2024-04-23T13:35:06.289Z

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SV Atter: Mit Teamgeist gegen alle Widerstände

Starke Menschen packen an

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Angezündete Vereinsheime, Diebstahl und Wegfall von Infrastruktur sowie hohe Schulden: Im Laufe seiner bewegten Historie musste der SV Atter mehr als eine große Krise überwinden. Der kleine Verein überstand sie alle. Weil er sich auf tolle Menschen verlassen kann, die den Club im Herzen tragen.

Osnabrück. „Wir sind gut aufgestellt, weil es viele gibt, die sich für kein oder nur ganz wenig Geld für den Verein krumm machen“, sagt Annerose Gritzas, als sie an einem der rustikalen Tische im heimeligen Clubheim am Leyer Holz sitzt. An den Wänden hängen Wimpel befreundeter Vereine und eine DFB-Urkunde für vorbildliche Jugendarbeit, die 1992 mit dem Sepp-Herberger-Preis ausgezeichnet wurde. Gebrauchsspuren auf den Tischen oder der holzvertäfelten Theke erzählen von längeren Abenden mit guten Freunden. Sie haben sich beim SV Atter eine Trutzburg vor der Stadt errichtet, von der aus sie all die riesigen Hindernisse überwanden, die sich vor ihnen aufgetan haben.

„Es war auch eine Frage der Ehre damals“, erinnert sich Dieter Neuhaus. 19 Jahre lang hatte er den Verein geführt, bevor er ihn im Jahr 2002 nahezu schuldenfrei an Gritzas übergab. Das schien noch reine Utopie, als er den Club 1983 übernommen hatte. Unter Vorgänger Helmut Wolf hatte sich zwar die Mitgliederzahl auf 1200 verdoppelt, Tenniscourts und der Allwetterplatz waren gebaut worden – doch nach dem plötzlichen Tod Wolfs brach die Finanzierung plötzlich zusammen. „Er war ein wirbelnder Mann mit dominanter Ausstrahlung, da hatten wir anderen zuvor wenig hinterfragt“, erklärt Neuhaus. Er und seine Mitstreiter packten an, organisierten eine Bürgschaft von der Stadt, warben Spenden bei den Mitgliedern ein, regelten in den Folgejahren vieles in Eigenleistung und freuten sich über Spenden des Schützenvereins und des Aero-Clubs. Weder der Diebstahl der Alu-Umrandung des Hartplatzes noch die doppelte Brandstiftung des Jahres 1987, als Unbekannte das Vereinsheim und das Tennis-Clubhaus vernichteten, warf den SVA aus der Bahn. Auch die Schließung des Lehrschwimmbeckens 1992 und die mit der Umlegung der Buslinien verbundene Abkopplung der Strothesiedlung vom Klub überstand der Verein. „Es war ein langer, schmerzvoller Weg, den wir gegangen sind“, erinnert sich Neuhaus, der vom Rat der Stadt Osnabrück 2003 für sein Engagement die Bürgermedaille erhielt.

Mit bescheidenen Mitteln ausdauernd und erfolgreich gegen Widerstände kämpfen : Dafür steht der SV Atter, auch die erste Fußballmannschaft, die in der Kreisliga stets gegen den Abstieg spielt, aber immer drinbleibt. „Unser Trainer Jens Bovenschulte macht einen guten Job“, sagt Ulrich Stenzel als Sportlicher Leiter Fußball zur Tatsache, dass die Elf gerade als Neunter in der Tabelle fast Höhenluft schnuppert. Das Team besteht wie die 2. Herren und die Mädchenmannschaft (Spielgemeinschaft mit Ballsport Eversburg) aus Talenten der Region – gezahlt wird selbstverständlich nichts. Stenzel freut sich zudem über ein G- und ein C-Junioren-Team im Spielbetrieb, klagt aber angesichts vieler geflüchteter Kinder über die schwierige Beschaffung von Spielberechtigungen beim Verband. „Wir setzen doch keine verkappten Nationalspieler aus dem Sudan ein. Wobei wir jetzt sagen können, dass ein Atteraner ein Bundesliga-Tor geschossen hat“, sagt Stenzel augenzwinkernd.

Er meint Donis Avdijaj, der als Sechsjähriger in Atter das Kicken lernte und fünf Jahre blieb, bevor er über den VfL Osnabrück zu Schalke 04 ging und kürzlich für die Knappen fulminant in Hamburg traf. Gelegentliche Medienberichte über angebliche oder tatsächliche Eskapaden des Jungprofis nehmen sie in Atter mit einem Lächeln zur Kenntnis – es strahlt Wissen und Gutmütigkeit zugleich aus, weil sie wissen, dass Avdijaj noch nie ein angepasster Junge war, aber immer ein guter, herzlicher Mensch, dem man nicht lange böse sein kann.

Es sind spezielle Biografien, die verschiedene Menschen haben heimisch werden lassen beim SVA. Anna Buling kam als Kind in den Turnkurs unter die bis heute hauptamtlich für den Verein aktive Marina Reitenbach, weil ihr Vater die Sportlehrerin beim Sprachkurs kennengelernt hat. „Mich inspiriert, wie sie Erwachsene und Kinder begeistert. Daher habe ich später selbst Gruppen übernommen“, sagt Buling, die auch beim Turnkreis eine tragende Rolle spielt, mit ihrem Nachwuchs Wettkämpfe besucht, Auftritte bei Landesturnfesten und anderen Events absolviert. „Wir fahren über 20 000 Kilometer im Jahr für den Sport“, sagt Buling. „Und das, ohne die Clubkasse groß in Anspruch zu nehmen“, ergänzt Ex-Vorstand Neuhaus.

Von Idealismus und Begeisterung für den Sport angetrieben – ein Motto, das auch auf Mark Dörner zutrifft. Er leitet die neue Ringerabteilung und ist „Verantwortungsbürger“ des Clubs. „Ein komischer Name, den die Politik kreiert hat. Ich vernetz mich mit sozialen Einrichtungen wie Flüchtlingsheimen“, erklärt er. Die Verbindung hat schon viele starke Sportler zum SV Atter gebracht – nicht nur, aber vor allem im Ringen. „Wir wollen nun mit Borgholzhausen eine Kampfgemeinschaft bilden. Die könnte richtig gut werden“, sagt Dörner, der auch die Kooperation mit Schulen sucht, um beim Nachwuchs fürs Ringen zu werben.

Flüchtlinge, Angebote für den Nachwuchs, neue Wege und Engagement: Sie sind mehr als bereit beim SV Atter für neue Herausforderungen.

Aufrufe: 020.1.2017, 13:42 Uhr
Neue Osnabrücker ZeitungAutor