2024-04-24T13:20:38.835Z

Allgemeines
Kreismeister des schnörkellosen Spiels: Die Mannschaft des SV Maiach-Hinterhof nach dem Finale gegen Dergahspor. F: Zink
Kreismeister des schnörkellosen Spiels: Die Mannschaft des SV Maiach-Hinterhof nach dem Finale gegen Dergahspor. F: Zink

SV Maiach: Mit der unglaublichen Kraft der Emotionen

Der neue Hallenmeister im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe beweist, dass Futsal auch eine große Chance sein kann

Verlinkte Inhalte

Der kleine SV Maiach-Hinterhof, so etwas wie der größtmögliche Außen­seiter bei der Hallenendrunde, trumpft nach einer 0:3-Niederlage zum Auf­takt plötzlich groß auf. Nicht nur die beiden Siege gegen Top-Favorit Dergahspor zeigen, dass im Futsal die Klassenzugehörigkeit nicht entschei­dend sein muss. Der neue Champion im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe kann sein Glück kaum fassen.

Am und vor dem Verkaufsstand im Foyer der Halle ist einiges los. Eine Käsesemmel und ein Mars für zwei Euro 30, wo gibt’s das sonst noch, den größten Umsatz machen die jungen Leute aber wohl mit Bier. Der eine oder andere Fan und auch Spieler der SG Schnelldorf/Wolframs-Eschen­bach hat am frühen Abend eine Fla­sche in der Hand, aus einem Lautspre­cher dröhnt Musik. Futsal ist da schon weit weg und doch ganz nah.

Innen läuft gerade das erste Halbfina­le der Meisterschaft im Kreis Nürnberg /Frankenhöhe. Der FC Dombühl gegen den SV Maiach-Hinterhof, Kreisliga gegen Kreisklasse, zwei Überraschungs­mannschaften des Endturniers am Samstagnachmittag. „In der Summe haben wir gute Spiele gesehen“, wird Kreisspielleiter Thomas Raßbach spä­ter sagen bei der Siegerehrung, wirk­lich erinnerungswerte Aktionen wie die Hackenvorlage von Camil Yilmaz (Eyüp Sultan) zum 2:0 gegen Südwest, aber eben auch Befreiungsschläge oder übertriebene Härte. Eine der weniger mitreißenden Phasen des Nachmittags bringt immerhin die Erkenntnis, dass die gegenüberliegende Wand mit 14 mal 24 Platten verkleidet ist.

Der Kreisspielleiter berichtet von „acht zu drei Fouls“ in einer Begeg­nung, das ist für Futsal eine ganze Menge, scheint ansonsten aber recht zufrieden zu sein mit dem Verlauf der Hallenrunde 2016/17 in seinem Zuständigkeitsbereich. Dass die Zahl der teilnehmenden Mannschaften nach wie vor rückläufig ist, beunru­higt ihn nicht. Im Altkreis Nürnberg wollten nur noch 35 Vereine mitma­chen, im Altkreis Frankenhöhe 20, ins­gesamt also nur etwa jeder vierte, ein Negativrekord, wie Raßbach sagt. Trotzdem gibt er Futsal eine Zukunft, „auf unterem Niveau“ werde sich das irgendwann einpendeln, sagt Raß­bach, der, wenn es so weitergeht, schon bald auf Vor- und Zwischenrun­den verzichten kann.

Aufmerksam verfolgt Denis Cvjeda­novic die Vorführungen. „Annehmen, passen, laufen“, so in etwa funktio­niert Futsal, erklärt der langjährige Spieler und Funktionär des FC Bay­ern Kickers, einem der ersten Clubs im Bezirk, die sich mit der weiter nicht überall beliebten Variante des Hallenfußballs anfreundeten. Die im Vergleich zur Ursprungsform kleinere und schwerere Kugel, das Seitenaus, die Foulsummierung. Nach dem insge­samt fünften bekommt der Gegner einen Zehnmeter zugesprochen, auch nach dem sechsten, nach dem siebten und so weiter.

Trotzdem schwören sie bei Bayern Kickers auf Futsal und sind eigentlich auch richtig gut, am Samstag aber bloß als Ausrichter dabei. Selbst Spie­ler der ersten Mannschaft stehen hin­ter einer Bierzeltbank im Foyer. Käse­semmeln, Mars, Bier.

Das Turnier prägen diesmal andere. „Vor fünf, sechs Jahren haben wir auch so angefangen“, lobt Denis Cvje­danovic vor allem den SV Maiach-Hin­terhof und auch Dombühl oder Eyüp Sultan. Die meisten Partien sind eng, nominelle Klassenunterschiede beim Fünf-gegen-fünf oft nicht zu erken­nen. Richtig los geht die Veranstal­tung eigentlich erst im letzten Drittel der Gruppenphase, mit dem 3:2 der Maiacher gegen Top-Favorit und Titel­verteidiger Dergahspor, in der ent­scheidenden Partie gegen die SG Schnelldorf/Wolframs-Eschenbach gelingt dem Außenseiter 16,2 Sekun­den vor Schluss der Siegtreffer.

Überfallartig kontern sie ihre Geg­ner nach Balleroberungen aus und treffen zudem nach Frei- und Strafstö­ßen zuverlässig. Auch im Halbfinale gegen Dombühl zeigt der SV Maiach einen erstaunlich abgeklärten, fast souveränen Auftritt (3:1). Die Dom­bühler Fans singen: „Hurra, das ganze Dorf ist da.“

Mit dem Einzug ins Endspiel qualifi­ziert sich der Kreisklassist vorzeitig für die Bezirksmeisterschaft in Hil­poltstein am Sonntag. Spielertrainer Selcuk Oguz ist das Herz und die Seele seiner Maia­cher, die eine oder andere Entschei­dung der Schiedsrichter bringt ihn an den Rand der Verzweiflung. Man merkt ihnen an, dass sie lange auf so eine Chance wie am Samstag warten mussten. Futsal macht’s möglich.

Selcuk Oguz schwärmt regelrecht von der Fifa-Variante. Weniger Zwei­kämpfe, insgesamt mehr Spielfluss. Die Begeisterung lässt an vielen Standorten im Fußballbezirk dennoch zu wünschen übrig. „Der alte Hallen­fußball ist schlichtweg vorbei“, sagt Kreisspielleiter Raßbach, „und mit Futsal werde ich die Kurve nicht mehr kriegen.“ Beim SV Maiach scheinen sie auf Futsal gewartet zu haben. Im Finale rennt Dergahspor zwar pausenlos an, verliert aber 0:2. Burak Cihan krönt sich mit seinen beiden Treffern zum Torschützenkönig und ist den Tränen nahe, als ihm Raßbach die kleine Tro­phäe überreicht.

Der kleine SV Maiach-Hinterhof hat es allen gezeigt am Samstag in der Halle am Berliner Platz. Was sich im Verlauf des Nachmittags und Abends angestaut hat, löst sich erst langsam, die unglaubliche Kraft der Emotionen wirkt Stunden nach. Sie kosten ihren überraschenden Triumph aus und kön­nen gar nicht genug Siegerbilder krie­gen, in der Halle, in der Kabine, wo auch immer.

Ob ihre kleine Heldengeschichte so etwas wie Signalwirkung haben kann, um andere (unterklassige) Vereine zum Futsal zu bringen, ist eher unwahrscheinlich, aber darum geht es am Samstag auch gar nicht. Was zählt, ist der Moment. In der Halle am Berliner Platz.

Aufrufe: 016.1.2017, 10:01 Uhr
Wolfgang Laaß (NN)Autor