2024-04-25T14:35:39.956Z

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F: Sascha Kupferschläger
F: Sascha Kupferschläger

"Sollten dem Ganzen etwas Zeit lassen"

Interview mit Regionalliga-Schiedsrichter Sven Heinrichs zur Einführung des Videobeweises und der Frage, ob es ein Problem ist, dass sich der Profifußball so immer weiter von den Amateuren entfernt

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Sven Heinrichs aus Mönchengladbach war in der abgelaufenen Saison nicht nur in der Regionalliga aktiv und leitete wie zuletzt das Niederrheinpokalfinale zwischen Rot-Weiss Essen und dem MSV Duisburg vor 17.000 Zuschauern, er ist zudem auch Schiedsrichter-Lehrwart Kreises Mönchengladbach-Viersen. Da die Einführung des Videobeweises beim Confed-Cup zumindest etwas zäh angelaufen ist, sprachen wir mit ihm darüber, wie er das Ganze generell findet, aber auch wie er bewertet, dass die technische Kluft zwischen dem Amateur- und Profifußball immer größer wird.

Trauen Sie sich in Zukunft noch als TV-Zuschauer, nach einem Tor zu jubeln? Oder warten Sie erst einmal ab, ob da nicht noch ein Videobeweis kommt?

Sven Heinrichs Natürlich hemmt es zukünftig den ersten Jubel-Impuls. Erinnern wir uns an das Tor von Igor de Camargo im Relegationsspiel gegen den Vfl Bochum vor einigen Jahren. Die Emotionen, die durch den Borussia-Park bebten, führen noch Heute zu Gänsehaut bei vielen Borussia-Fans. Man stelle sich vor, eine gefühlte Ewigkeit später heißt es dann: Doch kein Tor. Aber ich denke, dass man sich zukünftig daran gewöhnen muss. Seitdem ich Schiedsrichter bin, geht der erste Blick nach einer Torerzielung in der Regel immer zum Assistenten bzw. zum Schiedsrichter, und so muss halt jetzt gewartret werden. In vielen anderen Sportarten ist das Vorghen üblich und führt dann halt zur späteren Freude. Warum soll es also im Fußball nach einer Eingewöhnungszeit nicht auch funktionieren.

Befürworten Sie den Videobeweis?

Heinrichs Grundsätzliche beführworte ich jedes Mittel, welches dem Schiedsrichterteam bei der richtigen Entscheidungsfindung hilft. Auf diesem Weg können viele Fehlentscheidungen korrigiert werden, und der Schiedsrichter verlässt den Mittelpunkt der Kritik. Somit können wirklich folgenschwere Entscheidungen, siehe WM-Relegationsspiel zwischen Irland und Frankreich vor einigen Jahren, korrigiert werden - das kann im Sinne des Fußballs nur fair sein, und dies sollte auch jeder Fußballromantiker so sehen, spätestens wenn sein eigenes Team davon profitiert. Spieler, Trainer und Funktionäre können sich nun wieder mehr damit beschäftigen, die Schuld für eine Niederlage bei der eigenen Leistung zu suchen als beim Schiedsrichter. Weiterer ganz wichtiger Pluspunkt: Krasse Unsportlichkeiten (Schwalben, Schlagen im Rücken des Schiedsrichters etc.) können im Stadion aufgeklärt werden und führen in nächster Konsequenz hoffentlich zu einem faireren Verhalten der Akteure - auch weil die Zuschauer unmittelbar damit konfrontiert werden.

Ist es nicht kritisch zu sehen, dass es bei den Profis dieses Hilfsmittel gibt, im Amateurfußball aber nicht?

Heinrichs Schon mit der Einführung der Torlinientechnologie wurde ja der Kerngedanke "Gleiche Regeln von der Kreisliga bis zur Bundesliga" gelockert. Jetzt wird die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters noch weiter aufgelöst, indem ein TV-Schiedsrichter eingreifen kann. Da es zwar sportlich in beiden Bereichen um das Gewinnen geht, aber im Profibereich um deutlich mehr Geld, muss man sich wohl auch an diesen Gedanken gewöhnen. Und auch hier gilt: Auch in anderen Sportarten funktioniert es prima.

Glauben Sie, dass der Videoschiedsrichter bei seinen Kollegen auf dem Platz beliebt ist?

Heinrichs Natürlich ist es im ersten Moment vermutlich nicht das beste Gefühl der Welt, in seinen Entscheidungen eines Besseren belehrt zu werden - und das im schlimmsten Fall vor über 80.000 Zuschauern in Dortmund. Aber auf lange Sicht dürfte es auch für die Kollegen angenehmer sein, da eine nachträgliche negative Berichterstattung schwerwiegender wirkt. Denn dass etwas falsch war, wurde einem sonst nach dem Spiel von sämtlichen Seiten vorgehalten, nur ist die Entscheidung dann nicht mehr korrigierbar.

Was muss in Zukunft besser werden, damit der Einsatz des Videobeweises für weniger Verwirrung sorgt?

Heinrichs Ich denke, wir sollten zunächst mal abwarten. Jede neue Entwicklung führt, gerade im Fußball, zunächst zu einem Aufschrei des Entsetzens. Wir sollten uns vielen Dingen einfach nicht verwehren und dem ganzen etwas Zeit lassen. Noch kann man die tatsächliche Durchführung nicht abschließend bewerten.

Aufrufe: 022.6.2017, 10:35 Uhr
Sascha KöppenAutor