2024-04-25T08:06:26.759Z

Querpass
Da war die Welt noch in Ordnung: Kurz nach dem Heiratsantrag brach sich der frisch-verlobte Nabiel Nasser das Sprunggelenk. Foto: Verein
Da war die Welt noch in Ordnung: Kurz nach dem Heiratsantrag brach sich der frisch-verlobte Nabiel Nasser das Sprunggelenk. Foto: Verein

Sie hat ja gesagt - und er brach sich das Sprunggelenk

MIT VIDEO: Kickerliebe und Fußballeralbtraum bei Victoria Seelow. Oder: der kurioseste Tag im Leben des Nabiel Nasser.

Nabiel Nasser, Oberliga-Fußballer beim SV Victoria Seelow, wollte es auf die romantische Fußballertour: Antrag auf dem Grün, das Team im Rücken, die Liebste davor. Alles lief nach Plan, sie sagte „ja“ und dann passierte das Riesenunglück.

Seine Lieblingsbeschäftigung ist aktuell das Frühstücken: „Was soll ich machen?“, fragt Nabiel Nasser, Fußballer der Oberliga-Mannschaft von Victoria Seelow. Nasser ist verletzt. Ziemlich schwer sogar. Und deshalb bleibt ihm momentan nicht viel mehr zu tun. Dabei hätte alles so schön werden können: Sommer, Saisonfinale, Hochzeitsplanungen. Aber von vorn: Bereits im vergangenen Jahr begann der Kicker mit dem Pläne-Schmieden. Vanessa, die Freundin von Nabiel Nasser und seine große Liebe, sie sollte den perfekten Antrag eines Fußballers bekommen. Auf dem Rasen natürlich. „Ich lud unsere Freunde ein, organisierte, wer, wann und wie kommt. Wie was funktionieren muss und wer was zu tun hat – einfach alles“, blickt der Seelower Kicker auf die Organisation zu seinem vermeintlichen Traumantrag zurück. Weder seine Mannschaft noch seine Freundin ahnten etwas. Heimlichtuer Nabiel Nasser hielt sich bedeckt und wahrte sein Geheimnis – ganze vier Monate lang.

Nur wenige Vertraute wurden in seine Pläne eingeweiht. Den Verlobungsring besorgte er mit der Freundin seines Team-Kapitäns Rick Drews, die T-Shirts mit dem Aufdruck „Heirate mich“, hütete der Seelower Vereinspräsident Roland Bienwald höchstpersönlich und den Blumenstrauß pflegten seine Eltern. Alles lagerte er woanders, um die Überraschung am Ende perfekt zu machen.

Dann war es soweit. Der Kalender zeigte den 30. April: „An jenem Tag, den bisher schönsten aber auch schlimmsten meines Lebens, sind Vanessa und ich ganz normal aufgestanden und haben wie immer zusammen gefrühstückt.“ Mit einer Notlüge schlich sich Amor Nabiel Nasser aus dem Haus, um früher am Vereinsgelände, beim Seelower Maifest und dem Turnier der Partnerstädte zu sein und vorher noch das Objekt der Begierde, den Ring, plus Strauß und T-Shirts von seinen Mitverschwörern einzusammeln. Aber er war spät dran. Nichts ungewöhnliches, wie man in Seelower Mannschaftskreisen weiß.

Am Vereinsgelände geparkt, ertappten ihn direkt die Vereinskollegen Rick Drews und Marcel Georgi und enttarnten den Liebesboten. „Das war nur eine Frage der Zeit“, denkt Nabiel Nasser zurück und lacht. Was folgte, war Fußballer-Routine: Mannschaftsessen, reden, scherzen, lachen.

In der Kabine weihte der 25-Jährige dann seine Kollegen ein. „Alle haben sich gefreut“. Er verteilte die angefertigten T-Shirts an die Truppe. „Nicht so leicht, wenn nur wenig Platz in der Kabine ist und jeder dazwischen quatscht“, erinnert er sich zurück. Die Botschaft verschwand unter den Trikots. Und Vanessa? Sie ahnte noch immer nichts.

