die Spielvereinigung händeringend nach einem neuen Trainer oder zumindest nach einer Verstärkung für das Team sucht, ist ein offenes Geheimnis. Bärnwick hofft nach wie vor, dass es in den nächsten Tagen gelingt, eine Lösung zu finden. Ob die Tatasche, dass man Sven Woschnitza zwar die Verantwortung übertragen hat, sich aber nicht festlegen wollte, ob auf Dauer, bei dessen Rücktrittentscheidung eine Rolle gespielt hat, blieb offen. Andererseits dürfte sich die Suche nach einem geeigneten qualifizierten Nachfolger, der in dieser extrem schwierigen Situation bereit ist, sich der Aufgabe zu stellen, nicht einfach sein. Wer tut sich schon ein solches (fast) aussichtsloses Unterfangen an?


Am Ingelheimer Blumengarten hat in den letzten eineinhalb Jahren ein Prozess des Niedergangs seinen Lauf genommen, wie ihn kaum jemand für möglich gehalten hätte: Es begann mit der schon im Dezember 2013 bekannt gewordenen Trennung vom Trainerduo Thomas Wunderlich und dem Ingelheimer Urgestein Jimmy Umbs, zum Saisonende 2014. Umbs hatte sich Jahre lang auch sehr aktiv als Finanzmanager in die Vorstandsarbeit eingebracht. Der komplette Umbruch der Mannschaft ging einher mit der Verpflichtung von Jürgen Collet zur Saison 2014/15. Dessen selbst gewählter Abgang nach nur einem Jahr löste einen erneuten Aderlass an erfahrenen Spielern aus. Parallel gelang der Klassenerhalt der in die Bezirksliga aufgestiegenen zweiten Mannschaft in der Saison 2014/15, die aber mit dem Abgang von Trainer Matthias Jordan endete, dem eine ganze Reihe von Spielern nach Ebersheim folgte. Gleichzeitig stiegen die A-Junioren in die Regionalliga auf, aber auch begleitet vom Abgang von Trainer Bernd Gersdorf. Dann der Paukenschlag: die Abmeldung der Bezirksliga-Mannschaft noch vor dem ersten Spieltag der Saison 2015/16 wegen einer zu geringen Anzahl von Spielern. Nächste traurige Station: die Entlassung von Jasmin Sinanovic nach fünf Begegnungen in der aktuellen Verbandsliga-Saison ohne Punktgewinn. Im Zuge dessen haben fast alle neu für die Saison verpflichteten Spieler den Verein schon wieder verlassen. Nach nunnmehr sieben Partien ohne einen einzigen Zähler reichte Sven Woschnitza seine Demission ein.

So schlecht waren die Voraussetzungen vor einem Derby gegen Hassia Bingen, wie es am kommenden Freitagabend im Blumengarten bevorsteht, noch nie.

Indessen hat der Südwestdeutsche Fußballverband das am 6. September abgesagte Meisterschaftsspiel des ASV Fußgönheim gegen die Spielvereinigung für Mittwoch, 30. September, 19.30 Uhr, neu angesetzt.

Aufrufe: 021.9.2015, 13:47 Uhr
Andreas SchererAutor