Dann war es soweit: Der Bürgermeister eröffnete das Fest mit einer Rede, die Schiedsrichter wurden eingeweiht und es ertönte Vanessas Lieblingssong. Der Startschuss für Nabiel Nasser. „Organisatorisch lief alles etwas durcheinander, aber am Ende war es doch perfekt. Ich hatte nur gehofft, dass Vanessa nichts mitbekommt, weil so viel Besuch da war“, erinnert er sich. „Ich war ganz entspannt, bin ich eigentlich immer, die Ruhe selbst. Dann liefen wir auf.“

Wenig später gab Nabiel Nasser einer Freundin seiner Zukünftigen das vereinbarte Zeichen, sie nach unten auf den Platz zu führen. „Schritt für Schritt, je näher sie kam, desto mehr hatte ich vor großer Aufregung vergessen“, lacht sich Nabiel halb schlapp, als er an den Moment zurückdenkt. Und Vanessa? Jetzt ahnte sie, was kommen sollte. Sie weinte und ihr Zukünftiger, eigentlich kein Mann der Tränen, auch.

„Wir haben uns geküsst, ich konnte kaum was sagen, ich hatte alles vergessen und ging auf die Knie und sprach es aus: ,Willst du mich heiraten?´“

Und Vanessa? Sie nickte; bekam kein Wort heraus; war überwältigt. Nasser steckte ihr den Ring an und die Mannschaft präsentierte die Shirts: „Heirate mich“. Was folgte, waren Glücksgefühle, Fotos und zahlreiche Umarmungen. Fußballromantik pur.

„Alles verflog erst nach und nach, und dann war Fußball angesagt.“ Denn der Arbeitstag des Kickers fing ja erst an. Sie hat „ja“ gesagt, das Wetter war bezaubernd und das Spaß-Turnier stand an. Alles war perfekt. Das Glück sprudelte.

Unter anderem trat die Oberliga-Mannschaft aus Seelow gegen die Partnerstadt aus Polen, Miedzychod, an. Das Team aus dem Nachbarland bat den frisch Vermählten zum Tanz. Einen Tanz, den er nicht mehr vergessen wird. „Die Jungs nahmen das Turnier sehr ernst und wollten gewinnen. Sie führten dann auch schnell mit 2:0. Wir haben umgestellt, weil wir uns nicht abschießen lassen wollten. Die Polen, sichtlich aggressiv am Werk, forderten uns auch in den Zweikämpfen.“

Und der Schrecken begann: „Ein polnischer Spieler stolperte und stolperte. Und wie es der Zufall wollte, gingen wir wenig später beide zum Ball. Er stolperte wieder und landete mit seinem ganzen Körper auf meinem Bein. Ich wusste sofort, irgendwas stimmt nicht.“

Nabiel Nasser brach sich in diesem Moment das Sprunggelenk und der Tag wurde zum schlimmsten, den sich ein Fußballer nur vorstellen kann. Das Knacken war nicht zu überhören, der Schmerz stand dem Kicker ins Gesicht geschrieben. „Ich wusste sofort, das war es für mich.“

Mit der Trage ging es hoch ins Vereinsheim. Der Rettungswagen war unterwegs. Zahlreiche Menschen, Freunde, Familie, die Mannschaft und Betreuer – alle in einem kleinen Raum. Und Nabiel Nasser, der vor Schmerzen am Boden lag. Was folgte, war ein kleines Chaos: „Irgendwie war alles falsch abgesprochen. Wir fuhren ins Seelower Krankenhaus und meine Verlobte und Freunde, samt Handy und meiner Krankenkassen-Karte düsten ins Klinikum nach Markendorf.“

Ohne Chipkarte geht natürlich auch im Fußballnotfall nichts. Und ohne Handy erst recht nicht. So sammelte Nabiel Nasser all seine Konzentration und dachte an die einzige Nummer, die er im Kopf hatte - die vom Präsidenten Roland Bienwald. Der folgte den Anweisungen des Unglücksraben und orderte kurzer Hand Verlobte, Freunde und Familie sowie die Chipkarte von Markendorf nach Seelow.

Das Röntgen brachte Gewissheit: Nabiel Nasser erlitt eine sogenannte „Weber-B-Fraktur“, ein Bruch des oberen Sprunggelenks. „Erst mal ging es dann nach Hause, natürlich auf Krücken“, erzählt Nabiel Nasser, wie der wohl kurioseste Tag in seinem Leben endete. Nur eine Woche später wurde der bald Verheiratete dann operiert. Für sein Team fällt er jetzt für lange Zeit aus. Aber, und das hat er trotz der unglücklichen Umstände noch nicht vergessen, er ist auch glücklich verlobt. Und immerhin bleibt ihm neben der täglichen Physiotherapie auch noch ausgiebig Zeit fürs Frühstück. „Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht zunehme“.

Aufrufe: 024.6.2017, 08:09 Uhr
Thomas SabinAutor